Im Internet wimmelt es nur so von Bewertungsportalen. Jede Amtshandlung und jeder Arztbesuch, jede Buchung und jeder Kauf wird heutzutage dem Urteil der fünf Sterne übereignet.
Es ist unangenehm, wenn man dabei negativ bewertet wird. Geschieht dies in deutlicher Diktion, kann die Grenze zum Unerlaubten überschritten sein.
Unerlaubt sind Meinungsäußerungen, wenn sie das Persönlichkeitsrecht verletzen, indem sie eine Schmähkritik formulieren, Beleidigungen enthalten oder einen Angriff auf die Menschenwürde darstellen.
Dass dies nur im äußersten Fall gegeben ist, hat nun das LG Hamburg festgestellt (LG Hamburg, Urteil v. 3.5.2019, Az. 324 O 358/18). Das Gericht betonte den sehr weiten Schutz von Meinungsäußerungen, der auch Zuschreibungen wie „mies und hinterlistig“ umfasst. Demzufolge besteht kein Anspruch auf Löschung solcher Bewertungen, solange gilt: barsch, aber fair – zumindest zulässig.
Keine Möbel, kein Gepöbel
Der Sachverhalt ist folgender: Die Klägerin bestellte im Onlineshop der Beklagten einige Möbel. In der Folge kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über die Versandgeschwindigkeit, die in einer Kündigung des Auftrags durch die Klägerin gipfelte. Im Anschluss daran veröffentlichte die Klägerin eine negative Bewertung bei „Google My Business“, einem Dienst für Unternehmen, die über „Google Maps“ mit aktueller und ansprechender Repräsentation gefunden werden wollen.
Die Beklagte forderte sie daraufhin auf, diese zu löschen und veröffentlichte ihrerseits zwei Bewertungen über die Klägerin mit folgenden Texten: 1. „Diese Firma kann ich nicht empfehlen. Als Geschäftspartner ist absolute Vorsicht zu verwalten. Mies und hinterlistig. Versteckt sich hinter seinem Telefon. Mit dieser Firma Geschäfte zu machen rate ich ab.“ und 2. „Mieser und hinterlistiger Geschäftspartner, den man nicht vertrauen kann. Telefonisch nicht erreichbar. Hier rate ich dringend ab Geschäfte zu machen. Äußerst bedenkliches Geschäftsgebaren.“
Daraufhin ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen, verlangte von ihr das Entfernen der Bewertungen und Ersatz der Anwaltskosten. Nachdem die Beklagte dem nicht nachkam, ging die die Klägerin vor Gericht. Das LG Hamburg wies ihre Klage ab, da es sich bei den fraglichen Passagen um zulässige Meinungsäußerungen handle, die in einem engen Zusammenhang mit dem vorangegangenen Geschehen zwischen den beiden Parteien stünden (also nicht pauschal aus der Luft gegriffen sind), so dass die Klägerin sie als Meinungsäußerungen im Rahmen ihrer geschäftlichen Entfaltung hinnehmen müsse. Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten standen ihr damit nicht zu.
Meinungen und Tatsachen
Das Gericht hob hervor, dass zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung unterschieden werden müsse. Eine Tatsachenbehauptung bezieht sich auf einen objektiv zu beurteilenden Sachverhalt, so dass ihr im Zuge einer Beweisführung ein allgemein anerkannter Wahrheitswert zugeordnet werden kann, eine Meinungsäußerung entzieht sich als subjektives Für-Wahr-Halten a priori diesem Kriterium. Die Bewertungen der Beklagten seien in diesem Sinne Meinungsäußerungen bzw. in den Formulierungen, die als Tatsachenbehauptungen gelten können („Telefonisch nicht erreichbar“), nachprüfbar wahr; die Beklagte legte Anrufprotokolle vor, die die Nichterreichbarkeit der Klägerin zeigten.
Das Gericht ging die Statements im Einzelnen durch und befand, dass es sich bei „mies und hinterlistig“ um hinzunehmende Empfindungen der Beklagten handle, da diese schlechte Erfahrungen mit der Klägerin gemacht habe und andere davor warnen wolle, was im Geschäftsverkehr zulässig sei. Auch eine in Frage kommende Schmähkritik liege nicht vor, so das Gericht. Solange es – auch polemisch und überspitzt – um die Sache geht und keine Diffamierung der Person erfolgt, gelte Meinungsfreiheit. Das deftige Werturteil der Beklagten stand nun erkennbar in engem Zusammenhang mit dem geplatzten Möbel-Deal, ohne dass damit die Klägerin losgelöst von dem konkreten Geschäftsvorgang herabgesetzt würde – „mies und hinterlistig“ gilt für die Klägerin „als Geschäftspartner“, nicht als Person. Ergo: Zulässige Meinungsäußerung.
Hinweis: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das Verfahren ist beim OLG Hamburg anhängig (Az.: 7 U 52/19).
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.