Seit dem 1. Januar 2022 hat der anwaltliche Schriftverkehr an die Gerichte in elektronischer Form zu erfolgen. Ist dies aufgrund vorübergehender technischer Probleme nicht möglich, dürfen Anwälte ihre Schriftsätze ersatzweise in schriftlicher Form per Post oder Fax einreichen, vgl. § 130d Satz 2 ZPO.
Die vorübergehende Unmöglichkeit der Schriftsatzübermittlung muss gemäß § 130d Satz 3 ZPO bei Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft gemacht werden. Was dies genau bedeutet, hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluss (BGH, Beschluss v. 17.11.2022, Az. IX ZB 17/22) klargestellt.
Unzulässige Berufung
Hintergrund der Entscheidung war ein Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Entscheidung v. 25.03.2022, Az. I-25 U 70/21). Ein Steuerberater hatte Berufung eingelegt, nachdem er mit seiner Klage gegen einen Mandanten auf Zahlung des Honorars vor dem Landgericht Essen (LG Essen, Entscheidung v. 10.09.2021, Az. 16 O 203/17) gescheitert war.
Das OLG Hamm verwarf die Berufung wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Form für die Rechtsmittelbegründung als unzulässig. Hiergegen wendete sich der Kläger mit seiner Beschwerde an den BGH.
Technische Probleme bei der Schriftsatzübermittlung
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte zwei Tage vor Fristablauf die Begründung in Schriftform beim Berufungsgericht eingereicht. Die elektronische Übermittlung war zuvor gescheitert, da die beA-Basiskarte des Klägeranwalts aufgrund eines Versäumnisses der Bundesnotarkammer falsch programmiert worden war. Dies war dem Anwalt seit einiger Zeit bekannt. Bei der Ersatzeinreichung unterließ er es trotzdem, die technischen Probleme der Übermittlung glaubhaft zu machen, obwohl es ihm zu diesem Zeitpunkt bereits möglich gewesen wäre. Erst nachdem das OLG Hamm in einer Verfügung auf die mögliche Unzulässigkeit des Rechtsmittels hinwies, legte er die Gründe für die technische Unmöglichkeit dar.
Zeitpunkt der Darlegungspflicht
Die Darlegung erfolgte laut BGH zu spät. Die Vorschrift des § 130d Satz 3 ZPO, wonach die Glaubhaftmachung bei Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach zu erfolgen hat, sei nicht im Sinne eines Wahlrechts zu verstehen. Wenn die Darlegung bereits bei Ersatzeinreichung möglich ist, müsse sie auch zu diesem Zeitpunkt erfolgen.
Eine unverzügliche Nachreichung soll nur in Konstellationen zulässig sein, in denen die Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung kurz vor Fristablauf eintritt und eine Glaubhaftmachung der technischen Probleme noch nicht möglich ist.
Keine Nachsicht bei der Digitalisierung des Schriftverkehrs
Durch die Darlegungs- und Glaubhaftmachungspflicht der technischen Unmöglichkeit soll verhindert werden, dass die Ausnahmeregel des § 130d Satz 2 ZPO missbraucht wird. Der BGH nimmt die Digitalisierung des gerichtlichen Schriftverkehrs offenbar ernst und fährt, wie sich auch in einer vergleichbaren Entscheidung (BGH, Beschluss v. 15.12.2022, Az. III ZB 18/22) erkennen lässt, eine harte Linie gegenüber den Anwälten.