Jeder, der schon einmal vor einen prall gefüllten Regal in einem Supermarkt stand, kennt das überfordernde Gefühl, sich für eines von gefühlt hunderten Produkten entscheiden zu müssen – die berühmte Qual der Wahl.
In einer solchen Situation liegt es nahe, zu einer bewährten Marke zu greifen. Der Mensch ist doch schließlich ein Gewohnheitstier. Um sicherzustellen, dass der Kunde tatsächlich zu der ihm bekannten Marke greift und nicht etwa zu einem zum Verwechseln ähnlichen Konkurrenzprodukt, trifft das Markenrecht entsprechende Regelungen.
Das OLG Frankfurt hat sich nun der Frage gewidmet, wann eine Verwechslungsgefahr zweier Wort-/Bildmarken im Lebensmittelbereich vorliegt. Als Maßstab hierfür werden die Erwartungen des Verkehrs, also des vor dem Nudelregal stehenden Durchschnittsverbrauchers zugrunde gelegt.
Rechtmäßigkeit von Abnehmerabmahnungen
In dem Verfahren (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.11.2022, Az. 6 U 277/21) standen sich zwei Lebensmittelhersteller gegenüber. Beide Unternehmen sind Inhaberinnen einer Unionsbildmarke, welche neben einem sich unterscheidenden Bildzeichen jeweils den Schriftzug „Terra Greca“ tragen.
Die Beklagte hatte aufgrund einer vermeintlichen Markenverletzung eine Abnehmerverwarnung gegen einen Supermarkt ausgesprochen, da dieser Nudelpackungen der Klägerin in seinem Sortiment führte. Grundsätzlich steht es dem Markeninhaber in einem solchen Fall frei, den konkurrierenden Hersteller direkt abzumahnen oder wie hier geschehen, gegen die Abnehmer vorzugehen. Für die Abnehmer lohnt es sich jedoch regelmäßig nicht, die Interessen des betroffenen Herstellers zu verteidigen und gegen die Abmahnung vorzugehen. Stattdessen können sie die Waren ohne großen Aufwand aus ihren Sortiment nehmen, was wiederum zulasten des Herstellers geht.
Der somit indirekt abgemahnte Hersteller wollte sich dies nicht bieten lassen und strebte eine auf Unterlassung solcher Abnehmerverwarnungen gerichtete Klage vor dem LG Frankfurt an. Das erstinstanzliche Gericht gab der Klägerin recht und urteilte, dass zwischen den beiden Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne des Art. 9 Abs. 2 b) UMV bestehe.
Dem widersprach das OLG Frankfurt nun in dem Berufungsverfahren und sah die Abmahnung als rechtmäßig an. Dabei standen zwei Aspekte im Zentrum der Entscheidung:
Warenähnlichkeit von Suppen- und Nudelprodukten
Eine Verwechslungsgefahr kann von vornherein ausgeschlossen werden, wenn die Marken für völlig unterschiedliche Warenarten verwendet werden. Eine solche absolute Warenunähnlichkeit hatte das LG Frankfurt im vorliegenden Fall angenommen. Zwischen den von der Klägerin vertriebenen Nudelpackungen der Sorte Penne und den Suppen und Speiseölen der Beklagten bestehe ein solch gewichtiger Unterschied, dass es selbst bei unterstellter Identität der Marken nicht zu einer Verwechslung durch den Durchschnittsverbraucher kommen könne.
Dies sah das Berufungsgericht anders. Die Frankfurter Richter, die sich auf ihre eigene Sachkunde als regelmäßige Supermarktgänger beriefen, hielten es nicht für gänzlich abwegig, dass nach Vorstellungen des Verkehrs sowohl Nudeln als auch Speiseöle und Suppen von demselben Unternehmen stammen können.
Zeichenähnlichkeit – „Terra Greca“ rein beschreibend?
Schließlich war zu entscheiden, ob eine Ähnlichkeit zwischen den gegenüberstehenden Zeichen besteht. Bei Wort-/Bild-Kombinationen ist hierbei in erster Linie auf den Wortbestandteil abzustellen. Da im vorliegenden Fall beide Zeichen den identischen Schriftzug „Terra Greca“, also zu Deutsch „griechischen Erde“ führten, lag es auf der Hand, von einer hohen Ähnlichkeit auszugehen. Das erstinstanzliche Gericht argumentierte jedoch, dass der Wortbestandteil „Terra Greca“ rein beschreibend sei. Der allgemeine Verkehr werde dies lediglich als Hinweis darauf verstehen, dass das Produkt aus Griechenland stamme. In diesem Fall komme es bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit primär auf die Bildbestandteile an, welche keine Ähnlichkeit aufwiesen.
Diese Auffassung teilten die Berufungsrichter nicht. Von einem Durchschnittsverbraucher könne nicht erwartet werden, dass er über Fremdsprachenkenntnisse verfüge, die weiter reichen als Grundkenntnisse in der englischen Sprache. Selbst wenn man die erforderliche Sprachkunde unterstelle, sei der Begriff „griechische Erde“ nur ein subtiler Hinweis auf den Herkunftsort und keine eindeutige Beschreibung. Somit kam das Gericht zu dem Schluss, dass aufgrund der Verwendung des identischen Begriffs „Terra Greca“ eine überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit vorliege, welche eine Verwechslungsgefahr nach Art. 9 Abs. 2 b) UMV begründet.