Mehr ist weniger – Die Antragsfassung beim Unterlassungsanspruch
In unserer täglichen Praxis beschäftigen wir uns häufig mit der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen.
Natürlich verursachen viele Rechtsverletzungen auch einen entsprechenden Schaden, der gegebenenfalls ebenfalls zu ersetzen ist. Egal, ob der Sachverhalt das Urheberrecht, das Wettbewerbsrecht das Markenrecht oder das Medienrecht betrifft, ist es dem Mandanten jedoch meist am wichtigsten, dass der “Gegner” ein bestimmtes Verhalten möglichst umgehend unterlässt.
Wenn der Rechtsverletzer sich weigert, auf eine Abmahnung eine Unterlassungserklärung abzugeben, bleibt dem Gläubiger keine andere Möglichkeit, als seine Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Dies geschieht mittels einer Unterlassungsklage, meistens jedoch mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung.
Die Formulierung des Unterlassungsanspruchs ist oft die größte Schwierigkeit
Nicht selten stellt dabei die Formulierung des Unterlassungsbegehrens eine der größten Herausforderungen dar. Die Unterlassungspflicht betrifft nämlich nur die tatsächlich rechtswidrigen Handlung als konkrete Verletzungsform. Bei der Formulierung des Unterlassungsanspruchs muss man daher darauf achten, diesen einerseits nicht zu eng zu formulieren. Andererseits darf dieser aber natürlich auch nicht zu weit gehen, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, dass angestrengte Verfahren zumindest teilweise zu verlieren. Die “freihändige” Formulierung eines abstrakten Unterlassungsanspruchs ist zwar nicht unzulässig, aber vor diesem Hintergrund nicht ratsam.
In der Praxis hat sich daher die Verfahrensweise eingebürgert, Unterlassungsantrag die vollständige Werbung bzw. die vollständige Äußerung, die zu unterlassen ist, als konkrete Verletzungshandlung in Bezug zu nehmen. Der Antrag lautet dann zum Beispiel, es zu Unterlassen, wie aus der Anlage 1 ersichtlich zu werben bzw. die aus der Anlage 1 ersichtliche Äußerung zu verbreiten (o.ä.). Aus der Begründung muss sich aber natürlich ergeben, weshalb bestimmte Teile rechtswidrig sein sollen.
Der gesamte Text? Dann darf ich ja gar nichts mehr schreiben!
Diese Art der Antragsfassung veranlasst auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes unerfahrene Kollegen oder Richter oft zu dem Hinweis, dass ein bestimmter Antrag viel zu weitgehend sei, da damit auch Teile der Werbung bzw. Veräußerung erfasst seien, deren Verbreitung zulässig ist. Lässt sich dieser Irrtum nicht aufklären, kann dies für den Gläubiger unangenehme Folgen haben. Im günstigsten Fall wird der entsprechende Antrag teilweise zurückgewiesen, wobei der Antragsteller dann auf einem Teil der Kosten sitzen bleibt. Im schlimmsten Fall – dieser kommt gar nicht so selten vor – stellt sich das zur Entscheidung berufene Gericht stur und droht damit, den Antrag sogar als unzulässig ab- bzw. zurückzuweisen, wenn dieser nicht wunschgemäß angepasst wird.
Sarkasmus im Gerichtssaal
Gerade erst vor einigen Wochen ging es in einer bedeutenden Sache vor dem Oberlandesgericht München innerhalb der mündlichen Verhandlung einmal wieder um die Antragsfassung. Der gegnerische Prozessbevollmächtigte behauptete steif und fest, dass der Antrag, der sich auf eine mehrseitige Liste in einer Zeitschrift bezog, die rechtswidrige Äußerungen zulasten unserer Mandantin enthielt, unzulässig bzw. jedenfalls viel zu weit gehend sei, da dort auch rechtmäßige Berichterstattung enthalten sei. Meine Erläuterungsversuche quittierte der ebenfalls angereiste Justitiar der Antragsgegnerin mit der spöttischen Bemerkung, dass man dieser Logik folgend das nächste Mal ja vielleicht direkt die gesamte Ausgabe der Zeitschrift verbieten könne. Meine Antwort, dass dies durchaus in Betracht käme und es sich dabei dann um einen noch kleineren Unterlassungsantrag handeln würde, als der, über den wir gerade verhandelten, wurde mit Gelächter beantwortet. Der Kollege spöttelte, ich solle doch einmal eine Abhandlung über meine Auffassung schreiben.
Mehr ist Weniger
Diese Arbeit hat jetzt das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss v. 28.1.2015, Az. 6 W 4/15) übernommen. Der Senat hat das Landgericht, das unseren Antrag aus ähnlichen Gründen insoweit noch als unzulässig zurückgewiesen hatte, in einem aktuellen Beschluss korrigiert und vor allem die Sache mit dem Umfang des Unterlassungsanspruchs unseres Erachtens nachvollziehbar und verständlich erklärt:
“(…) Allerdings ist dieser Anspruch nicht bereits deshalb zu verneinen, weil sich der Unterlassungsantrag auf den Artikel insgesamt bezieht. Der Antragsteller weist in seiner Beschwerdebegründung zutreffend darauf hin, dass das Verbot umso kleiner ist, die umfangreicher die Textpassage ist, die Gegenstand der Verfügung wird, weil die Antragsgegner umso mehr Möglichkeiten haben, durch die Modifizierung von Formulierungen den Kernbereich des Verbots zu verlassen. Dies gilt unabhängig davon, auf welcher Anspruchsgrundlage der Unterlassungsantrag gestützt wird. insbesondere ist die vorliegende Fallgestaltung nicht zu vergleichen mit dem Fall, dass ein Vertriebsverbot für ein ganzes Buch begehrt wird und nicht nur die Schwärzung einzelner Passagen. Denn das Petitum des Antragstellers geht, wie er selbst auch klargestellt hat, nicht dahin, die Antragsgegner zu zwingen, den Artikel ersatzlos zu löschen, sah sondern dahin, ebenso um zu formulieren, dass der von dem Antragsteller gesehene Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht bzw. seinen Gewerbebetrieb unterbleibt. (…)”
Oder um es kurz zu machen: Mehr ist Weniger.
Update 23.11.2016:
Der Kollege kann sich nun tatsächlich aus offizieller Quelle fortbilden. Die vom Kollegen vorgeschlagene wissenschaftliche Abhandlung und eine ausführliche Erläuterung zur Antragsfassung beim Unterlassungsanspruch gibt es nämlich mittlerweile tatsächlich. Ich durfte zwischenzeitlich am Handbuch „Multimedia-Recht“ von Hoeren/Sieber/Holznagel als Autor mitwirken. Im 23. Teil “Prozessuale Besonderheiten des Lauterkeitsrechts” und dort im Kapitel C. III. findet man sowohl allgemeine Erläuterungen als auch konkrete Beispiele.