Abmahndeckel verabschiedet

Das Bundesjustizminsterium freut sich über den heute vom Bundestag verabschiedeten “Abmahndeckel” im Urheberrecht (Vorsicht: dieser ist noch nicht in Kraft) und beschreibt – ganz einleuchtend – den folgenden Fall:
“Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen
Das Gesetz verbessert die Situation von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich hohen Rechnungen für eine anwaltliche Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung ausgesetzt sehen. Künftig sollen bei einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs die erstattungsfähigen Anwaltsgebühren für die Abmahnung nicht mehr als 100 Euro betragen.

Beispiel:
Die Schülerin S (16 Jahre) hat auf ihrer privaten Homepage einen Stadtplanausschnitt eingebunden, damit ihre Freunde sie besser finden. Dies ist eine Urheberrechtsverletzung (§§ 19a, 106 UrhG). Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Eine Kanzlei hat die Schülerin abgemahnt, die Abgabe einer Unterlassungserklärung gefordert und als Anwaltshonorar einen Betrag von 1.000 € gefordert. Künftig kann die Kanzlei für ihre anwaltlichen Dienstleistungen nur 100 Euro von S erstattet verlangen, wenn es sich um einen einfach gelagerten Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung handelt. Unberührt von dieser Begrenzung bleibt der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten, also etwa dem Rechtsinhaber. Bei den übrigen Schutzrechten wie dem Marken- oder Patentrecht ist diese Ergänzung nicht erforderlich, da hier Abmahnungen ohnehin nur ausgesprochen werden können, wenn das Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt wurde.”

Schade nur, dass das Leben nicht aus Musterfällen besteht. Außerdem wird geflissentlich verschwiegen, dass die arme Schülerin möglicherweise mit mehreren tausend Euro Lizenzgebühren rechnen muss. Wie wäre es nun mit folgendem Beispiel:

“Die Mutter und Hausfrau S verkauft in Ihrer Freizeit auf der eBay-Plattform gebrauchte Klamotten (etwa 20 Stück im Monat), um ihre knappe Haushaltskasse aufzubessern. Sie benutzt ein geschütztes Produktbild zur Illustration ihres Angebots und wird von einem Rechteinhaber, der sich einen Anwalt nimmt, abgemahnt.”

Hier wird es kompliziert und – so wie das Gesetz formuliert werden soll – mit großer Wahrscheinlichkeit teuer, obwohl sich der Rechtsverstoß nicht anders “anfühlt” als der vom BMJ skizzierte Fall. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft erbitterte gerichtliche Auseinandersetzungen über die Auslegung des § 97a UrhG und die Erstattung von Anwaltskosten stattfinden werden. Außerdem dürfte in eindeutigeren Fällen der “Abmahndeckel” gerade zur Rechtfertigung von hohen Erstattungsbeträgen hinhalten. Schließlich fehlt eine Vorschrift für gerichtliche Verfahren völlig. Rechtssicherheit bringt das zwar nicht – aber immerhin kann man sich dann im Justizministerium damit brüsten, irgendetwas getan zu haben. (zie)

Hier nochmals die geplante Vorschrift:

§ 97a
Abmahnung

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen erfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.

(2) Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.

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