Wir leben in Zeiten des großen E. Aus der Mail wurde die E-Mail, aus dem Auto das E-Auto.
Und aus der Zigarette – die E-Zigarette.
Mit dem E vor dem Namen sind entsprechende Erwartungen verbunden: schneller, besser, umweltfreundlicher, gesünder. Dem Fortschrittsoptimismus zum Trotz werfen Beobachter Fragen auf.
Die Leitfrage lautet: Hält das E, was es verspricht?
Irreführendes Wortspiel?
Am Beispiel der E-Zigarette wurde das nunmehr gerichtlich ausgefochten. Ein E-Zigaretten-Händler hatte sein Produkt und seine Filialen mit den Worten beworben „E-ZIGA RETTEN LEBEN. JETZT UMSTEIGEN!“.
Das Wortspiel der lebensrettenden Zigaretten gefiel der Wettbewerbszentrale nicht, die eine Irreführung des Verbrauchers dahingehend erkannte, dass dieser meine, der Genuss von E-Zigaretten sei gesundheitlich unbedenklich oder gar für jedermann gesundheitlich förderlich, was er nicht ist.
Besser ist nicht unbedenklich, aber besser
Gemeint war jedoch, dass die E-Zigarette gegenüber der herkömmlichen Tabak-Zigarette deutlich weniger schädlich ist. Zielgruppe der Werbekampagne mit dem Slogan waren Raucherinnen und Raucher, die man dazu bringen wollten, auf die E-Variante umzusteigen (und zwar „jetzt“), um so eine weniger gesundheitsschädliche Konsumvariante zu erproben und das Tabakrauchen aufzugeben.
Ganz im Sinne des sog. Harm-Reduction-Ansatzes. Besser ist nicht unbedenklich. Aber eben besser. Das richtig einzuschätzen, sollte dem modernen Durchschnittsverbraucher gelingen.
Gesamteindruck täuscht nicht
Fand auch das OLG Koblenz, das das erstinstanzliche und im Internet bereits voreilig verbreitete Urteil des LG Trier vom 22.5.2020, Az. 7 HK O 30/19, zugunsten des Händlers aufhob und damit die Klage der Wettbewerbszentrale abwies (OLG Koblenz, Urteil v. 3.2.2021, Az. 9 U 809/20).
Denn es komme auf den Gesamteindruck der Anzeige an und dieser lasse keinen Zweifel, dass es in Sachen „Leben retten“ um den Vergleich zwischen Tabak- und E-Zigarette gehe, die Aussage zur gesundheitlichen Wirkung also relativ zu verstehen sei und von den angesprochenen Verkehrskreisen – den Raucherinnen und Rauchern –auch genau so verstanden werde.
Umsteigen kann nur, wer eingestiegen ist
Dass vor allem diese die mit der Kampagne angesprochene Zielgruppe bilden, sei unschwer an der Botschaft „JETZT UMSTEIGEN!“ zu erkennen, denn, so das Gericht sinngemäß, umsteigen könne man eben nur, wenn man vorher eingestiegen sei. Und dass die E-Zigarette gegenüber der Tabak-Zigarette tatsächlich gesünder im Sinne von deutlich weniger schädlich sei, werde durch zahlreiche Studien belegt. Das macht sie zwar nicht zum gesundheitsförderlichen Fitnessstängel, doch das hatte ja niemand behauptet. Und glaubt auch niemand – vor allem keine Raucherin und kein Raucher.
(Offenlegung: LHR hat die Beklagte vertreten.)
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.