Der Europäische Gerichtshof (EuGH) klärt zurzeit, ob Google beanstandete Links weltweit aus seinen Suchergebnissen entfernen muss. Genau das fordern französische Datenschützer.
Generalanwalt Szpunar ist der Auffassung, dass ein Betreiber von Suchmaschinen nicht verpflichtet ist, für eine weltweite Entfernung von Links zu sorgen. In seinen Schlussanträgen schlägt Szpunar dem Gerichtshof vor, die Entfernung von Links, die durch die Betreiber von Suchmaschinen vorzunehmen ist, auf das Gebiet der Europäischen Union zu begrenzen.
Das Recht auf Vergessenwerden müsse gegen das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen abgewogen werden, betonte der Generalanwalt. Bei einer weltweiten Anwendung von EU-Recht wäre dies nicht mehr möglich (Pressemitteilung des EuGH Nr. 2/2019 v. 10.01.2019).
Französische Datenschutzbehörde fordert weltweite Löschung
Mit Beschluss vom 21. Mai 2015 forderte die Präsidentin der Commission nationale de l’informatique et des libertés (CNIL, Nationaler Ausschuss für Informatik und Freiheitsrechte, Frankreich) Google auf, in Fällen, in denen auf Antrag einer natürlichen Person aus der im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigten Ergebnisliste Links zu Internetseiten entfernt würden, die Entfernung dieser Links auf alle Domainnamen-Erweiterungen ihrer Suchmaschine zu erstrecken.
Google weigerte sich, dieser Aufforderung nachzukommen, und beschränkte sich darauf, die fraglichen Links bei Ergebnissen aufgrund von Suchvorgängen zu entfernen, bei denen Varianten ihrer Suchmaschine mit Domainnamen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verwendet wurden. Die CNIL hielt auch das von Google nach Ablauf der ihr gesetzten Frist ergänzend vorgeschlagene „Geoblocking“ für unzureichend, das darin besteht, dass auf die durch eine Suche anhand des Namens einer Person generierten Ergebnisse nicht mittels einer dem Wohnsitzstaat dieser Person zuzuordnenden IP-Adresse zugegriffen werden kann, unabhängig davon, welche Variante der Suchmaschine bei der Suche verwendet wurde.
Im Anschluss an die Feststellung, dass Google der genannten Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen sei, verhängte die CNIL mit Beschluss vom 10. März 2016, gegen sie eine Strafe in Höhe von 100 000 Euro. Google hat beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses erhoben. Der Conseil d’État hat dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Auslegung der einschlägigen Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG vorgelegt.
Klärungsbedürftig ist dabei, ob der Suchmaschinenbetreiber bei einer stattgegebenen Anfrage auf Löschung eines Links in den Suchergebnissen zugleich auch die Löschung auf sämtlichen seiner Domains in den diversen Ländern veranlassen muss.
Das Recht auf Vergessenwerden
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte 2014 in einem wegweisenden Urteil das Recht der Privatpersonen auf Vergessenwerden im Internet bestätigt (EuGH, Urteil v. 13.05.2014, Az. C-131/12). Wir berichteten.
Demnach haben natürliche Personen unter bestimmten Umständen einen Anspruch gegen Suchmaschinenbetreiber auf Löschung personenbezogener Daten.
Mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung am 28.05.2017 wird das Recht auf Vergessenwerden bzw. das Recht zur Löschung nun europaweit kodifiziert. Gem. Art. 17 DSGVO hat die betroffene Person die Möglichkeit zu verlangen, dass ihre personenbezogenen Daten im Internet gelöscht werden, jedenfalls dann, wenn keine vorrangigen Gründe entgegenstehen. Das muss in jedem Einzelfall abgewogen werden.
EuGH-Generalanwalt: Google muss Suchergebnisse nicht weltweit löschen
In seinen Schlussanträgen hat Generalanwalt Szpunar zunächst darauf hingewiesen, dass die auf diese Rechtssache anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts (RL 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr – ABl. L 281, 31) die Frage der räumlichen Begrenzung der Entfernung von Links nicht ausdrücklich regelten.
