Aufstand der getauschten Frau

Seit 2003 gehört die Doku-Soap „Frauentausch“ zu den erfolgreichsten Sendeformaten des Privatsenders RTLII: Bis zu 18% der werberelevanten Zielgruppe schauen nach Senderangaben dabei zu, wie zwei Frauen für 10 Tage ihr Leben – einschließlich Ehemann und Familienanhang – miteinander tauschen. Diese Frauen stammen in der Regel aus grundverschiedenen sozialen Milieus, so dass Konflikte innerhalb der neu zusammengewürfelten Familien meist vorprogrammiert sind. Und wo Konflikte nicht hinreichend deutlich werden, helfen Regie und Erzählstimme regelmäßig etwas nach, um landläufige Klischees der Zuschauer zu bedienen.

Nachdem „Frauentausch“ in der Vergangenheit unter moralisch-ethischen Gesichtspunkten bereits die Landesmedienanstalten beschäftigte, war nun das Landgericht Berlin aufgefordert, das Sendeformat unter rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen.

Wie aus einer aktuellen Pressemitteilung hervorgeht, gaben die Richter des Landgerichts mit Urteil vom 26.07.2012 (Az. 27 O 14/12) der Klage einer ehemaligen „Tauschfrau“ dahingehend statt, dass sie der Produktionsfirma des Formats untersagten, fortan die Folge, in der die Klägerin mitgewirkt hat, selbst oder durch Dritte erneut zu veröffentlichen oder zu verbreiten.

Die Richter führten aus, die Klägerin sei in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, weil sie als überforderte und geistig verwirrte, bei ihren Kindern unbeliebte Mutter einer praktisch veranlagten, sympathischen und ordentlichen Tauschmutter gegenüber gestellt wurde und dadurch gezielt lächerlich gemacht worden sei. Mit derartigen nachträglichen Bearbeitungen zum ausschließlichen Zweck der Verspottung habe sie bei Abgabe ihrer Einwilligungserklärung gegenüber der Produktionsfirma nicht rechnen müssen.

Anlass für eine finanzielle Entschädigung der Klägerin sahen die Richter indessen nicht, da die Missachtung des Persönlichkeitsrechts ihrer Auffassung nach nicht so schwerwiegend sei, dass eine solche geboten erscheine. Entsprechend wiesen sie den auf eine Geldentschädigung gerichteten Klageantrag (gefordert war hier ein Minimalbetrag in Höhe von EUR 15.000,00) vollständig ab.

Ob die Entscheidung des Landgerichts gutzuheißen ist, vermögen wir ohne Kenntnis des Inhalts der von der Klägerin unterzeichneten Einwilligungserklärung gegenwärtig nicht zu beurteilen. Zwar sind wir grundsätzlich der Auffassung, dass Persönlichkeitsrechte nicht hoch genug anzusetzen sind. Dennoch mutet es im konkreten Fall etwas realitätsfremd an, dass das Gericht dem Vortrag der Klägerin gefolgt ist, mit der konkreten Darstellung ihrer Person habe sie bereits deshalb nicht rechnen können, weil in der unterzeichneten Einwilligungserklärung von einer „TV-Dokumentations-Serie“ die Rede gewesen sei, welche vorrangig einen Dokumentationscharakter haben sollte. Da mittlerweile über 300 Episoden von „Frauentausch“ ausgestrahlt wurden, fällt es jedenfalls schwer zu glauben, dass der Klägerin bei ihrer Bewerbung das Format „Frauentausch“ überhaupt nicht bekannt war oder dass sie aus sonst einem Grund davon ausgehen durfte, sie selbst würde weniger stereotyp dargestellt als die „Tauschfrauen“ der Vorgänger-Episoden.

Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, besteht für beide Seiten die Möglichkeit, in die Berufung zu gehen. Unabhängig davon ist abschließend Folgendes festzuhalten: Wer den Gedanken erwägt, als Teilnehmer einer sogenannten Doku-Soap im Fernsehen einen Einblick in sein Leben zu gewähren, sollte sich zuvor im Klaren darüber sein, welche Rechte er im Rahmen seiner Einwilligungserklärung der jeweiligen Produktionsfirma einräumt. Für eine entsprechende Prüfung stehen wir jederzeit gern zur Verfügung. (ab)

Bild: © Meddy Popcorn – Fotolia.com

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