OLG Hamburg: Keine markenrechtliche Erschöpfung bei separatem Weiterverkauf von Kombinationsprodukt
Einem aktuellen Urteil des OLG Hamburg nach begründet das einheitliche Verpacken und Verkaufen zweier verschiedener, kombinierter Waren keine Erschöpfung des Rechts an den einzelnen “entbundelten” Produkten.
Werden die Erzeugnisse anschließend von einem Dritten separat weiterverkauft, kann sich der Markeninhaber hiergegen wehren, wenn die Auseinzelung die Eigenart der Ware verändert.
Kombipaket und Konkurrentenklage
Kläger in dem Rechtsstreit war ein Multimedia-Unternehmen, welches unter anderem CI-Module vertreibt. Diese Module sind etwa kreditkartengroße Steckkarten, mit deren Hilfe moderne Fernsehgeräte verschiedene Programme empfangen können.
Erforderlich hierfür ist allerdings, dass in das Modul selbst noch eine Smartcard gesteckt wird. CI-Modul und benannte Smartcard wurden von dem klagenden Unternehmen in Kombination, also einheitlich verpackt an den Mann gebracht. In der Folge erstand ein Händler gleich mehrere dieser „Pakete“, um anschließend Smartcard und Modul jeweils separat auf eBay zu verkaufen. Das Unternehmen mahnte erfolglos ab, und erhob letztlich Klage vor dem Hamburger Landgericht.
Während diese erstinstanzlich noch abgewiesen worden war (LG Hamburg, Urteil v. 29.7.2016, Az. 308 HKO 147/15), hob das OLG Hamburg jene Entscheidung in der Berufungsinstanz auf, und gab der Klage statt (OLG Hamburg, Urteil v. 20.9.2019, Az. 3 U 222/16).
Erschöpfter Einzelhändler?
Anders als das Landgericht war der Senat der Auffassung, dass hier der Art. 15 Abs. 2 der Unionsmarkenverordnung (UMV) greife, welcher eine Ausnahme vom sogenannten markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz darstellt. Jener Grundsatz ist in Art. 15 Abs. 1 UMV normiert. Art. 15 UMV lautet wie folgt:
(1) Eine Unionsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.
Der Erschöpfungsgrundsatz des Abs. 1 besagt also, dass der Markeninhaber einem Dritten nicht untersagen darf, seine Marke für Waren zu benutzen, die unter eben dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden. Daher kann der Markeninhaber letztlich nur über das anfängliche Inverkehrbringen entscheiden.
Auf diese Weise bleibt ihm verwehrt, etwaige weitere Zwischenschritte beim Weiterverkauf zu kontrollieren. Andererseits wird ihm durch den Grundsatz die Möglichkeit eingeräumt, beim erstmaligen Inverkehrbringen den wirtschaftlichen Wert der Ware festzulegen. Im deutschen Recht ist der Erschöpfungsgrundsatz übrigens in § 24 Abs. 1 Markengesetz (MarkenG) normiert.
Ein berechtigter Grund im Sinne des Abs. 2 – und damit eine Ausnahme der Erschöpfung – liegt vor, wenn durch die konkrete Verwendung die Herkunfts- und Garantiefunktion der Marke verletzt wird, oder aber die Unterscheidungskraft sowie Wertschätzung des Zeichens in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird. Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung von einer solchen Beeinträchtigung aus, wenn die Ware derart verändert wird, dass deren Eigenart beeinträchtigt wird.
Und eben dies lag nach Ansicht des Senats in Hamburg vor. So komme die Entscheidung, in welcher Kombination eine Ware im Einzelnen vertrieben wird, allein dem Markeninhaber zu. Das Multimedia-Unternehmen habe explizit das Modul nur einheitlich mit der Smartcard und den beigefügten AGB verkaufen wollen. Auf diese Weise werde die Eigenart des Produkts als „Bundle“ konkretisiert. Die Tatsache, dass die beigefügten Bedingungen gelten sollten, wenn die Karte in das CI-Modul gesteckt wird, sei auch Teil der Garantiefunktion. Auch insofern sei die Kombination ausschlaggebend.
Dem entgegenstehend ziele das Angebot auf eBay gerade darauf ab, die Smartcard hinsichtlich alternativer Geräte oder Receiver zu nutzen. Dass dies unter Benutzung der Marke des Klägers erfolge, müsse der Inhaber gerade nicht hinnehmen.
Fazit
Aus Sicht von Markeninhabern ist das Urteil durchaus zu begrüßen, da deren Möglichkeit, über die Umstände des erstmaligen Inverkehrbringens einer Ware gestärkt wird. Und das zu Recht, schließlich sollen die Inhaber bestimmen können, wie genau ihre Produkte auf dem Markt erscheinen. Werden die Erzeugnisse umgestaltet und als vermeintlich neu präsentiert, kann der falsche Eindruck entstehen, der Markeninhaber selbst oder ein Lizenznehmer stehe dahinter. Grundsätzlich greift die Ausnahme des Art. 15 Abs. UMV (beziehungsweise § 24 Abs. 2 MarkenG) aber eher selten – eben „ausnahmsweise“. Letztlich ist dies aber nach Art der individuellen Umstände im Einzelfall zu entscheiden.