Seines Erachtens ist eine Differenzierung anhand des Ortes geboten, von dem aus die Suche vorgenommen wird. Dabei sollten Suchvorgänge außerhalb des Gebiets der Europäischen Union nicht von der Entfernung von Links aus den Suchergebnissen betroffen sein. Eine Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts, die so weit sei, dass sie Wirkungen über die Landesgrenzen der 28 Mitgliedstaaten hinaus entfalteten, sei daher abzulehnen.
Keine weltweite grundrechtliche Abwägung möglich
Das Recht auf Vergessenwerden müsse gegen das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu den gesuchten Informationen abgewogen werden. Bei einer weltweiten Entfernung von Links wären die Unionsbehörden nicht in der Lage, ein Recht auf Erlangung von Informationen zu definieren und näher zu bestimmen, und sie könnten erst recht keine Abwägung zwischen ihm und den Grundrechten auf Datenschutz und auf Privatleben vornehmen.
Hinzu komme, dass ein solches Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen zwangsläufig je nach seiner geografischen Verortung von Drittstaat zu Drittstaat variiere.
Szpunar vertritt hierbei die Auffassung, Unionsbehörden könnten nicht fordern, Links weltweit entfernen zu lassen, denn dies hätte auch Einfluss auf die Informationsfreiheit außerhalb der EU. Wäre eine weltweite Entfernung von Links möglich, bestünde die Gefahr, dass Personen in Drittstaaten am Zugang zu den Informationen gehindert würden und dass die Drittstaaten im Gegenzug Personen aus den Staaten der Union am Zugang zu den Informationen hinderten.
Fordert beispielsweise ein spanischer Bürger in Spanien von Google die weltweite Löschung von Links, hätte dies Einfluss auf das Suchergebnis von Bürgern in den USA. Umgekehrt könnten wiederum auch US-Bürger mit Löschforderungen gegenüber der Suchmaschine die Suchergebnisse innerhalb der EU beeinflussen und damit mittelbar die Informationsfreiheit der EU-Bürger beschränken.
Zwar seien in bestimmten den Binnenmarkt betreffenden und klar abgegrenzten Fällen, etwa im Bereich des Wettbewerbsrechts oder des Markenrechts, extraterritoriale Wirkungen zulässig. Hier gehe es jedoch um das Internet, das seinem Wesen nach keine klare territoriale Abgrenzung zulasse und damit nicht vergleichbar sei. Der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache rechtfertige damit keine extraterritoriale Wirkung.
Geoblocking muss sein
Sofern die Reichweite des Löschanspruchs nur für Domains im Land des Antragstellers oder innerhalb der EU-Grenzen gilt, soll mit der dritten Vorlagefrage geklärt werden, ob dieses Recht durch die Geoblockingtechnik abgesichert werden muss.
Der Generalanwalt hat diesbezüglich hervorgehoben, dass der Betreiber einer Suchmaschine, alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen müsse, um im Gebiet der Europäischen Union für ihre wirksame und vollständige Entfernung zu sorgen. Dabei müsse er auch auf die Technik des “Geoblocking” der einem der Mitgliedstaaten zuzuordnenden IP-Adressen zurückgreifen, unabhängig davon, welchen Domainnamen der die Suche durchführende Internetnutzer verwende.
Fazit
Zu begrüßen ist, dass die territoriale Durchsetzung der Grundrechte der von den zu löschenden Inhalten betroffenen Person sichergestellt wird.
Google wendet das Geoblocking bereits an, um das Recht auf Vergessen werden europaweit umzusetzen. Wahrscheinlich ist, dass die Luxemburger Richter den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen und damit die bisherige Praxis von Google bestätigen. Unwahrscheinlich ist hingegen, dass die EuGH-Richter eine weltweite Löschungspflicht bejahen. Mit einer endgültigen Entscheidung des EuGH zum Recht auf Vergessen ist frühestens in einigen Monaten zu rechnen.