BGH: Sinupret – Ein Wirksamkeitsversprechen ohne entsprechende Studien ist irreführend

Arzneimittelwerbung Sinupret

Photo by Christine Sandu on Unsplash

„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ – der gesetzlich erforderliche und sehr bekannte Zusatz bei Pharmawerbung in Rundfunk und Fernsehen. Vorneweg wird für das jeweilige Medikament geworben.

„Sinupret eXtract – löst den Schleim, öffnet die Nase und befreit den Kopf. So sind Sie schneller wieder fit“

Ein Wirkversprechen par excellence bei jeder festsitzenden Erkältung? Oder wohl doch ein „leeres“ Versprechen bezüglich der Wirksamkeit?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Wirkversprechen für ein Arzneimittel gemacht werden, obwohl kein human-pharmakologischen Untersuchungen zur Wirksamkeit vorliegen.  

Herstellung apothekenpflichtiger Arzneimittel

Die Beklagte stellt das Apothekenpflichtige Arzneimittel Sinupret extract her, welches für das Anwendungsgebiet „bei akuten, unkomplizierten Entzündungen der Nasennebenhöhlen“ zugelassen ist. In der Fachinformation sind unter anderem Angaben zu den pharmako-dynamischen Eigenschaften enthalten, die auf klinische Studien hinweisen. Neben einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie wurden auch Versuche an Tieren vorgenommen, allerdings keine human-pharmakologischen Untersuchungen.

Weiter warb die Beklagte im Vorfeld der Entscheidung in einer Zeitschrift, die sich an pharmazeutisch-technische Assistenten wendet, unter anderem mit der Aussage, das Produkt wirke entzündungshemmend und antiviral. Daraufhin beantragt der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitgleider gehört, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel Sinupret derart zu werben, denn die Behauptung, das Arzneimittel wirke entzündungshemmend und antiviral sei irreführend.

Wettbewerbswidrige Irreführung

Grundsätzlich ist eine Werbung gemäß § 3 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (HWG) dann irreführend, wenn sie geeignet ist, durch objektiv unrichtige Angaben falsche Vorstellungen über solche Umstände und Verhältnisse hervorzurufen, die für die Beurteilung der Wirkung, der Brauchbarkeit und des Wertes des angepriesenen Mittels von Bedeutung sein können. Darunter zählen vor allem Umstände, wie die Zusammensetzung und Beschaffenheit sowie die Wirkungen und Indikationen. Eine Irreführung erfolgt regelmäßig durch tatsächlich getätigte Werbeaussagen oder durch das Verschweigen, beispielsweise von schädlichen Nebenwirkungen. Dabei genügt es, dass ein Verhalten geeignet ist, bei den entsprechenden Verkehrskreisen eine unrichtige Vorstellung über die wesentlichen Eigenschaften des Mittels hervorzurufen – zu einem Erfolg der Irreführung muss es gerade nicht kommen. Vielmehr reicht schon die Gefahr einer Täuschung. Demnach ist bei der Beurteilung, ob eine Täuschung vorliegt darauf abzustellen, wie durchschnittlich informierte, verständige und angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher die Werbeaussagen verstehen.

Großes Wirkversprechen = große Irreführung?

Und tatsächlich: Neben dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Nürnberg als Berufungsinstanz sprach nun auch der Bundesgerichtshof (BGH) der Klägerseite einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung zu (BGH, Urteil v. 5.11.2020, Az. ZR 204/19).

Nach Ansicht der Richter seien die getroffenen Aussagen in der Werbung als irreführend anzusehen. Der Verkehrskreis – die von der Werbung in erster Linie angesprochenen Apotheker und pharmazeutisch-technischen Assistenten – verstünden die Werbung dahingehend, dass dem beworbenen Arzneimittel eine therapeutische Wirksamkeit im Sinne von § 3 Satz. 2 Nr. 1 HWG beigemessen werde. Die streitgegenständlichen Werbeaussagen seien durch die Fachinformationen für das Arzneimittel und die dort zitierten Studien gerade nicht gedeckt. Eine auf humanpharmakologischen Untersuchungen beruhende therapeutische Wirkung des Arzneimittels könne nicht in Bezug auf die behauptete antiinflammatorische und antivirale Wirkung belegt werden, stellte der BGH klar.

Demnach sei die beanstandete Werbung als unzulässig im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) anzusehen, weil sie gegen die Marktverhaltensregel des § 3 Satz 1 und 2 Nr.1 HWG verstoße und dieser Verstoß geeignet sei, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.

Im Interesse des Gesundheitsschutzes

Weiter noch: Das Gericht hat die Werbeaussagen, die dem Arzneimittel eine entzündungshemmende und antivirale Wirkung beilegen, schon deshalb als irreführend gemäß § 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 HWG angesehen, weil sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechen. Denn im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gelte für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig sei, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche (BGH, Urteil v. 06.02.2013, Az. ZR 62/11). Zwar sei Sinupret laut der Fachinformation zur Anwendung bei akuten, unkomplizierten Entzündungen der Nasennebenhöhlen zugelassen, aber die therapeutische Wirksamkeit sei nur dahingehend nachgewiesen, dass ein relevanter Vorteil bei der Einnahme des Arzneimittels erzielt werde.

Die Beklagte suggeriere mit der Werbung, dass Sinupret die Ursachen einer Entzündung zu bekämpfen in der Lage ist, was aber gerade nicht durch human-pharmakologische Untersuchungen belegt sei. Dies lässt die Werbeanzeige jedoch nicht erkennen – Vielmehr werde die Wirkung mit den Werbeaussagen ohne jede Einschränkung und damit in irreführender Weise hervorgehoben. Der BGH stellt klar:

„Vor dem Hintergrund, dass bei gesundheitsbezogener Werbung besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit einer Werbeaussage zu stellen sind, reicht es für die Zulässigkeit von Werbeaussagen, die einem Arzneimittel aus Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen bei einer Anwendung am Menschen beilegen, nicht aus, dass die Fachinformation Studien erwähnt, die diese Eigenschaften belegen, wenn dort gleichzeitig einschränkend darauf hingewiesen wird, dass in Bezug auf den menschlichen Organismus gewonnene Erkenntnisse bislang nicht vorliegen.“

Vorsicht: Arzneimittelwerbung

Im Umgang mit Werbung für Arzneimittel, dessen Werbeaussage dem Arzneimittel eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen bei der Anwendung beim Menschen beilegt, ist folglich Vorsicht geboten. Für die Bestimmung des Inhalts einer Werbeaussage ist das Verständnis des durchschnittlich, informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten maßgeblich. Dabei haben die Gerichte verdeutlicht, dass eine Irreführung nach § 3 Satz 1 HWG immer dann angenommen wird, wenn Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit beigelegt wird, die sie tatsächlich nicht haben – also keine human-pharmakologischen Untersuchungen zur klinischen Relevanz der Ergebnisse vorliegen.

Exit mobile version