Wie läuft Esport eigentlich im Profifußball ab?
2016 war VFL Wolfsburg der erste Bundesligist, der eine eigene Esport-Abteilung gründete. Seitdem sind ihm mehrere Vereine gefolgt.
Zuletzt war es der Fußball-Riese FC Bayern München, der seit Mitte Dezember letzten Jahres in der virtuellen Liga der Fußballsimulation Pro Evolution Soccer (PES) mitkickt. Lange hat sich der FC gegen den Esport-Trend gewährt. Jetzt wo er den japanischen Videospiel-Hersteller Konami für sich gewinnen konnte, der drei Jahre lang rund 15 Mio. EUR in den Verein investieren wird, scheint er doch ganz zufrieden mit dem neuen Esport-Geschäft zu sein.
Ist Esport im Profifußball nur deshalb so beliebt? Und wie läuft Esport im Profifußball überhaupt ab?
Wie verschiedene Abteilungen im Fußballverein gegründet werden und wie die virtuelle Fußballbundesliga funktioniert – wird hier am Beispiel der FC Schalke 04 Esports GmbH erläutert.
FC Schalke 04 als Vorreiter unter den Bundesligisten
Obwohl der FC Bayern München in letzter Zeit im Esport für Schlagzeilen sorgt, ist FC Schalke 04 der Bundesliga-Verein, der den Esport am professionellsten betreibt. Anders als die (meisten) anderen Liga-Rivalen, die nur ein Esport-Team im FIFA stellen, hat der FC Schalke 04 seine Esport-Teams in gleich drei Titeln – FIFA, League of Legends (LoL) und PES – vertreten. Doch bevor es soweit war, musste zunächst eine zustände Abteilung einberufen und in den traditionellen Fußballverein integriert werden.
Die rechtliche Einordnung einer Abteilungen in Mehrspartenvereinen ist nicht immer einfach. In der Regel handelt es sich bei Abteilungen um rechtlich unselbständige Organisationseinheiten innerhalb des Vereins. Die Abteilung hat keine rechtliche Eigenständigkeit und auch kein eigenes Abteilungsvermögen. Alle Anschaffungen werden sodann Eigentum des Gesamtvereins. Die Abteilung wird nicht zum selbstständigen Steuersubjekt und bleibt über dem Gesamtverein gegenüber dem Finanzamt steuerpflichtig. Außerdem kann der Abteilungsvertreter keine eigenständigen Geschäfte im Rahmen der Abteilungstätigkeit vornehmen, wenn er nicht zuvor durch Satzung oder durch den Vorstand des Gesamtvereins dazu nach § 30 BGB ermächtigt worden ist.
Ausgliederung aus Hauptgeschäft rechtlich möglich
Um den Abteilungen eine gewisse rechtliche Eigenständigkeit zu gewähren, ist es möglich, den einzelnen Fachabteilungen eine eigene Rechtsform zu geben, die zuvor zwingend in der Vereinssatzung festgelegt worden ist. Das ist rechtlich möglich und erlaubt so die Ausgliederung der einzelnen Abteilung aus dem „Hauptgeschäft“ des Gesamtvereins. Für die Gründung der Abteilung ist sodann das in der Satzung dafür genannte Organ zuständig. Eine Abteilung kann sich also niemals selbst gründen oder auflösen. Da diese Abteilung weiterhin Bestandteil des Gesamtvereins ist, haftet im Zweifel auch der Gesamtverein für ihre Fehlentwicklung. Die Überwachung der einzelnen Abteilungen obliegt neben dem Abteilungsorgan auch dem Vorstand des Gesamtvereins.
Üblicherweise werden sportartspezifische und sportpraktische Aufgaben an rechtlich unselbstständige Abteilungen delegiert. Aufgaben, die darüber hinausgehen – wie Business Operations, Marketing – werden in selbstständigen Abteilungen ausgeübt.
Esport als weitere Finanzierungsquelle des Kerngeschäfts
Als der Esport auf Schalke 2016 seine Anfänge fand, übernahm der Verein das LoL-Team „Elements“ und gliederte es in seine Vereinsstruktur ein. Dafür bediente er sich der klassische Form einer rechtlich unselbständigen Esport-Abteilung. Mit den Zielen, möglichst viele Investoren auf sich aufmerksam zu machen und das Kerngeschäft des Fußballs auch längerfristig erfolgreich finanzieren zu können, kam es 2018 zu einer Ausgliederung der Esport-Abteilung in die FC Schalke 04 Esports GmbH.
Verbunden mit kürzeren Entscheidungswegen und der Möglichkeit, offen für Investoren zu sein, sollte eine neue Finanzierungsquelle geschaffen werden. Die Internationalisierung und junge Zielgruppe des Esports sollte außerdem auf die Marke „FC Schalke 04“ stärken. Die Ausgliederung folgte also aus Marketing- und Wirtschaftszwecken. War diese Ausgliederung unumgänglich?
Gefahr der Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Sobald eine Abteilung eines Sportvereins einen anderen als ein der Satzung bestimmten Zweck verfolgt, droht ihm die Löschung aus dem Vereinsregister oder die Aberkennung der Gemeinnützigkeit, die bekanntlich viele Vorteile für den Verein mit sich bringt.
