Der Staat darf bei der Strafverfolgung und Terrorabwehr zukünftig nicht mehr so leicht auf persönliche Daten von Handy- und Internetnutzern zugreifen.
Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Regelungen zur so genannten Bestandsdatenauskunft für verfassungswidrig (BVerfG, Beschluss vom 27.05.2020, Az. 1 BvR 1873/13; 1 BvR 2618/13). Sie verstießen gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I, 1 I GG) und das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 GG), so die Verfassungsrichter.
Damit fällen die Verfassungshüter eine wichtige Entscheidung zu Gunsten des Datenschutzes.
Bis Ende 2021 bleiben die jetzigen Vorschriften nach Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts in Kraft. Spätestens dann muss der Gesetzgeber eine Neuregelung geschaffen haben.
Was sind Bestandsdaten?
Zum Zwecke der Strafverfolgung und Terrorabwehr dürfen staatliche Behörden so genannte „feste“ Bestandsdaten abfragen. Damit sind personenbezogene Kundendaten wie Name, Anschrift und Geburtsdatum im Bereich der Telekommunikation gemeint. Bei Internetnutzern darf die Herausgabe der IP-Adresse verlangt werden.
Abzugrenzen sind Bestandsdaten von so genannten Verkehrsdaten. Diese Daten betreffen die Verbindung der Telekommunikation. Umfasst sind beispielsweise die Rufnummer, die SIM, der Standort sowie der Beginn und das Ende einer Kommunikation. Diese Daten dürfen nicht abgefragt werden.
Gesetzgeber muss schon das zweite Mal nachbessern
Zwei Verfassungsbeschwerden lagen dem Beschluss zu Grunde. Eine davon wurde von 6000 Menschen unterstützt. Der heutige Piraten-Europapolitiker Patrick Beyer und seine frühere Parteikollegin Katharina Nocun legten sie im Jahre 2013 ein.
Bereits im Jahre 2012 hielt das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften über die Bestandsdatenauskunft für zu weitgehend. Damals hatte Beyer mit seinem Bruder geklagt. Der Gesetzgeber muss nun ein zweites Mal nachbessern.
Verhältnismäßige Rechtsgrundlagen erforderlich
Das Bundesverfassungsgericht hält die Bestandsdatenauskunft grundsätzlich für verfassungsrechtlich zulässig. Der Gesetzgeber müsse aber nach dem Bild einer Doppeltür sowohl für die Übermittlung der Bestandsdaten durch die Telekommunikationsanbieter als auch für den Abruf dieser Daten durch die Behörden jeweils verhältnismäßige Rechtsgrundlagen schaffen.
Für die Gefahrenabwehr und die Tätigkeit der Nachrichtendienste sei grundsätzlich eine im Einzelfall vorliegende konkrete Gefahr erforderlich. Für die Strafverfolgung bedürfe es eines Anfangsverdachts.
§ 113 TKG und mehrere Fachgesetze des Bundes würden diesen Anforderungen nicht gerecht. Wegen Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I, 1 I GG) und das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 GG) erklärten die Richter die Vorschriften für verfassungswidrig.
IP-Adressen besonders schützenswert
IP-Adressen dürften im Hinblick auf das erhöhte Eingriffsgewicht nur dann zugeordnet werden, wenn dies dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern von zumindest hervorgehobenem Gewicht diene.