Auf das Urteil hingewiesen wird von der Justiz Bayern lediglich in einer Pressemitteilung, die Gründe liegen noch nicht vor. Dennoch sieht Stadler bereits jetzt die Meinungsfreiheit im Netz im Gefahr. Unseres Erachtens jedoch zu Unrecht.
Schwere Vorwürfe gegen den Zahnarzt
Den Informationen aus der Pressemitteilung zufolge hatte sich der Zahnarzt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Verbreitung einer negativen Bewertung zur Wehr gesetzt. Ein Nutzer hatte die Bewertung seiner zahnärztlichen Implantatbehandlung anonym in das Forum eingestellt und darin zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger ein fachlich inkompetenter Zahnarzt sei, der vorrangig eigene wirtschaftliche Interessen verfolge und hierbei das Interesse seiner Patienten an einer dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung außer Acht lasse. Hiermit war der Zahnarzt nicht einverstanden. Er wies den Provider darauf hin, dass er – auch nach Durchsicht aller Patientenunterlagen – eine der Bewertung zugrunde liegende Implantatbehandlung in dem angegebenen Zeitraum gar nicht durchgeführt habe, die Bewertung folglich schon aus diesem Grund falsch sei. Der Provider fragte darauf hin bei seinem Kunden lediglich nach, ob sich der Sachverhalt so zugetragen habe wie von ihm dargestellt. Dies bejahte der Verfasser, dessen Identität nach wie vor allein dem Provider bekannt ist.
Mit dieser Antwort gab sich der Provider zufrieden. Er berief sich zudem auf das gemäß Telemediengesetz schützenswerte Anonymisierungsinteresse des Beitragsverfassers und schließlich darauf, dass wegen der ärztlichen Schweigepflicht eine „Pattsituation“ hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes der widerstreitenden Angaben bestehe. Die vom Zahnarzt gerichtlich gerügten Teile der Bewertung löschte er nicht.
Die 11. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth hat jetzt vorläufig festgestellt, dass der Internetprovider auf die konkrete Beanstandung des betroffenen Zahnarztes hin den Sachverhalt sorgfältiger hätte prüfen und sich von seinem Kunden einen Nachweis dafür hätte vorlegen lassen müssen, dass die Behandlung tatsächlich stattgefunden hat. Weil dies nicht geschehen sei und eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Zahnarztes möglicherweise vorliegen könnte, hafte der Internetprovider – ungeachtet der Frage, ob die Bewertung zutreffend ist – nach den Grundsätzen der sogenannten Störerhaftung auf Unterlassung.
Wahrscheinlich richtige Entscheidung des Landgerichts
Die Bewertung einer Gerichtsentscheidung fällt, ohne die Gründe zu kennen, anhand der bloßen Pressemitteilung naturgemäß nicht leicht. Denn meistens, wie auch im vorliegenden Fall, wird die Pressemitteilung nicht vom einem Mitglied des entscheidenden Spruchkörpers verfasst, sondern von einem an der Entscheidung unbeteiligten Dritten, der diese seinem Verständnis nach zusammenfasst. Dementsprechend basiert die Einschätzung Stadlers, dass das Landgericht mit seiner Entscheidung die vom BGH postulierten Prüfungspflichten überspanne, auf der Annahme, dass es sich bei der Äußerung um eine bloße unwahre Tatsachenbehauptung gehandelt hat.
Auch wir können natürlich nur spekulieren. Es spricht allerdings vieles dafür, dass das Gericht es nicht mit einer bloßen unwahren Tatsachen zu tun hatte, sondern mit herabsetzenden Äußerungen, die den Tatbestand des § 186 StGB erfüllen:
“…fachlich inkompetenter Zahnarzt (sei) , der vorrangig eigene wirtschaftliche Interessen verfolge und hierbei das Interesse seiner Patienten an einer dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung außer Acht lasse.”
Diese Äußerung erschöpft sich nicht in einer Unzufriedenheitsbekundung, sondern enthält schwerwiegende Vorwürfe.
Herabsetzende Äußerungen muss der Urheber beweisen
Im Ausgangspunkt ist die Unwahrheit einer Behauptung zwar grundsätzlich von demjenigen zu beweisen, der sich gegen die Äußerung wendet. Allerdings tritt eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Wahrheitsbeweises dann ein, wenn Streitgegenstand eine üble Nachrede ist. In diesem Fall trifft nach der über § 823 Absatz 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB grundsätzlich den Schädiger die Beweislast für die Wahrheit der ehrbeeinträchtigenden Behauptung.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Auffassung des Gerichts zu erklären, dass der Internetprovider sich im vorliegenden Fall nicht darauf beschränken durfte, sich die herabsetzende Äußerung vom Urheber lediglich noch einmal bestätigen zu lassen. Da für den Provider nun “Aussage gegen Aussage” stand, hätte der Provider mit Hinblick auf die Beweislastregel des § 186 StGB die Bewertung löschen müssen.
Provider macht sich ggfls. selbst strafbar
Die Kritik des Kollegen Stadler und der Kollegen GGR Rechtsanwälte am Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth dürfte daher unberechtigt sein. Erst recht nicht bedeutet diese Entscheidung das “Todesurteil für alle Portalbetreiber”. Die Entscheidung verlangt von Hostprovidern allerdings (völlig zu Recht) nach einem Hinweis des Betroffenen die sorgfältige Prüfung, ob die Äußerungen den Straftatbestand des § 186 StGB erfüllgen. Falls das so ist, liegt es auch im Interesse des Providers, solche Äußerungen nicht weiter zu verbreiten, da er sich anderenfalls gegebenenfalls selbst strafbar macht.
Eine endgültige Einschätzung der Entscheidung ist, wie gesagt, nicht möglich, solange die Urteilsgründe nicht vollständig vorliegen. Wilde Spekulationen im Kampf für die Meinungsfreiheit lassen wir aber natürlich nur äußerst ungern unkommentiert ;-).