Warum eine Auseinandersetzung mit Google nie ein gutes Ende nimmt: Eine bayerische Mutgeschichte
Ein Wirt des Herzoglichen Bräustüberl Tegernsee hat sich mit Google überworfen. Die Algorithmen des IT-Riesen zeigten irreführenderweise viel zu lange Wartezeiten an und das Lokal sah sich von den Diffamierungsfolgen finanziell bedroht.
Unterlassen hat Google die Anzeigen schon, sogar vor der anberaumten mündlichen Verhandlung. Die Sache ist aber vorerst nur unter den Teppich gekehrt: Warum das Ausweichmanöver von Google den Wirt und seine Branchenkollegen nicht einwandfrei freuen lässt.
Eine Bibelmetapher
Als die biblische Figur David den riesigen Goliat besiegen musste, sahen seine Chancen schlecht aus. Der zierliche David tötete dennoch seinen Rivalen mithilfe von Gott und eines Steins.
Ob Gott auf der Seite des Wirtes Peter Hubert gestanden hat, der das Herzogliche Bräustüberl Tegernsee gegen eine verleitende Google-Ansage verteidigte, ist noch – zumindest juristisch – unklar. Auf den ersten Blick sieht es nach einem Sieg aus: der Riese aus dem Silicon Valley fiel zwar nicht tot um, kapitulierte dennoch vorerst vor der Unterlassungsforderung von Hubert und sperrte die Funktion „Wartezeiten“ für den kulinarischen Hotspot am Tegernsee.
Irreführende Google-Algorithmen schreckten Besucher ab
Hintergrund: Auf Google waren für die Gaststätte irreführende, übermäßig lange Wartezeiten angegeben, die potenzielle Gäste vor einem Besuch abschreckten. Die langen Wartezeiten standen im Widerspruch zu den lobenden Gästebewertungen, die das Lokal für seinen zügigen Service weiterempfahlen, und vor allem zu den wahren Wartezeiten! Seit Frühjahr 2018 wehrte sich Peter Hubert gegen den Netzkonzern, anfangs vergebens. Doch insistierte er. Kurz vor der geplanten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I platzte der anberaumte Termin. Google erkannte den Unterlassungsanspruch des Wirtes an und der Streit wurde außergerichtlich beigelegt.
Doch ist der Sieg im nüchternen Licht noch schimärisch.
Das kunstvolle Ausweichmanöver
Indem Google den Anspruch anerkannte, ist der Konzern einer mündlichen Verhandlung kunstvoll ausgewichen. „Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.“ Dies sieht der § 307 ZPO vor.
Damit ist ein wichtiger Präzedenzfall verloren gegangen.
Ein echtes Urteil hätte im Interesse der Betroffenen viel Gutes bewirkt
Einerseits hätte das Gericht abklären können, inwiefern Google für durch eigene Algorithmen generierte falsche Inhalte haftet. 2013 hat der VI. Zivilsenat des BGH entschieden, dass eigene Google-Inhalte in Form von automatisierten Suchvorschlägen erst dann eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers auslösen, wenn dieser seine Prüfpflichten missachtet (BGH, Urteil v. 14.05.2013, VI ZR 269/12). Ob dies auch im Fall von fehlerhaften Algorithmen gelten soll oder ob sie vielmehr für sich genommen eine Haftung begründen, ist genauso unklar wie zuvor.
Andererseits hätte das Gericht auch die Frage beleuchten können, ob die Zustellung an eine deutsche Zweigstelle der Google LLC rechtmäßig ist. Peter Hubert und sein Anwalt Thomas Glückstein hatten die Klageschrift anfangs nach Hamburg geschickt, an die Google Germany GmbH, woher sie auf gleichem Wege auch relativ schnell zu ihrem Absender zurückkehrte. Begründung war: wer Google verklagen will, der hat es einzig und allein mit der Muttergesellschaft im Mountain View Kaliforniens zu tun.
Warum der Fall Peter Hubert anderen Gastgebern noch nicht die Angst vor Google nehmen kann
Die Zustellung in die USA ist extrem kostenträchtig (s. Übersetzung der Klageschrift) und außerdem zeitaufwendig. Dass sich auch andere Betroffene gegen den IT-Giganten trauen, ist aufgrund der damit einhergehenden Risiken ebenfalls genauso unwahrscheinlich wie zuvor.
Das ist eben der Clou: Peter Hubert ist nicht der einzige von Googles Falschangaben Betroffene. Ähnlich ergeht es mehreren Branchenmitgliedern, die sich solidarisch bei dem Wirt meldeten, als der Fall bekanntgemacht wurde. Für diese wäre die wegweisende Wirkung eines echten Gerichtsurteils von großer Bedeutung gewesen.
Nach Angaben von Frank-Ulrich John, Sprecher des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, gilt es in deren Interesse der aktuellen Lage nachzugehen und bei Bedarf sogar dezidiert in Aktion zu treten.
Für Wirte gilt es aus dem Fall Lektionen zu ziehen!
Der Fall veranschaulicht, wie die Digitalisierung vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen treffen kann und wie es die Not gebietet, dass gerade sie stets auf dem Laufenden bleiben! Ferner sehen wir in dem Fall höchst interessante juristische Fragen aufkeimen. Die der Digitalisierung immanenten Gefahren, etwa falsche Aussagen durch Algorithmen, könnten die Schutzreichweite des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb neu umschreiben. Bisher hat das Recht ganz feste Konturen und schützt nur vor gezielten Angriffen, etwa vor Boykottaufrufen. Wie ist es aber um diese ganz neuen Kategorien von fahrlässiger, dennoch stark folgenreicher Diffamierung bestellt? Bis wann sind maschinelle Fehler hinzunehmen?
Peter Hubert kann tief durchatmen
Bis dies in den Griff gekriegt wird, kann man sich zumindest über Einzelfall-Erfolge wie den Peter Huberts – reserviert – freuen und ein Tegernseer zum Wohl der Reputationswiederherstellung der bayerischen Gastfreundschaft trinken. Immerhin müsste das Herzogliche Bräustüberl Tegernsee nicht mehr um sein Klientel fürchten, zumal die erlittene Odyssee letztlich auch als gute Werbung für die flotte Bedienung fungiert hat! Prost!