Hinterrücks angesprungen und gezielt umgetreten
Ende letzter Woche erreichte uns ein Schriftsatz der gegnerischen Prozessbevollmächtigten in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren. Dort enthalten war die Erklärung, dass die Klage gegen unseren Mandanten zurückgenommen werde.
Es kann passieren, dass sich die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens später ändern und es daher sinnvoll ist, eine erhobene Klage wieder zurückzunehmen. Bis hierhin somit nichts Besonderes.
Obwohl die Rücknahme einer Klage keiner Begründung bedarf, folgte jedoch eine ausführliche Erklärung, weshalb man sich entschlossen habe, im vorliegenden aber auch in anderen ähnlichen Verfahren mit anderen Beteiligten die entsprechenden Klagen zurückzunehmen.
Der gegnerische Anwalt wurde körperlich angegriffen
Der Kläger und seine Prozessbevollmächtigten seien inzwischen massiven Bedrohungen ausgesetzt. Ein Anwalt sei in der Nähe der Kanzlei hinterrücks angesprungen und dabei gezielt umgetreten worden. Danach sei noch mehrfach auf seinen Kopf eingetreten worden. Auch aufgrund weiterer Bedrohungen nehme man an, dass diese Gewalttat im Zusammenhang mit einer Hetzjagd stehe, die durch unseriös agierende Kollegen initiiert worden sei. Diese habe zu einer völligen Verrohung in diversen Schriftsätzen aber auch anscheinend dazu geführt, dass eine oder mehrere Abgemahnte nun meinten, das Recht auf ihre Weise gestalten zu können. Unser Mandant werde von diesen Vermutungen jedoch bewusst ausgenommen. Aufgrund dieser unkalkulierbaren Bedrohungssituation könne man aus Gründen des Selbstschutzes und des Schutzes des Mandanten nicht mehr verantworten, das Verfahren weiterzuführen.
Wir können natürlich nicht mit Sicherheit sagen, ob sich dies alles wirklich so zugetragen hat. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass ein Rechtsanwalt dies alles erfinden sollte. Zumal eine Klagerücknahme keine Begründung erfordert und der Vorfall auch nichts daran ändert, dass der Gegner nach Klagerücknahme alle Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Es geht auch anders
Jedenfalls hat uns der Schriftsatz betroffen und nachdenklich gemacht. Denn auch wir stellen hin und wieder fest, dass Gegner unserer Mandanten oder sogar deren Prozessbevollmächtigte die Grenze des ethisch, berufsrechtlich oder sogar strafrechtlich Zulässigen überschreiten. Es ist nichts dagegen einzuwenden, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um die eigenen oder die Interessen des Mandanten konsequent zu vertreten.
Fraglich ist ein Verhalten aber bereits dann, wenn es nicht auf die unmittelbare Lösung eines rechtlichen Problems abzielt, sondern dazu dienen soll, auf den vermeintlichen Schuldner mittelbaren Druck auszuüben, um diesen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. So gibt es zum Beispiel Kollegen, die eine zweifelhafte Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer nur deshalb einreichen, um sie später bei den Verhandlungen in die Waagschale werfen zu können. Oder es werden entsprechende Drohungen gegenüber dem Anwalt ausgesprochen, damit dieser dafür sorge, dass der Mandant die geltend gemachten Ansprüche fallen lässt.
Der Fall, in dem der Gegner oder sogar der gegnerische Prozessbevollmächtigte bedroht oder, wie vorliegend offenbar geschehen, sogar körperlich angegriffen wird, ist natürlich die Ausnahme.
Manchen Kollegen stünde es aber durchaus gut an, sich auch bereits in der verbalen Auseinandersetzung darauf zu besinnen, dass nicht die Rechtsvertreter, sondern die Mandanten miteinander streiten und Ton und Wort sorgfältiger zu wählen. Denn wenn es nicht schon einfach die (Zusammen-)Arbeit angenehmer macht, dann gilt doch jedenfalls die Redensart “Man sieht sich immer zweimal im Leben”. (la)
(Bild: Roter Boxhandschuh © Alterfalter – Fotolia)