Amtsgericht Frankfurt a.M. – Auszugsweise Veröffentlichung von (geschäftlichen) E-Mails stellt Persönlichkeitsrechtsverletzung dar
Das Amtsgericht Frankfurt a.M. hat in einem aktuellen Urteil vom 10.12.2015, Az. 3872/15 (84) entschieden, dass die auszugsweise Veröffentlichung fremder E-Mails auf einem Bewertungsportal das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt, wenn durch die unvollständige Wiedergabe der Inhalte ein Eindruck vermittelt wird, der mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereinstimmt.
Was war passiert?
Ein Kunde hat bei unserer Mandantin (Rechtsform: GmbH) ein Bett bestellt. Nach der Auslieferung hat der Kunde in ziemlich harschem Ton die Optik des gelieferten Betts kritisiert und beanstandet, dass die im Shop angezeigten Bilder in erheblichem Umfang von dem tatsächlichen Aussehen abweichen würden. Unsere Mandantin hat den Vertrag wunschgemäß rückabgewickelt und das Bett bei dem Kunden abholen lassen und den Kaufpreis erstattet. Damit war der Kunde aber offenbar noch nicht zufrieden gestellt.
Vielmehr verfasste er auf dem Bewertungsportal trustpilot.de unter dem Titel
ALBTRAUMERFAHRUNGEN OHNE ENDE – Nie mehr wieder!!!
eine Rezension über die Bestellabwicklung. In dem Rezensionstext zitierte der Kunde auch aus der umfangreichen E-Mail Korrespondenz. Allerdings gab der Kunde die Nachrichten unserer Mandantin nicht vollständig, sondern stark verkürzt wieder. So verschwieg der Kunde etwa die Teile, in denen unsere Mandantin die kostenlose Abholung des Bettes und die Rückzahlung des Kaufpreises bestätigte. Der Kunde veröffentlichte allein die Teile, in denen sich unsere Mandantin verständlicherweise gegen die unzutreffenden Vorwürfe des Kunden wehrte. Durch die unvollständige Zitierung sollte beim Leser offensichtlich der Eindruck vermittelt werden, dass unsere Mandantin dem Kunden seine gesetzlichen Ansprüche versagt hat. Dieser vermittelte Eindruck stimmte jedoch nachweislich nicht mit der Realität überein.
Einstweilige Verfügung durch Landgericht Frankfurt
Nach der Veröffentlichung der Rezension haben wir für unsere Mandantin beim Landgericht Frankfurt a.M. eine einstweilige Verfügung (Beschluss v. 21.10.2014, Az. 2-03 O 405/14) erwirkt. Demnach wurde dem Kunden untersagt, im Zusammenhang mit Rezensionen über Bestellungen bei der Antragstellerin unvollständig aus der geführten Korrespondenz zu zitieren und Textstellen aus E-Mails der Antragstellerin isoliert wiederzugeben und dabei wie folgt zu behaupten „[…]“ (es folgt der Inhalt der auszugsweise zitierten Mails).
Die Entscheidung erging im Beschlusswege und enthält insoweit keine Begründung.
Bestätigung durch das Amtsgericht Frankfurt
Im Verfahren über die außergerichtlichen Kosten hatte sich das Amtsgericht Frankfurt bezüglich der Berechtigung der Abmahnung damit zu befassen, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Übereinstimmung mit dem Landgericht begründet war.
Das Amtsgericht ist dabei unserer Argumentation gefolgt, wonach die unvollständige Zitierung von Äußerungen Dritter als unwahre Tatsachenbehauptung zu qualifizieren ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn durch die unvollständige Zitierung der Aussagegehalt verändert wird und dadurch bei dem Leser ein falscher Eindruck entstehen kann. Bei der Veröffentlichung von Zitaten sind somit hohe Maßstäbe an die Zulässigkeit anzulegen. Durch die Einordnung solcher unvollständiger Zitate als unwahre Tatsachenbehauptung geht damit einher, dass diese nicht mehr von der in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Meinungsfreiheit gedeckt sind. Dies gilt eben nicht nur für das gesprochene Wort von Privatpersonen, sondern auch für juristische Personen.
Abschlussschreiben löst 1,3-fache Geschäftsgebühr aus
Neben den Kosten der Abmahnung haben wir für unsere Mandantin auch die Kosten des Abschlussschreibens geltend gemacht. Diese wurden zunächst außergerichtlich in Höhe einer 0,8 – fachen Geschäftsgebühr geltend gemacht. Da der Kunde auch diese Kosten zurückgewiesen hat, wurden diese im Mahnverfahren geltend gemacht. In der Anspruchsbegründung vor dem Amtsgericht Frankfurt wurde der Antrag erweitert und eine 1,3 – fache Geschäftsgebühr geltend gemacht. Zwischen dem Mahnverfahren und der Anspruchsbegründung nach eingegangenem Widerspruch des Kunden wurde die Entscheidung des Bundesgerichtshofs veröffentlicht, wonach ein Abschlussschreiben regelmäßig eine 1,3 – fache Geschäftsgebühr auslöst (BGH, Urteil v. 22.1.2015, Az. I ZR 59/14). Da die Geschäftsgebühr eine Rahmengebühr darstellt, ist die erstmalige Bemessung der Gebühr (hier in Höhe von 0,8) grundsätzlich bindend. Ein Abrücken von der Festlegung ist u.a. dann zulässig, wenn sich nachträglich wesentliche Änderungen hinsichtlich der Gebührenbemessung ergeben. Vorliegend haben wir die Veröffentlichung des BGH-Urteils als solche Änderung geltend gemacht. Auch diesbezüglich hat sich das Amtsgericht unserer Argumentation angeschlossen und den Kunden gemäß der Klageerweiterung zur Zahlung der 1,3 – fachen Geschäftsgebühr verurteilt.
Fliegender Gerichtsstand bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet
Daneben hat das Amtsgericht den fliegenden Gerichtsstand für Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf bundesweit abrufbaren Bewertungsplattformen bejaht. Auch wenn die Parteien keinen örtlichen Bezug zu Frankfurt aufweisen, sei eine örtliche Zuständigkeit gegeben, da die Bewertung dort bestimmungsgemäß abrufbar war. Ob und ggf. wie häufig der Beitrag in Frankfurt abgerufen wurde, sie dabei unerheblich.
Der Kunde hat mittlerweile Berufung eingelegt, so dass sich die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt nun ein zweites Mal mit der Angelegenheit befassen muss. (th)
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