In der Satzung von FC Schalke 04 ist folgender Vereinszweck festgelegt:
§ 2 Zweck und Aufgabe des Vereins
Der Verein gibt sich durch Beschluss der Mitgliederversammlung ein Leitbild. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der §§ 51–68 der Abgabenordnung. Er erstrebt die körperliche, geistige und charakterliche Bildung seiner Mitglieder – vornehmlich der Jugend – durch planmäßige Pflege der Leibesübungen. Er macht sich zur Aufgabe, Fußball, Basketball, Handball, Leichtathletik und Tischtennis unter die- sem Gesichtspunkt zu fördern, wobei die Belange des Fußballs grundsätz- lich vorrangig sind. In Ergänzung der angestrebten körperlichen, geistigen und charakterlichen Bildung durch Sport fördert der Verein, insbesondere im Raum Gelsenkirchen, die Jugendhilfe, berufliche Bildung und die Unter- stützung hilfsbedürftiger Personen im Sinne des § 53 Abgabenordnung. (…)
Der FC Schalke 04 ist also ein gemeinnütziger Verein, der seine wirtschaftlichen Betätigungen seinen ideellen Zwecken unterordnen muss, um weiterhin als ein solcher bestehen zu können. Aufgrund der hohen Summe, die im und mit dem Esport erzielt werden, entstand eine Rechtsunsicherheit um die Folgen dieser wirtschaftlichen Einnahmen. Diese konnte dann durch eine Ausgliederung beseitigt werden.
Vereinfacht dargestellt, wurde aus der ursprünglichen Esport-Abteilung des FC Schalke 04 ein neues Unternehmen gegründet – die FC Schalke 04 Esports GmbH. An diesem neuen Unternehmen ist der Gesamtverein „FC Schalke 04“ als Anteilseigner mehrheitlich beteiligt – vergleichsweise einer Mutter- und Tochtergesellschaft. Diese Herangehensweise ist beispielsweise auch für den Betrieb der Deutschen Fußball Liga (DFL) im Profibereich vorgeschrieben, damit die Vereine ihren gemeinnützigen Status nicht verlieren.
Virtuelle Bundesliga hat viele Parallelen
Seit seinen Anfängen schickt der FC Schalke 04 sein eigenes FIFA- Esport-Team in die virtuelle Bundesliga – VBL Club Championship. Die VBL ist eine von der DFL und EA Sports gegründete, nationale Club-Meisterschaft für Vereine der ersten und zweiten Liga mit Esports-Ablegern. Dabei wird die neueste FIFA Version auf der XBox und auf der Sony Playstation gespielt.
Am 4. November 2019 startete mit 22. teilnehmenden Clubs die zweite Saison des eFootballs. Alle Teams treten einmal gegen jedes andere an. In 11 Spieltagen werden jeweils drei Partien pro Paarung aufgetragen. Zwei der Partien werden je im Eins-gegen-Eins gespielt (jeweils eine auf der PlayStation und eine auf der XBox). Das dritte Spiel im Zwei-gegen-Zwei Modus wird auf einer durch die Heimmannschaft gewählten Konsole durchgeführt. Somit können pro Spieltag maximal 9 Punkte erreicht werden. Pro Sieg bei einem Einzelspiel können bis zu 3 Punkte erreicht werden.
Um Chancengleichheit zu gewährleisten, müssen alle Spielfiguren eine Spielstärke von 85 aufweisen. Eine Rückrunde wie in der traditionellen Fußball-Bundesliga gibt es nicht.
Über die Abschlusstabelle der VBL Club Championship qualifizieren sich die Spieler der ersten sechs Klubs direkt für das sog. VBL Grand Final. Dort wird der übergeordnete Titel “VBL Champion” als deutscher Meistertitel unter den Einzelspielern ausgespielt. Spieler der dahinter platzierten Clubs nehmen an den sog. VBL Playoffs teil, über die sie sich für das VBL Grand Final qualifizieren können.
Nach 15. Spieltagen belegt der FC Schalke 04 mit insgesamt 63 Punkten Platz 14 der Tabelle. Er hat damit 23 Punkte Abstand zum erstplatzierten Borussia Mönchengladbach.
Fazit: Esport dient überwiegend Marketingzwecken
Es lässt sich zusammenfassen, dass die Esport-Abteilungen in Profifußballvereinen zwar als Abteilungen bezeichnet werden, in der Regel aber eigenständige Unternehmen sind. Dadurch werden Marketingzwecke erfüllt und neue Partner gewonnen, die in den traditionellen Verein durch Sponsoring investieren. Durch die junge Zielgruppe des Esports sollen außerdem neue Interessenkreise erschlossen und durch den engen Fußballbezug der Simulation FIFA für den klassischen Sport begeistert werden. Die Marke des Fußballvereins wird unabhängig vom realen Erfolg international repräsentiert. Man kann also schon sagen, dass Esport sich aufgrund seines Ecosystems gut in den Profi-Fußballvereinen eingliedert und dort unter dem Schlagwort “Marketing” läuft. Denn während man zwischen FIFA und analogem Fußball deutliche inhaltliche Parallelen ziehen kann, wird die sachliche Legitimation zwischen LoL und Profifußball schon schwieriger.