Zur Zulässigkeit einer Google-Bewertung der Reaktion des Bewerteten auf eine Google-Bewertung
Ein Immobilienmakler, der zum Zwecke der Förderung seiner Geschäfte aktiv den Auftritt in einem Bewertungsportal gesucht hat, muss sich auch harte Kritik an seiner gewerblichen Leistung gefallen lassen. Über einen Fall, der das Bewertungsportal Google Places betrifft, hat nun das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht entschieden (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil v. 16.02.2022, Az. 9 U 134/21).
Kläger in dem Verfahren ist der Geschäftsführer einer Firma, die Ferienimmobilien vermietet, Klägerin eine Person, die auf dem Bewertungsportal registriert war. Der Beklagte hatte den Kläger auf Google Places bewertet, gab aber versehentlich unter dem Bewertungsprofil der weiteren Klägerin eine Ein-Stern-Bewertung ab. Diese lautete: „Arrogant und wenig hilfsbereit. Kein wirklicher Einsatz für einen potentiellen Käufer. Ich rate ab, auch für eventuelle Verkäufer.“
Unterlassungsklage nach Ein-Stern-Bewertung
Auf die Bewertung hin sendete die Klägerin dem Beklagten eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu. Zugleich begehrte sie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Danach nahm die Klägerin den Beklagten gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch.
Das Verfahren erster Instanz vor dem Landgericht endete mit einem gerichtlichen Hinweis, dass der Beklagte wohl die falsche Person bewertet habe. Das Gericht erließ ein Anerkenntnisurteil zu Gunsten der Klägerin. Die Bewertung wurde gelöscht. Danach gab der Beklagte in Bezug auf den Kläger eine neue Bewertung ab:
„Ich persönlich empfand Herrn Z. als arrogant und nicht hilfsbereit. Herr Z. sagte mir ‘Kunde ist man, wenn man gekauft hat’. Offensichtlich nicht vorher, so habe ich mich auch gefühlt.“
Auch in Bezug auf die Klägerin gab der Beklagte eine Bewertung ab:
„Verwechslung meinerseits bei Google Maps gab ich fälschlicherweise statt bei ‘Z. Immobilien X.’ eine Bewertung hier bei der ‘Z. Immobilien GmbH & Co. KG’ ab. Beide Unternehmen führt die gleiche Person auf. Statt mich kurz auf diesen Fehler aufmerksam zu machen, schrieb mich ein Anwalt mitsamt Rechnung an. Danach war ich Beklagter in einem Verfahren vor dem Landgericht. Ich denke, so ein Verhalten sagt mehr als tausend Worte.“
Kein Anspruch auf Unterlassung
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht urteilte, dass der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG auf Unterlassung habe. Die Erklärung des Beklagten, den Kläger persönlich als arrogant und nicht hilfsbereit empfunden sowie sich nicht als Kunde behandelt gefühlt zu haben, sei zwar geeignet, den Kläger sowohl in seinem allgemeinen sozialen Geltungsanspruch als auch in seiner Geschäftsehre zu verletzen.
Eingriff in eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Das Schutzinteresse des Klägers aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei aber mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Im konkreten Fall trete das Interesse des Klägers am Schutz seines sozialen Geltungsanspruchs hinter das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurück.
Das Gericht sah in der Bewertung des Beklagten auch einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Deren Recht an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und ihr sozialer Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen hätten jedoch ebenfalls hinter das Recht des Beklagten auf Meinungsstreit zurückzutreten. Die Klägerin habe deshalb gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG auf Unterlassung der streitgegenständlichen Erklärung wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Örtliche Verhältnisse und Netzkultur zu berücksichtigen
Bei Äußerungen im Internet, vor allem in Blogs und Foren, sei ein großzügigerer Maßstab anzulegen, „weil das Web kein Ort des Höflichkeitsaustausches“ sei und „die besondere Internetsprache zu berücksichtigen“ sei, so das Urteil. Diese sei „plakativ, provokativ und gerade in den sog. ‚Bewertungsportalen‘ meist aufs Extrem gerichtet“.
Der OLG-Zivilsenat sah in der Bewertung, die auf die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung Bezug nimmt, und in der Schilderung des nachfolgenden Zivilrechtsstreits Tatsachenbehauptungen. Den Satz „Ich denke, so ein Verhalten sagt mehr als tausend Worte“ und die schlechtmögliche Ein-Stern-Bewertung stufte das Gericht hingegen als Werturteil ein.
Weder überzogene Vorwürfe noch Mehrdeutigkeit in der Äußerung
Aus der Sicht eines objektiven Lesers sei die Erklärung des Beklagten nicht dahingehend aufzufassen, dass der „Vorwurf der Geld- bzw. Gebührenschneiderei ähnlich einem geschäftsmäßigen Abmahnwesen“ erhoben werde. Der Beklagte äußere lediglich sein deutliches Befremden darüber, dass man ihn nicht direkt kontaktiert oder im Netz reagiert habe, bevor man rechtlich gegen ihn vorging. Die Bewertung sei auch nicht auf Mehrdeutigkeit ausgelegt.
In der Erwähnung der anwaltlichen Kostennote sah das Gericht ebenfalls kein Problem. Damit sei ein „auch nur unterschwelliger Verweis auf ein missbilligtes Gebühreninteresse“ für den unbefangenen Leser nicht verbunden.
Gerichtsentscheidungen zu Bewertungskommentare gab es schon einige. Das Besondere an dieser ist die Vielfältigkeit der streitbefangenen Äußerungen, an denen sich das Gericht in seinem Urteil einzeln abarbeitet.