Lass es bitte – das ist gar nicht so einfach zu verstehen, oder doch?
Man denkt ja meist, dass man sich klar ausdrückt, sonnenklar sogar. Und man fragt sich häufig, warum trotz der unglaublich klaren Ansage das Umfeld nicht so reagiert, wie man es erwartet. Sender und Empfänger einer Nachricht haben häufig das Problem, aneinander vorbei zu kommunizieren.
Sowohl im rechtlichen Bereich, als auch im normalen Leben gibt es häufig Situationen, in denen Menschen versuchen, sich durch Abwiegen der Worte auf der Goldwaage dem eigentlich Gemeinten zu entziehen und es mutwillig misszuverstehen. Diese Art der Wortklauberei ist unter Juristen bei der Auslegung von Unterlassungsverträgen besonders beliebt.
Stellen wir uns folgenden Fall vor:
Jemand hat widerrechtlich Bilder eines Dritten im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Der Dritte fordert den Jemand zur Unterlassung auf. Daraufhin verpflichtet sich der Jemand vertraglich, es zu unterlassen, zukünftig Bilder eines Dritten ohne dessen Zustimmung zu vervielfältigen, zu bearbeiten und/oder zu verbreiten.
Der Dritte ist froh und denkt, dass nun die Bilder aus dem Internet verschwinden. Der Jemand sieht die Sache aber ganz anders. Er sieht keinerlei Anlass zur Entfernung der Bilder. Schließlich habe er sich gar nicht verpflichetet, die Bilder nicht mehr öffentlich zugänglich zu machen. Die Verpflichtungserklärung bezog sich zum einen nur auf die Zukunft und zum anderen nur auf die Vervielfältigung, Bearbeitung und Verbreitung. Im Internet seien die Bilder jedoch öffentlich zugänglich gemacht.
Dieser Wortklauberei erteilte der BGH eine deutliche Absage. Bei der Auslegung des Unterlassungsvertrages dürfe man sich nicht am juristischen Sinn der gewählten Formulierungen verhaften sondern habe den wirklichen Willen der Vertragsparteien zu ermitteln. Zweck des Unterlassungsvertrages sei es, die Wiederholungsgefahr auszuräumen und ein gerichtliches Verfahren zu umgehen. (s. BGH, CT-Paradies, Urteil v. 18.09.2014, AZ I ZR 76/13)
Unschön ist und bleibt die Wortklauberei jedoch. Es stellt sich die Frage, ob man es hätte besser machen können. Hier bietet es sich an, einen Blick auf das beanstandete Verhalten zu werfen: Bei der öffentlichen Zugänglichmachung handelt es sich zwar um eine zeitlich abgrenzbare Handlung. Der geschaffene Zustand ist jedoch fortdauernder Art. Ist ein Foto einmal ins Internet “gestellt”, so bleibt es dort abrufbar.
Der Gläubiger muss sich fragen, was er vom Schuldner möchte. Er möchte erreichen, dass das Bild nicht mehr im Internet abrufbar ist – der Schuldner soll das Bild entfernen. Hierbei handelt es sich streng genommen um einen Beseitigungsanspruch. Dieser wird jedoch im Alltag häufig nicht geltend gemacht sondern lediglich der beschriebene Unterlassungsanspruch. Hier weicht das formulierte Begehren häufig vom Gemeinten ab.
Im zitierten Fall hat der BGH dem Gläubiger geholfen und den Beseitigungsanspruch bei öffentlichen Zugänglichmachungen schlankweg in den Unterlassungsanspruch einbezogen:
“Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahingehend auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarerer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst.”
“…bei einer Dauerhandlung (ist) die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung”
“Der Unterlassungsschuldner hat zur Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung erforderlichenfalls auf Dritte einzuwirken, wenn und soweit er auf diese Einfluss nehmen kann.”
Dem Unterlassungsschuldner wurden hier die Ohren gewaschen. Gleichzeitig wurde auch der Unterschied zwischen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bei der öffentlichen Zugänglichmachung eingeebnet. Die Entscheidung wird vor dem Hintergrund der Besonderheiten im Internet zu interessanten Entscheidungen der Instanzgerichte führen. Wir freuen uns drauf! (ro)
(Bild: Blond curly girl plays flute standing near cello © Sergey Novikov)