GmbH darf Geschäftsanteil eines entfernten Gesellschafters einziehen
Wenn eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) einen Gesellschafter wegen Fehlverhaltens entfernen möchte, stellt sich die Frage, was mit dessen Gesellschaftsanteil passiert. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch, den Geschäftsanteil per Beschluss einzuziehen, darf eine GmbH den Beschluss fassen, den Geschäftsanteil erneut einzuziehen, um so den Gesellschafter zu entfernen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 10.11.2020, Az. II ZR 211/19).
Eine GmbH hatte den Geschäftsanteil eines Gesellschafters eingezogen und eine andere Person zum Inhaber des Geschäftsanteils gemacht. Anschließend wurde eine neue Gesellschafterliste in den Registerordner eingestellt, nach deren Inhalt lediglich die zweite Person Inhaber eines Geschäftsanteils war, während der Anteil des Klägers mit der laufenden Nummer 2 durchgestrichen und als „nach Einziehung erloschen“ gekennzeichnet wurde. Die zweite Person übertrug ihren Anteil dann an einen Dritten, der in einer „Zwischenliste“ als Inhaber des Geschäftsanteils ausgewiesen wurde. Die GmbH beschloss dann die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers, weil dieser gepfändet worden war. Der Kläger klagte auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse über die Einziehung seines Geschäftsanteils.
Seine Berufung wurde zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof urteilte schließlich: Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei durch die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz) nicht gehindert, einen nach einem möglicherweise fehlgeschlagenen Einziehungsversuch aus der Gesellschafterliste entfernten, aber materiell bestehenden Geschäftsanteil aus einem in der Person des materiell berechtigten Gesellschafters liegenden wichtigen Grund einzuziehen.
Materielle und formale Gesellschafterstellung entkoppelt
Der materiell Berechtigte, aber nicht mehr in der Gesellschafterliste Aufgeführte sei zwar in der Ausübung seiner Rechte gegenüber der Gesellschaft gehindert. Er verliere aber nicht seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung. Die materiell-rechtliche Gesellschafterstellung sei unabhängig von der Eintragung in der Gesellschafterliste.
Neue Zwischen-Gesellschafterliste nicht zumutbar
Wenn eine Einziehung vorsorglich aus Wirksamkeitsgründen wiederholt, während ein Einziehungsgrund fortbesteht, sei es der Gesellschaft nicht zumutbar, vor der Einziehung allein zur Schaffung einer formalen Einziehungsgrundlage eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, die den materiell Berechtigten als Inhaber des einzuziehenden Geschäftsanteils ausweist. Dem Gesellschafter würden ansonsten seine formale Gesellschafterstellung und seine Mitgliedschaftsrechte gegenüber der Gesellschaft wieder eingeräumt, obwohl ein wichtiger Grund in seiner Person zur Einziehung berechtigt. Damit würde ermöglicht, dass er den Betrieb der Gesellschaft durch obstruktive Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte stört.
Darf auf Listengesellschafter abgestellt werden?
Der Senat ließ auch in seinem neuen Urteil offen, ob die Gesellschaft bei der Einziehung statt auf den Listengesellschafter auch auf die Person des materiell berechtigten Gesellschafters abstellen darf. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG regele seinem Wortlaut nach nämlich nur das Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft, das heißt für die Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten. Daher könne die Gesellschaft in ihrem Verhältnis zum Gesellschafter neben einem in der Liste eingetragenen den wahren Anteilsinhaber in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urteil v. 20.11.2018, Az. II ZR 12/17).
Missbrauchs- und Geldwäschebekämpfung
Die Regelung des § 16 Abs. 1 GmbHG solle zum einen zur Missbrauchs- und Geldwäschebekämpfung Transparenz über die Anteilseigner bewirken und damit Vermögensverschiebungen mit kriminellem Hintergrund auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage verhindern. Zum anderen diene sie der Rechtssicherheit und -klarheit, indem innerhalb der Gesellschaft eindeutige Verhältnisse geschaffen würden, wer im Verhältnis zur Gesellschaft berechtigt und verpflichtet sei. Der Einziehung eines bestehenden, aber nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragenen Geschäftsanteils stehe dieses Ziel nicht entgegen, weil die Gesellschafterliste nach erneuter wirksamer Einziehung der materiellen Rechtslage entspreche. Damit stelle die Gesellschafterliste sowohl eine zutreffende Darstellung der Anteilseigner nach außen als auch Rechtssicherheit nach innen her.
Der BGH entschied ebenso wenig, ob aus diesen Gründen die sogenannte negative Legitimationswirkung infolge des Streichens in der Gesellschafterliste nur bedeutet, dass die Gesellschaft dem Gesellschafter keine Mitgliedschaftsrechte gewähren muss, oder ob sie ihn nicht mehr als Gesellschafter behandeln darf.