Einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zufolge hat jeder Patient das Recht, eine kostenlose Kopie seiner Patientenakte zu erhalten (EuGH, Urteil vom 26.10.2023, Az. C 307/22)
Ärzte müssen jede Behandlung schriftlich dokumentieren. Das gehört zu den Pflichten, die sich aus dem Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient für den Behandler ergeben. Doch nicht alle Ärzte geben gerne Patientenakten heraus, für andere wiederum ist es selbstverständlich.
Das Recht für Patientinnen und Patienten, eine Kopie ihrer Patientenakte zu bekommen, gibt es schon länger. Bislang verlangten aber manche Ärzte auch für eine erste Kopie der Patientenakte eine Gebühr nach der Gebührenordnung für Ärzte bzw. der Gebührenordnung für Zahnärzte. Die Gebühr betraf auch Rechtsanwälte, die in Verfahren Kopien von Patientenakten benötigen.
Kopien von Patientenakten liquidieren
Nach dem Urteil des EuGH können Patientinnen und Patienten jetzt eine Kopie ihrer Patientenakte von ihrem Arzt verlangen, ohne dass dafür eine Gebühr erhoben werden darf. Grund dafür ist Art. 15 Abs. 1 DSGVO (‚Auskunftsrecht der betroffenen Person‘). Danach hat die betroffene Person das Recht auf Auskunft darüber, welche personenbezogenen Daten der Verantwortliche – hier der Arzt – speichert und verarbeitet. Dazu gehören unter anderem auch die Verarbeitungszwecke sowie die Auskunft zu Empfängern, gegenüber denen personenbezogene Daten offengelegt wurden.
Weder Entgelt noch Begründung erforderlich
Nach einem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs hatte der EuGH Art. 12 Abs. 5, Art. 15 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO auszulegen. Art. 12 Abs. 5 DSGVO regelt, dass „alle Mitteilungen und Maßnahmen gemäß den Artikeln 15 [DSGVO] … unentgeltlich zur Verfügung gestellt“ werden.
Der EuGH verweist in seinem Urteil auf Erwägungsgrund 63 der DSGVO. Darin heißt es, dass das Recht der betroffenen Personen auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten „Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten“, mit umfasst.
EuGH: „Recht auf Auskunft über Gesundheitsdaten“
Art. 15 Abs. 1 DSGVO garantierte ein „Recht auf Auskunft über Gesundheitsdaten“. Dieses dürfe nicht durch „die Auferlegung der Zahlung einer Gegenleistung“ auf einen der im ersten Satz von Erwägungsgrund 52 der DSGVO genannten Gründe beschränkt werden. Dort heißt es: „Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.“
Auch das Recht, eine erste kostenlose Kopie zu erhalten, dürfe nicht eingeschränkt werden, lautet das EuGH-Urteil. Das Recht auf eine erste kostenlose Kopie ist in Art. 12 Abs. 5 und Art. 15 Abs. 3 DSGVO vorgesehen.
Der Anspruch auf eine kostenlose Kopie der Patientenakte soll laut EuGH außerdem „ein gleichmäßiges und hohes Schutzniveau für natürliche Personen in der Union gewährleisten“.
Bürgerliches Gesetzbuch sieht Kostenerstattung vor
In seinem Urteil geht der EuGH auf § 630g Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch ein, welcher lautet: „Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.“
Der vorlegende BGH wies darauf hin, dass die Regelung in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen der Behandelnden schützen solle, was Patienten davon abhalte, unnötig Kopien ihrer Patientenakte anzufordern. Ob die Regelung tatsächlich zum Ziel habe, die wirtschaftlichen Interessen der Ärzte zu schützen, sei „Sache des vorlegenden Gerichts“, so der EuGH.