Das Karlsruher Oberlandesgericht hatte bereits 2016 entschieden, dass die in der EU geschützte Herkunftsangabe “Aceto Balsamico di Modena” sich nicht auf die Bestandteile “Aceto” und “Balsamico” erstreckt. Diese Bezeichnungen durften demnach auch von anderen Unternehmen verwendet werden.
Der BGH hat dieses Urteil nun aufgehoben.
Nach Ansicht der Richter habe sich das OLG nicht ausreichend mit der Frage beschäftigt, ob durch das Design der Essigflaschen möglicherweise eine Anspielung und damit Verwechslungsgefahr zum “Original” begründet wird.
Das geht runter wie Öl!
Ausgangspunkt der Streitigkeiten war die Klage eines naheliegenderweise in Italien ansäßigen Unternehmens (im Einzelnen dem “Consorzio Tutela Aceto Balsamico di Modena”, einer lokalen Erzeugergemeinschaft), das seit mehreren Jahrzenten Produkte aus dem Bereich der Olivenöle, Essige und vergleichbaren Lebensmitteln vertreibt. Zweitgenannte Waren tragen dabei stets die Bezeichnung “Aceto Balsamico di Modena”, zu deutsch “Balsamicoessig aus Modena”. Einige Kilometer weiter nördlich, genauer gesagt im Raum Baden, bringt eine deutsche Firma (die “Balema GmbH”) seit über 25 Jahren ebenfalls das bekannte Verzehrgut unter den Bezeichnungen “Balsamico” und “deutscher Balsamico” unters Volk. Dem italienischen Konkurrenten war dies ein Dorn im Auge, und erhob letztlich bereits 2015 Klage vor dem Landgericht Mannheim. Nach Ansicht des Herstellers verstößt die Verwendung von “Balsamico” und “deutscher Balsamico” gegen die in der europäischen Union geschützte geografische Angabe “Aceto Balsamico di Modena”. Ziel war es, die Balema GmbH mittels Unterlassungsanspruch zur Einstellung der Vermarktung verpflichten zu lassen.
Essig mit Unterlassungsansprüchen!
Allerdings ohne Erfolg: Das Oberlandesgericht Karlsruhe als Berufungsinstanz sah in der Verwendung der Bezeichnungen “Balsamico” und “deutscher Balsamico” keinen Rechtsverstoß (OLG Karlsruhe, Urteil v. 9.11.2016, Az. 6 U 176/15). Nach Ansicht der Richter umfasst der Schutz der Marke “Aceto Balsamico di Modena” lediglich die spezifische Ortsangabe “aus Modena” – die restlichen Bestandteile “Aceto” und “Balsamico” seien gerade nicht erfasst. Der Fall landete letzlich vor dem Bundesgerichtshof, welcher wiederum den EuGH mit Bitte um Auslegung des geltenden EU-Rechts anrief (BGH, Beschluss v. 12.4.2018, Az. I ZR 253/16) Auch hier waren die Richter einhelliger Meinung: Die Bezeichung “Aceto Balsamico” stelle lediglich die Gattung des Produkts dar: “Aceto” als Essig, und “Balsamico” als der charakteristisch leicht süßliche Geschmack. Eine etwaige Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Herkunft des Produkts sei mangels des Anhangs “di Modena” nicht gegeben. Wir berichteten hierüber bereits ausführlich:
Nun hat sich der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz erneut mit dem Fall beschäftigt, und das Urteil des Karlsruher Oberlandesgericht aufgehoben und an dieses zur Entscheidung zurückverwiesen (BGH, Urteil v. 28.5.202, Az. I ZR 253/16). Zwar sei die Auffassung, der Schutzbereich der geografischen Angabe erstrecke sich nur über das dargestellt Maß, nach wie vor richtig. Allerdings habe sich, so die Richter, das Oberlandesgericht nicht ausreichend mit der Frage nach einer möglichen Anspielung im Sinne des Artikel 13 Abs. 1 Unterabs. 1 lit b) der Verordnung über Qualitätsregeln für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (1151/2012) auseinandergesetzt. In Artikel 13 heisst es:
(1) Eingetragene Namen werden geschützt gegen
(a) …
b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie „Art“, „Typ“, „Verfahren“, „Fasson“, „Nachahmung“ oder dergleichen verwendet wird, auch wenn dieses Erzeugnis als Zutat verwendet wird;
Im Einzelnen sei seitens des OLG nicht dargelegt worden, ob unabhängig von der Bezeichnung “Balsamico” die Aufmachung (im Einzelnen das Design des Ettikets) der strittigen Essigflaschen selbst unter Umständen eine solche Anspielung darstellen könnte. Entscheidendes Kriterium bei der Frage nach einer Anspielung sei, ob der Verbraucher durch eine streitige Bezeichnung veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte geografische Angabe trägt. Weiter hieß es hierzu in der Urteilsbegründung:
Bei der Prüfung ist zu berücksichtigen, ob die geschützte geografische Angabe in die streitige Bezeichnung teilweise eingeschlossen ist, ob eine klangliche und/oder visuelle Ähnlichkeit zwischen der geschützten geografischen Angabe und der streitigen Bezeichnungbesteht oder ob -wenn es an den vorgenannten Umständen fehlt -eine inhaltliche Nähe der streitigen Bezeichnung zuder geschützten geografischen Angabe vorliegt. Eine Anspielung kann nicht nur durch Wortbestandteile der streitigen Bezeichnung hervorgerufen werden, sondern auch durch die Verwendung von Bildzeichen, die eine begriffliche Nähe zu einer eingetragenen Bezeichnung aufweisen.
Eben diese Kriterien seien seitens der Richter am Oberlandesgericht der Entscheidung nicht zugrunde gelegt worden. Dass der italienischen Erzeugergemeinschaft aufgrund der Anspielung durch das Design der Essigflaschen letztlich doch ein Unterlassungsanspruch zusteht, könne daher nicht ausgeschlossen werden.
Fazit
Ein Unterlassungsanspruch würde sich hier – sollte tatsächlich eine Anspielung vorliegen – aus § 135 Abs .1 Markengesetz in Verbindung mit § Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung über Qualitätsregeln für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (1151/2012) ergeben. § 135 MarkenG lautet:
(1)Wer im geschäftlichen Verkehr Handlungen vornimmt, die gegen Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 verstoßen, kann von den nach § 8 Abs. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zur Geltendmachung von Ansprüchen Berechtigten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Das Urteil zeigt also: Selbst die einhellige Feststellung, dass sich – rein begrifflich – die geschützte Bezeichnung “Aceto di Balsamico di Modena” nicht auf die Einzelbstandteile “Aceto” und “Balsamico” erstreckt, schließt eine Verwechslungsgefahr aus anderen Gründen (neben der Aufmachung des Ettikets kann sich diese beispielsweise auch aus dem Design der Flasche selbst ergeben) nicht aus. Dreh- und Angelpunkt im Markenrecht ist stets die Verwechslungsgefahr, die eben auch durch eine Anspielung hervorgerufen werden kann. Aufgrund der Fülle der möglichen Umstände, die ein solche bedingen können, sollte vor der Vermarktung von Produkten im Vorfeld daher stets juristischer Rat eingeholt werden.