LG Kassel: Androhung von negativen Bewertungen auf eBay löst Unterlassungsanspruch aus
Das Landgericht Kassel hat einem Käufer im einstweiligen Verfügungsverfahren verboten, unter Androhung negativer Bewertungen auf eBay die Erstattung der Rücksendekosten einzufordern (LG Kassel, Beschluss v. 9.10.2015, Az. 7 O 1694/15).
Folgen negativer Bewertungen auf eBay
Negative Bewertungen auf eBay können für den Onlinehändler negative Folgen haben, die weit über ein Absinken des Bewertungsindex hinausgehen. Gemäß den Allgemeinen Nutzungsbedingungen auf eBay kann ein Händler sanktioniert werden, wenn sein Verkäuferprofil negative Bewertungen enthält. Wie viele solcher Bewertungen z.B. für eine kurzfristige oder dauerhafte Sperrung des Verkäufers notwendig sind, lässt eBay dabei offen. In den eBay-AGB heißt es hierzu lediglich:
eBay kann einen Nutzer endgültig von der Nutzung der eBay-Dienste ausschließen (endgültige Sperrung), wenn er wiederholt negative Bewertungen oder niedrige detaillierte Verkäuferbewertungen erhalten hat und die Sperrung zur Wahrung der Interessen der anderen Nutzer geboten ist.[…]
Manche Käufer versuchen, dieses Schwert für ihre eigenen (berechtigten und/oder unberechtigten) Interessen zu nutzen. In unserer täglichen Beratungspraxis werden wir mit verschiedensten Äußerungen unzufriedener Kunden konfrontiert, die sich im Aussagekern jedoch weitestgehend gleichen: Der Händler soll eine vom Kunden näher benannte Forderung erfüllen, ansonsten werde der Händler eine negative Bewertung verpasst bekommen. Die „gerissenen“ Käufer formulieren die bereits zuvor angedrohte negative Bewertung sprachlich geschickt, so dass diese lediglich aus (zulässigen) Meinungsäußerungen besteht. Die Bewertung ist dann in der Regel von der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG geschützt und ist damit rechtlich kaum zu beanstanden.
Konkreter Sachverhalt
Allerdings gibt es auch weniger geschickte Käufer. So musste unser Mandant feststellen, dass einer seiner Käufer ein „Bewertungsvideo“ (Dauer 10:33 Min) über die gesamte Kaufabwicklung gedreht und in seinem Youtube-Channel veröffentlicht hat. Außerdem hat uns der Mandant eine Nachricht dieses Käufers zur weiteren Veranlassung übersandt.
Betreff: Na du Wixxer
Hey großer Cheffe .. meinst du das du damit durchkommst … bestimmt nicht!!!
Ich habe eben Onlie Starfanzeige wegen Betruges gegen dich erstattet !!!
Das wird dann mal richtig teuer … das Video ist im übrigen Online auf mehreren Kanälen und wurde bereits 1200mal geklickt, es wird die nächste Zeit ebenso ne Menge Käufe mit negativen Bewretungen geben … auch auf deinem B-Konto … dir werden wir mal zeigen wo es lang geht … wer mir auf die Füße Pinkelt, der bekommst richtig besorgt !!!! Oder zahl ganz schnell die noch fehlenden 5,90Euro … Ach ja im Sommer fahr ich ne Harley … in einem Club …. nur so als Info…
In dem Video hatte der Käufer auch die gesamte E-Mail-Korrespondenz veröffentlicht, in der er u.a. behauptet hatte, ein Klage- und Strafverfahren in die Wege geleitet zu haben. Den angefragten Behörden waren diese Vorgänge jedoch unbekannt.
Fast schon erwartungsgemäß hat der Käufer unser erstes Anschreiben, in dem wir dem Käufer Gelegenheit zur außergerichtlichen Erledigung der Angelegenheit gaben, ungeöffnet zurückgeschickt. Überrascht waren wir dann aber doch über den Aufdruck auf dem Briefumschlag „Annahme verweigert, zurück zum Abesender, 50 € Bearbeitungsgebühr“.
Verfügungsverfahren beim Landgericht Kassel
Daraufhin haben wir beim zuständigen Landgericht Kassel den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Das Landgericht Kassel hat daraufhin entschieden, dass der Käufer die unwahren Tatsachenbehauptungen in seinem Video zu unterlassen habe (LG Kassel, Beschluss v. 30.9.2015, Az. 7 O 1694/15).
Im Übrigen hat es den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Zwar erkannte das Landgericht noch, dass in der Bezeichnung einer anderen Person als „Wixxer“ und der Androhung negativer Bewertungen zwei strafbare Handlungen liegen, die auch zivilrechtlich einen Unterlassungsanspruch des Betroffenen begründen. Allerdings vermochte das Landgericht nicht erkennen, warum die Sache eilbedürftig sei und vertröstete unseren Mandant auf das Hauptsacheklageverfahren. Zur Begründung des fehlenden Verfügungsgrundes führte das Landgericht unter anderem aus:
Hinsichtlich des Antrags zu II.) wird lediglich pauschal behauptet, die Beleidigung einer Person als „Wixxer“ stelle für den Antragsteller einen wesentlichen Nachteil dar. Dieser Vortrag ist gänzlich unsubstantiiert. Der Antragsteller hat hier nicht näher dargetan, ob und inwiefern für ihn oder den von ihm betriebenen Onlineversandhandel ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung irreparable Schänden entstehen, die ein Schadensersatzanspruch nicht adäquat auszugleichen vermag
Korrektur durch das Landgericht im Beschwerdeverfahren
Der gegen den zurückweisenden Teil eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht – im Übrigen dieselbe Kammer – selbst stattgegeben und den Käufer insoweit auch zur Unterlassung der restlichen Äußerungen verpflichtet. Hierzu führte das Landgericht richtigerweise aus:
[…] Der Antragsgegner hat den Antragsteller rechtswidrig in seinen Rechten aus § 823 Abs. 1, 2 BGB verletzt. In der Bezeichnung einer Person als „Wixxer“ kommt die Kundgabe der Missachtung bzw. Nichtachtung der Person des Antragstellers zum Ausdruck, sodass durch die Äußerung des Antragsgegners neben einer Persönlichkeitsrechtsverletzung auch der strafrechtliche Beleidigungstatbestand verwirklicht wurde. Auch die durch den Antragsgegner ausgesprochene Androhung der Veröffentlichung negativer Bewertungen auf eBay für den Fall der Nichtzahlung der Rücksendekosten stellt sich strafrechtlich als eine versuchte Erpressung nach §§ 253, 22 StGB dar. […] Vorliegend soll durch die begehrte Unterlassungsverfügung eine rechtswidrige Handlung abgewehrt werden. Durch diese Untersagung wird ein wesentlicher Nachteil i.S.d. § 940 ZPO, nämlich eine erneute Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers verhindert. Ein schutzwürdiges Interesse des Antragsgegners an der Äußerung einer nicht von Art. 5 GG gedeckten Formalbeleidigung ist nicht ersichtlich. Gleiches hat auch für die Androhung von Negativbewertungen durch den Antragsgegner zu gelten. […]
Den Streitwert hat das Landgericht auf 20.000 Euro festgesetzt. Stein des Anstoßes für den Käufer waren übrigens die Rücksendekosten in Höhe von 5,90 Euro, welche er glaubte für sich beanspruchen zu können. (he)
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