Der "Gier-Banker" am Pranger – Identifizierende Verdachtsberichterstattung in der Presse
Fast täglich werden wir durch die Medien mit Verdachtsberichterstattungen konfrontiert.
Unsere Kanzlei betreut aktuell drei Verfahren, welche die Problematik der identifizierenden Verdachtsberichterstattung betreffen und im Frühjahr 2011 vom Kammergericht Berlin und vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg jeweils in der Berufungsinstanz zu entscheiden sind.
Das Problem einer solchen Verdachtsberichterstattung liegt darin, dass die erzielte Prangerwirkung für den Betroffenen von erheblichem Maß sein kann. Damit stellt die Verdachtsberichterstattung hohe Anforderungen an die Sorgfalt von Journalisten. Zu beachten ist, dass jede Person bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig anzusehen ist. Bei der insofern zu vermeidenden Vorverurteilung durch eine Berichterstattung kommt der Verdachtsberichterstattung per se eine enorme Brisanz zu. Denn bei der Verdachtsberichterstattung stellt sich die Frage der Vorverurteilung bereits alleine durch die Berichterstattung an sich.
Oft setzt sich die Berichterstattung über ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren im Kopf der Rezipienten gerade im Sinne einer Vorverurteilung fest. Die Meldung, dass ein Ermittlungsverfahren später wieder eingestellt wurde, prägt sich – sofern sie überhaupt in einer vergleichbaren Form publiziert wird – erfahrungsgemäß beim Leser nicht in derselben Stärke ein.
Aktuell wird gerade in allen Medien über das eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Bayern-LB-Vorstand Gerhard Gribkowsky berichtet. Neben Titulierungen wie „Gier-Banker“ sieht sich Herr Gribkowsky zur Zeit insbesondere einer Berichterstattung ausgesetzt, die seinen vollen Namen nennt und zudem die Artikel mit ungepixelten Fotos von ihm versieht.
Solche Fälle der identifizierenden Verdachtsberichterstattung sind äußerst kritisch zu beobachten, weil die anprangernde Wirkung sich aufgrund der vollen Identifizierbarkeit für jedermann durch Namensnennung und Bildnisveröffentlichung besonders anhaltend einprägt.
Die Voraussetzungen an eine solche Verdachtsberichterstattung unter Namensnennung sind nach der ständigen presserechtlichen Rechtsprechung klar und streng aufgestellt worden:
Eine identifizierende Berichterstattung unter voller Namensnennung kommt demnach nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten, die die Öffentlichkeit in besonderem Maß interessieren in Betracht (vgl. exemplarisch BGH NJW 2000, 1036, 1038). Ein solches öffentliches Interesse kann sich beispielsweise aus der Stellung des Betroffenen, z. B. als Amtsträger oder wie vorliegend als ehemaliges Vorstandsmitglied einer Bank ergeben.
Wenn die persönliche Stellung für ein besonderes öffentliches Interesse sorgt, besteht auch ein gesteigertes öffentliches Interesse an einem diesbezüglich im Raume stehenden, strafrechtlich relevanten Fehlverhalten.
Wenn es sich zudem bei dem strafrechtlichen Vorwurf um einen Vorgang von erheblichem Gewicht handelt und ein erhärteter Bestand an Beweistatsachen vorliegt, kann – ausdrücklich als Ausnahme zur grundsätzlich bestehenden Unschuldsvermutung – eine identifizierende Verdachtsberichterstattung zulässig sein.
Das Auffinden von 37 Millionen Euro auf den Konten von Herrn Gribkowsky ohne jeglichen plausiblen Herkunftshinweis in einem geordneten Geschäftsablauf spricht für das Vorliegen eines erhärteten Bestands an Beweistatsachen in Bezug auf einen Vorgang von erheblichem Gewicht. Herr Gribkowsky muss die identifizierende Verdachtsberichterstattung aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft und aufgrund seines im Raume stehenden, möglichen Fehlverhaltens dementsprechend wohl weiter dulden. (ha)
[:en]Fast täglich werden wir durch die Medien mit Verdachtsberichterstattungen konfrontiert.
