Achtung Blogger: Vorsicht bei der Aktualisierung von bereits verfassten Artikeln!
„Das Internet vergisst nie und nichts“ – solche Aussagen hören wir immer wieder.
Doch was steckt dahinter?
Unserem menschlichen Gedächtnis sind Grenzen gesetzt, wohingegen dies nicht für das Gedächtnis des Internets gilt. Hinzu kommt die Schnelllebigkeit des Internets, durch die Verfasser von Artikeln sich schnell in juristischen Grauzonen bewegen können.
Insbesondere solche Artikel, die eine Rufschädigung einer Person/ eines Unternehmens zum Gegenstand haben, können gravierende Nachteile für den Betroffenen zur Folge haben.
Dann ist ein zügiges Einschreiten vonnöten.
Mit einem solchen Fall beschäftigte sich das Frankfurter Landgericht. Es sollte entscheiden, auf welchen Zeitpunkt bei der Frage der Wahrheit oder Unwahrheit von Tatsachen abzustellen ist, wenn der Artikel durch den Verfasser laufend aktualisiert und damit der Eindruck erweckt wird, der Artikel sei dem aktuellen Stand entsprechend sowie wahrheitsgetreu.
Der Streitauslöser – ein überarbeiteter Artikel?
Dem Urteil lag ein Streit zweier Parteien um einen Unterlassungsanspruch zugrunde. Dabei setzte sich die Beklagte, die auch als Autorin tätig war, in mehreren Artikeln mit der Klägerin auseinander. Dagegen setzte sich die Klägerin mehrfach gerichtlich zur Wehr, jedoch zunächst erfolglos.
Anfang des Jahres 2019 veröffentlichte die Beklagte einen Artikel, der folgende Behauptungen enthielt:
„Das ist bis heute der einzige Punkt, bei dem die Autorin wegen einer falschen Tatsachenbehauptung verurteilt wurde“
„Fazit: Die Autorin wurde – außer in dem Fall der vor dem Landgericht … vorgelegten inhaltlich irrelevanten Unterlagen – in KEINEM Fall wegen unwahrer Tatsachenbehauptungen oder wegen Verleumdung verurteilt.“
Diesen Artikel überarbeitete die Beklagte laufend, was sie auch entsprechend kennzeichnete, zuletzt Anfang des Jahres 2020.
Bereits vor dem Datum des letzten Updates hatte die Klägerin mehrfach gerichtliche Schritte gegen die Beklagte eingeleitet , mittels derer diese zur Unterlassung der getätigten Äußerungen verurteilt wurde.
Durch die Überarbeitungen des Artikels erweckte die Beklagte jedoch den Eindruck, sie bringe diesen laufend auf den neusten Stand und dieser sei auch dem aktuellsten Stand entsprechend. Dadurch, dass die Leser davon ausgingen, der Artikel sei aktuell, suggerierte die Beklagte den Lesern, sie sei nur einmal wegen unwahrer Tatsachenbehauptungen verurteilt worden.
Tatsachenbehauptung vs. freie Meinung: Ab wann ist mit juristischen Konsequenzen zu rechnen?
Das LG Frankfurt sprach der Klägerin daher einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gem. §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
Zum einen ging es um die Prozessfähigkeit der Klägerin. Die Beklagte wandte ein, dass die Klägerin psychisch gestört sei, weshalb sie nicht zurechnungsfähig und damit nicht prozessfähig sei.
Auch wenn dieser Eindruck aufgrund der Klagewelle seitens der Klägerin entstehen könnte, begründe dies keine psychische Störung, welche die Prozessfähigkeit einer Partei ausschließen würde, so das Landgericht. Die Kammer war der Auffassung, dass Gründe für die Annahme einer fehlenden Prozessfähigkeit hinreichend darzulegen seien. Hieran fehle es im vorliegenden Fall.
Zum anderen wog das Gericht die widerstreitenden Grundrechte der Betroffenen gegen einander ab. Gegenüber standen sich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin und die Meinungs- bzw. Pressefreiheit der Beklagten.
Ob eine Äußerung zulässig sei, entscheide sich danach, ob es sich dabei um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handele. Hierbei sei zwischen wahren und unwahren Tatsachenbehauptungen abzugrenzen. Wahre Tatsachenbehauptungen seien vom Betroffenen trotz möglicher Nachteile hinzunehmen, wohingegen unwahre Tatsachenbehauptungen nicht von der Meinungsfreiheit geschützt seien.
Gehe es um einen Eindruck, der durch bestimmte Äußerungen erweckt werde, so komme es darauf an, ob diese Äußerungen auch bei einem Durchschnittsleser diesen Anschein erwecken. Dies sei durch eine Gesamtschau aller Umstände zu ermitteln.
Im vorliegenden Fall entschied das Gericht unter Zugrundelegung dieser Grundsätze, dass die oben genannten Behauptungen den unwahren Eindruck erweckten, die Beklagte sei tatsächlich nur einmal wegen unwahrer Tatsachenbehauptung verurteilt worden, obwohl sie zum Zeitpunkt des letzten Updates schon mehrmals verurteilt worden war.
Dabei könne sich die Beklagte für die Frage nach der Wahrheit oder Unwahrheit der in dem Artikel aufgestellten Behauptungen nicht auf das Datum der ursprünglichen Veröffentlichung des Artikels berufen, sondern es sei das Datum der letzten Überarbeitung maßgeblich. Da die letzte Überarbeitung des Artikels Anfang des Jahres 2020 erfolgte und die Beklagte zuvor schon mehr als einmal verurteilt worden war, ging das Gericht davon aus, dass die Behauptungen zum Zeitpunkt des letzten Updates unwahr waren.
Praxistipp für Blogger: Wenn schon, denn schon …
Diese Entscheidung des LG Frankfurt verdeutlicht, dass Autoren ihre Artikel im Falle einer Überarbeitung stets sorgfältig auf ihre Aktualität und Richtigkeit überprüfen sollten. Denn wenn Autoren durch Überarbeitungen ihrer Artikel dem Leser eine besondere Aktualität suggerieren, dann sollte dies auch der Wahrheit entsprechen.
Wird jedoch durch Überarbeitung des Artikels beim Leser der Eindruck einer Aktualität erweckt, über die der Artikel tatsächlich nicht verfügt, so kann dies äußerungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wie dieser Fall des Frankfurter Landgerichts zeigt.
Erstaunlich ist, dass dieser Fall womöglich ein anderes Ende genommen hätte, wenn die Beklagte keine laufenden Aktualisierungen ihres Artikels vorgenommen hätte. Denn es ist zu vermuten, dass das Gericht ihr Recht gegeben hätte, wenn sie den Artikel nach seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr aktualisiert hätte. Zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veröffentlichung des Artikels entsprachen die Behauptungen der Beklagten der Wahrheit. Erst durch die laufenden Aktualisierungen erweckte sie den Eindruck, dass der Artikel dem aktuellen Stand entsprechend und wahrheitsgetreu sei.