Erfolgreich zur Wehr gesetzt: „Hürriyet“ muss Gegendarstellung drucken und Entschädigung zahlen
Dass die Dinge nicht immer dem entsprechen, womit sie bezeichnet werden, ist ein altbekannter Umstand. Die Berliner Mauer war kein „Schutzwall“, ein Zitronenfalter faltet keine Zitronen und eine Boulevardzeitung im Besitz der Demirören Medya Gruppe, der eine Nähe zum türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan attestiert wird, nennt sich „Freiheit“. Auf gut türkisch: „Hürriyet“.
„Hürriyet“ – Auch in Deutschland aktiv
Die Postille ist auch hierzulande gut bekannt, nicht nur aufgrund ihrer deutschsprachigen Online-Ausgabe, die seit 2018 im südhessischen Mörfelden-Walldorf produziert wird (Betreiberin ist die Demirören Media International GmbH), sondern auch dadurch, dass sie – Print und Online – den Deutschen Presserat regelmäßig beschäftigt. Die „Hürriyet“ war 1994 die erste fremdsprachige Publikation, die das Gremium in seiner damals schon fast vierzigjährigen Geschichte öffentlich rügte; die Zeitung hatte einen Bürgermeister in die Nähe der kurdischen Terrororganisation PKK gerückt.
In die Nähe der Gülen-Bewegung gerückt
Nun gab es einen ähnlichen Fall. Die „Hürriyet“ berichtete über einen deutsch-türkischen Möbelhändler. Er soll im Zusammenhang mit dem Putschversuch 2016 in die Umsturzpläne eingeweiht gewesen sein und einen den Putschisten nahestehenden türkischen Staatsanwalt in seiner deutschen Villa versteckt haben. Damit wird ihm eine Nähe zur Fethullahçı Terör Örgütü (FETÖ, besser bekannt unter dem Namen „Gülen-Bewegung“) unterstellt.
Fake-News auf türkisch – und die Folgen
Das ist falsch. Und die Folgen dieser Falschmeldung sind beträchtlich: Freunde und Bekannte wenden sich ab, aus Angst, nun ebenfalls in den Fokus einer medial gesteuerten „Hexenjagd“ zu geraten, finanzielle Einbußen durch die angekratzte Reputation, ein Anschlag auf seine Geschäftsräume, der Mann hat Angst um seine Familie. In Summe ist diese Art der Berichterstattung also nicht nur geschäftsschädigend, sondern brandgefährlich; sie gefährdet nicht allein die wirtschaftliche Existenz des Möbelhändlers, sondern zudem seine Sicherheit und die seiner Familie.
Sieg auf ganzer Linie
Nachdem das Landgericht Frankfurt in der mündlichen Verhandlung klar zu verstehen gegeben hatte, dass es dem Möbelhändler voraussichtlich die geforderten Unterlassungs-, Richtigstellungs- und Geldentschädigungsansprüche zubilligen würde, einigten sich die Parteien vergleichsweise genau darauf. Über die Kostenverteilung ließen die Parteien das Gericht entscheiden, so dass das Landgericht Frankfurt am Ende doch noch in dem Kostenbeschluss, in dem es der Demirören Media International GmbH den überwiegenden Teil der Kosten des Verfahrens auferlegte, derart klare und eindeutige Worte finden konnte, wie es dies in der mündlichen Verhandlung bereits angedeutet hatte (LG Frankfurt, Beschluss v. 28.4.2022, Az.: 2-03 O 389/21). In diesen Tagen erscheint in der „Hürriyet“ die Richtigstellung, die hoffentlich im Leben des Geschädigten wieder etwas Ruhe einkehren lässt. Ein Sieg auf ganzer Linie.
Fazit: Es lohnt sich, gegen schier übermächtige Medienkonzerne zu klagen, wenn diese falsch berichten lassen. Und es ist in schwerwiegenden Fällen wie dem vorliegenden wohl auch geboten. Der Freiheit zuliebe.
(Offenlegung: LHR hat den Kläger vertreten.)
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.