Berichte aus der Parallelwelt, Teil 9 – Hirschurne
Ein Werk der angewandten Kunst (hier: Urne mit Hirschmotiv) ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt, wenn es sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinn des § 2 Abs. 2 UrhG handelt.
Eine solche setzt eine individuelle Prägung voraus, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer “künstlerischen” Leistung gesprochen werden kann (mit Verweis auf BGH, Urteil vom 13.11.2013 – I ZR 143/12, MIR 2013, Dok. 097 – Geburtstagszug m. w. N.).
Ein Hirsch macht noch keinen Künstler. Doch sollte individuell erbrachte grafisch-künstlerische Leistung immer auch als solche geschützt werden dürfen.
Der Meinung war auch das OLG Köln und entschied, dass die grafisch geschmückten Urnen einer Klägerin eigenschöpferischen Leistungen entsprechen und damit Urheberrecht genießen (OLG Köln, Urteil v. 20.2.2015, Az. 6 U 131/14).
Im Fall standen sich zwei Unternehmerinnen gegenüber, die grafisch aufgewertete Urnen vertreiben. Das Sortiment beider Unternehmerinnen enthielt unter anderem die Motive „Hirsch“ und Gipfelkreuz“. Die Klägerin war der Meinung, die Beklagte würde Ihr Sortiment gezielt nachahmen und die entworfenen Motive kopieren. Gegenstand des Berufungsverfahrens war jedoch nur noch das Motiv „Hirsch“, da dem Motiv „Gipfelkreuz“ bereits die Schutzfähigkeit in erster Instanz abgesprochen wurde. Die erste Instanz wurde nun vom OLG bestätigt. Bei der Urne mit dem Motiv „Hirsch“ der Beklagten handelt es sich um eine Kopie der Arbeit der Klägerin. Diese hat mit ihrem Motiv eine persönliche geistige Schöpfung erbracht und damit ein Werk angewandter Kunst erschaffen.
Man muss also noch lange kein Künstler sein, um künstlerische Arbeit zu leisten. Solange für „Kunst empfängliche“ und mit Kunstanschauung „einigermaßen vertraute Kreise“ eine künstlerische Leistung erkennen können. Werke angewandter Kunst bedürfen keiner gesteigerten Anforderung an eine Schöpfungshöhe.
Man kann nur hoffen, dass diese Kreise einen Pollock nicht für eine Serviette zum Pinselabstreichen halten. (re)
Der Beitrag stammt von unserer freien Autorin Katharina Reber. Er ist Teil unseren neuen Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.
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