Es überrascht nicht, dass jemand, der von der Zuwendung seines Publikums (sei es emotional oder finanziell) lebt, nach einer juristischen Niederlage nicht erst einmal innehält, sondern sich dem Zeitgeist entsprechend öffentlich als (Justiz-)Opfer inszeniert.
Insbesondere von Followern zB auf YouTube sind ihm – anders als der Kanzlei, die das langweilige Recht durchsetzt ;-) – zahlreiche Likes und Abos sicher.
“Kritische” YouTuberin mit Geschäftssinn und Reichweite
So wie im Fall der „Meinungsbloggerin“ Sashka, über den wir – zunächst ohne Namensnennung – berichteten. Die geschäftstüchtige Dame hatte einen Unternehmer in einem ihrer Videos nicht nur kritisiert, sondern ihm unter Verwendung seines eigenen Bild- und Videomaterials strafbares Verhalten unterstellt. Das wurde ihr vom LG Frankfurt bei Meldung eines Ordnungsgelds von bis zu 250.000 € verboten. Einzelheiten können dem Beitrag im LHR-Magazin entnommen werden:
LHR erwirkt einstweilige Verfügung gegen „Meinungsbloggerin“
“Justizopfern” ist in
Die YouTuberin hat das rechtswidrige Video mit Hinblick auf ein mögliches Ordnungsgeld von 250.000 € mittlerweile zwar gelöscht.
Sie präsentiert ihren Fans jedoch aktuell ein neues Video, in dem sie sich über unseren Mandanten, unsere Kanzlei und nicht zuletzt natürlich auch den Gerichtsbeschluss beschwert. Es handelt sich somit um das Reaction-Video auf das Verbot des LG Frankfurt des Reaction-Videos:
Das Opfer einer vorgeblich erratisch agierenden Justiz zu spielen, ist besonders in Coronazeiten zu einer gewinnbringenden Masche geworden.
Anstatt sich an die zeitweilig unangenehmen Vorgaben des Rechtsstaats zu halten und dessen Entscheidungen womöglich sogar anzuerkennen, stellt man in seiner Bubble einfach eigene Regeln auf und errichtet auf dem zur Verfügung stehenden Social Media-Kanal einen eigenen Gerichtshof, in dem man vor geneigtem Publikum zweifelt, raunt, in Frage stellt und in eigener Sache dann Kläger, Richter und Henker in Personalunion gibt.
Spendenaufruf mit anwaltlicher Hilfe
Vorliegend bringt das nicht nur Views und Likes sondern auch bares Geld. Denn die Videos der “Meinungsinfluencerin” dienen nicht nur der altruistischen Information der Öffentlichkeit, sondern auch dem Sammeln von Spenden, die unter anderem ihrem Anwalt (der – per Video aus seinem Hobbykeller zugeschaltet – ebenfalls zu Wort kommt) zufließen sollen.
Auf diese Weise dürften – ausweislich der zahlreichen Kommentare mit “Spendenhinweis” – schon stattliche Beträge zusammengekommen sein.
Am Verbot vorbei?
Auch der Versuch, gerichtlich verbotene Passagen in anderem Kontext ein weiteres Mal unter das Fanvolk zu bringen, ist nicht neu. Dieser rächt in Regel jedoch, da – und das müsste auch Laien einleuchten – nicht nur die Wiederholung identischer, sondern auch ähnlicher Versionen der verbotenen Aussage vom Unterlassungsgebot umfasst werden. Man wird sehen, was das Landgericht Frankfurt im Rahmen des nun zu führenden Bestrafungsverfahrens davon hält.
Rechtsanwalt im medialen Huckepack
Eine neuere Mode scheint es allerdings zu sein, dass Rechtsanwälte in einem zusammen mit Mandanten erstellten Videos mit künstlicher Verwunderung über den verlorenen Rechtsstreit das, was das Gericht dort nicht überzeugt hat, auf YouTube einem unkritischerem Publikum in dem eigenen Forum (in diesem Fall der hauseigene Keller) zu wiederholen.
Viel Meinung, wenig Ahnung
Schließlich: Es wurde – anders, als der Titel des Videos suggeriert – niemand verklagt und auch niemand verurteilt. Es handelt sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren, wonach ein bestimmtes Verhalten vorerst zu unterlassen ist und das sich in Gegenstand und Verfahren erheblich von einer Klage unterscheidet. Die (Schadensersatz-)Klage kommt erst noch. (Vorsorglich: Die Antragsgegnerin hatte ausreichend Gelegenheit vor Erlass des Beschlusses Stellung zu nehmen, und hat dies auch ausgiebig – erfolglos – getan.)
Diese Falschdarstellung mag im Ergebnis nicht entscheidend sein. Sie steht jedoch symptomatisch für das, was passiert, wenn sich Menschen mit viel Reichweite und Sendungsbewusstsein aber wenig Ahnung öffentlich äußern: Im besten Fall kommt Unsinn dabei heraus, im schlimmsten Fall kommen – wie hier – andere zu Schaden.