Ein Arzt, der öffentlich Fachaussagen getroffen hat, muss Werbung mit diesen Aussagen hinnehmen. Voraussetzung ist aber, dass der Arzt richtig zitiert und kein Zusammenhang hergestellt wird, wonach die Äußerung bezahlt oder in einem geschäftlichen Zusammenhang erfolgt (Bundesgerichtshof, Urteil v. 28.07.2022, Az. I ZR 171/21 – Reizdarmsyndrom).
Der ärztliche Direktor einer Klinikabteilung klagte gegen ein Unternehmen, das Probiotika, Medizinprodukte und Enzympräparate vertreibt. Der Kläger hatte zuvor an einer Pressekonferenz teilgenommen, auf der ein Arztreport zum Reizdarmsyndrom vorgestellt wurde. Als „Statement“ bezeichnete Äußerungen des Arztes waren Teil einer im Internet abrufbaren Pressemappe. Die Beklagte ließ in einer Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts eine Werbeanzeige veröffentlichen, in der der Kläger ohne seine Kenntnis und Zustimmung namentlich zitiert wurde. Der Kläger nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, die Klage wurde jedoch abgewiesen.
Werbeanzeige vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt
Das Berufungsgericht sah keinen Unterlassungsanspruch. Es überwiege bei der Anzeige das schutzwürdige Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Die Anzeige sei von der Pressefreiheit umfasst, befasse sich mit Diagnose- und Therapieproblemen beim Reizdarmsyndrom und habe meinungsbildendenden Charakter. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft den Informationswert der Anzeige einbezogen, urteilte der BGH. Wegen der Betonung der herausgehobenen Stellung des Klägers liege eine Aufmerksamkeitswerbung, allerdings kein Testimonial vor, befand dieser. Es könne allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit seinem Namen für das Produkt einstehen oder automatisch damit in Zusammenhang gebracht werden wolle.
Namensverwendung liegt nur bei Zurechnung vor
Eine Namensverwendung in der Werbung greife nur dann in den Schutzbereich von § 12 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein, wenn der Werbende damit den Eindruck erweckt, das Angepriesene sei dem in der Werbung Genannten zuzurechnen oder solle unter seinem Namen in Erscheinung treten. In einem solchen Fall eigne sich der Werbende den durch den Namen repräsentierten Eigenwert der Person des anderen für sich oder seine Leistungen an. Nutze der Werbende hingegen lediglich die Bekanntheit, Wertschätzung oder – wie vorliegend – die fachliche Autorität des Namensträgers aus, ohne dass eine Zuordnungsverwirrung entstehe, sei § 12 BGB nicht berührt.
Pflicht zur Hinnahme wegen Selbstbegebung
Die Beklagte habe zwar den Namen des Klägers genutzt, um der Anzeige mit den ihm zugeschriebenen Fachaussagen ein wissenschaftliches Gepräge zu geben. Die Werbebotschaft werde im Zusammenwirken mit weiteren Fremdaussagen und eigenen Aussagen der Beklagten herausgearbeitet. Ein Arzt, der sich mit Fachaussagen selbst in die Öffentlichkeit begeben habe, müsse eine Bezugnahme in einer Werbeanzeige aber hinnehmen. Er müsse sich diese Äußerungen „in jeder seiner Funktionen“ zurechnen lassen, zumal ein Durchschnittleser diese „mit einer Internetrecherche unschwer selbst in Erfahrung bringen“ können.
Fachaussagen müssen richtig zitiert werden
Voraussetzung sei lediglich, dass er mit den ihm zugeschriebenen Fachaussagen zutreffend zitiert werde. Der Arzt sei in einer solchen Situation dann auch nicht gezwungen, aus berufsrechtlichen Gründen gegen die Werbung vorzugehen.
Unbefugte Namensnutzung begründet Unterlassungsanspruch
Eine Namensverwendung zu überwiegend kommerziellen Zwecken sei nicht von vornherein unzulässig, so der BGH. Vielmehr sei in solchen Fällen die durch die werbliche Vereinnahmung ausgelöste Eingriffsintensität bedeutsam. Die unbefugte Nutzung eines Namens für Werbezwecke stelle einen Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Namen dar und begründe einen Unterlassungsanspruch. Ebenso stellten Fehlzitate unwahre Behauptungen über den Namensträger dar, die seine Privatsphäre berührten. Der soziale Geltungswert des Namensträgers könne auch durch die unrichtige, verfälschte oder entstellte Wiedergabe von Äußerungen betroffen sein.
Das Urteil hat besondere Relevanz für vergleichende Werbung im Medizinbereich. Wer sich als Arzt öffentlich fachlich äußert, muss immer damit rechnen, später einmal damit zitiert zu werden.