Unsere Kanzlei betreut aktuell drei Verfahren, welche die Problematik der identifizierenden Verdachtsberichterstattung betreffen und im Frühjahr 2011 vom Kammergericht Berlin und vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg jeweils in der Berufungsinstanz zu entscheiden sind.
Das Problem einer solchen Verdachtsberichterstattung liegt darin, dass die erzielte Prangerwirkung für den Betroffenen von erheblichem Maß sein kann. Damit stellt die Verdachtsberichterstattung hohe Anforderungen an die Sorgfalt von Journalisten. Zu beachten ist, dass jede Person bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig anzusehen ist. Bei der insofern zu vermeidenden Vorverurteilung durch eine Berichterstattung kommt der Verdachtsberichterstattung per se eine enorme Brisanz zu. Denn bei der Verdachtsberichterstattung stellt sich die Frage der Vorverurteilung bereits alleine durch die Berichterstattung an sich.
Oft setzt sich die Berichterstattung über ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren im Kopf der Rezipienten gerade im Sinne einer Vorverurteilung fest. Die Meldung, dass ein Ermittlungsverfahren später wieder eingestellt wurde, prägt sich – sofern sie überhaupt in einer vergleichbaren Form publiziert wird – erfahrungsgemäß beim Leser nicht in derselben Stärke ein.
Aktuell wird gerade in allen Medien über das eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Bayern-LB-Vorstand Gerhard Gribkowsky berichtet. Neben Titulierungen wie „Gier-Banker“ sieht sich Herr Gribkowsky zur Zeit insbesondere einer Berichterstattung ausgesetzt, die seinen vollen Namen nennt und zudem die Artikel mit ungepixelten Fotos von ihm versieht.
Solche Fälle der identifizierenden Verdachtsberichterstattung sind äußerst kritisch zu beobachten, weil die anprangernde Wirkung sich aufgrund der vollen Identifizierbarkeit für jedermann durch Namensnennung und Bildnisveröffentlichung besonders anhaltend einprägt.
Die Voraussetzungen an eine solche Verdachtsberichterstattung unter Namensnennung sind nach der ständigen presserechtlichen Rechtsprechung klar und streng aufgestellt worden:
Eine identifizierende Berichterstattung unter voller Namensnennung kommt demnach nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten, die die Öffentlichkeit in besonderem Maß interessieren in Betracht (vgl. exemplarisch BGH NJW 2000, 1036, 1038). Ein solches öffentliches Interesse kann sich beispielsweise aus der Stellung des Betroffenen, z. B. als Amtsträger oder wie vorliegend als ehemaliges Vorstandsmitglied einer Bank ergeben.
Wenn die persönliche Stellung für ein besonderes öffentliches Interesse sorgt, besteht auch ein gesteigertes öffentliches Interesse an einem diesbezüglich im Raume stehenden, strafrechtlich relevanten Fehlverhalten.
Wenn es sich zudem bei dem strafrechtlichen Vorwurf um einen Vorgang von erheblichem Gewicht handelt und ein erhärteter Bestand an Beweistatsachen vorliegt, kann – ausdrücklich als Ausnahme zur grundsätzlich bestehenden Unschuldsvermutung – eine identifizierende Verdachtsberichterstattung zulässig sein.
Das Auffinden von 37 Millionen Euro auf den Konten von Herrn Gribkowsky ohne jeglichen plausiblen Herkunftshinweis in einem geordneten Geschäftsablauf spricht für das Vorliegen eines erhärteten Bestands an Beweistatsachen in Bezug auf einen Vorgang von erheblichem Gewicht. Herr Gribkowsky muss die identifizierende Verdachtsberichterstattung aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft und aufgrund seines im Raume stehenden, möglichen Fehlverhaltens dementsprechend wohl weiter dulden. (ha)
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