BGH: Haftung des Autors für die Übernahme unwahrer Online-Beiträge durch Dritte
Der BGH stellt in einem Urteil fest, dass Autoren nicht nur für eigene erweislich unwahre Online-Beiträge haftet. Darüber hinaus ist eine Haftung für die Weiterverbreitung durch Dritte gegeben. Neben dem Effekt, dass sich die Rechtsdurchsetzung für den durch den unwahren Online-Beitrag Betroffenen erleichtert, löst die Entscheidung allerdings auch erhebliche Rechtsunsicherheit aus.
Was war geschehen?
Bei dem Beklagten handelte es sich um einen Rechtsanwalt einer Anlegerschutzkanzlei. Der Beklagte strengte ein Verfahren gegen die Klägerin im Auftrag ihrer Aktionäre an. Sodann erschien auf der Webseite der Anlegerschutzkanzlei ein Beitrag des Beklagten, welcher erweislich unwahre Tatsachenbehauptungen enthielt. Das kommt leider häufiger vor. Bereits im Jahr 2016 berichteten wir über eine rechtswidrige Mandantenwerbung mit unwahren Tatsachenbehauptungen durch eine Anlegerschutzkanzlei, die wir für Mandanten bis zum BGH verfolgen mussten.
Nachdem der beklagte Anwalt seitens der Klägerin hinsichtlich des Online-Beitrags abgemahnt wurde, löschte dieser den Beitrag. Die Klägerin sah in dem Bericht ihr Persönlichkeitsrecht betroffen. Doch hatten bereits Dritte die Meldung übernommen, mit der Folge, dass die unwahren Tatsachenbehauptungen sich an weiteren Stellen im Internet wiederfanden.
Die Klägerin klagte zunächst bis zum OLG Hamburg. Dieses stellte fest, dass es dem Beklagten
nicht zuzumuten [sei], fremde Internetauftritte zu überprüfen.
Selbst wenn er von der Weiterverbreitung Kenntnis erlangt habe, habe er nicht auf die Löschung hinzuwirken. Zur Begründung führte das OLG aus, dass der Beklagte nicht die Möglichkeit habe, unmittelbar auf die Webseiten der Dritten zuzugreifen (OLG Hamburg, Urteil vom 08.07.2014 – 7 U 60/13).
Die Löschpflicht
Der BGH wiederrum erteilte in seinem Urteil (BGH, Urteil v. 28.7.2015, Az. VI ZR 340/14) dem OLG Hamburg eine Absage. Nach Ansicht des BGH kann der
geltend gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des Artikels zu bewirken, nicht vollumfänglich verneint werden.
Die Klägerin stehe zivilrechtlicher Ehrschutz zu. So könne sie den Beklagten, welcher vorliegend als Störer anzusehen ist, zur Beseitigung einer andauernden Rufschädigung grundsätzlich auch
auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen.
Dies ist dann der Fall, wenn die in dem Online-Beitrag verfassten Behauptungen sich als erweislich unwahr herausstellen, sodass sie in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen eingreifen. Eine Löschung ist darüber hinaus allerdings nur von Nöten, insofern sie geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar sei.
Haftung für die Weiterverbreitung durch Dritte
Nach Ansicht des BGH ist der Beklagte vorliegend als unmittelbarer Störer verantwortlich für die Beiträge Dritter. Unzweifelhaft steht fest, dass der ursprüngliche Beitrag von dem Beklagten stammt und dieser auch von ihm online gestellt wurde. Durch diese Veröffentlichung habe er eine internettypische Gefahr geschaffen. Denn
Meldungen im Internet [werden] typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert.
Somit sind die Verletzungen des Persönlichkeitsrechts der Klägerin auf diesen rückführbar. Eine Haftung für Inhalte Dritter ist damit gegeben.
Der Autor muss auf die Löschung „hinwirken”
Der BGH gibt dem OLG Hamburg insofern Recht, dass ein „Bewirken“ der Löschung dem Beklagten nicht möglich ist. Unter dem „Bewirken“ ist nämlich die Herbeiführung der Löschung zu verstehen. Allein der Umstand, dass der Beklagte nicht auf die Webseiten von Dritten zurückgreifen kann, macht ein solches „Bewirken“ unmöglich.
Doch schließe dies nicht aus, dass der Beklagte auf die Betreiber der Webseiten einwirken kann, um so ein Entfernen der unwahren Tatsachenbehauptungen zu veranlassen. Der Beklagte hat damit wenigstens auf die Löschung hinzuwirken.
Wie solche ein „Hinwirken“ auszusehen hat, ließ der BGH allerdings offen. Es sei zu berücksichtigen,
dass die Auswahl unter mehreren tatsächlich möglichen Abhilfemaßnahmen dem Störer überlassen bleiben muss. Dies hat seinen Grund darin, dass die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seiner Rechte es erfordert.
Die Auswirkungen der Entscheidung sind für den in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen günstig. So muss er nicht mehr alleine einzeln gegen jeden vorgehen, der die beeinträchtigende Meldung veröffentlicht hat. Vielmehr steht nun der Verbreiter der ursprünglichen Äußerung in der Pflicht, ihm bei der Beseitigung zu helfen. Der hat bei unwahren Tatsachenbehauptungen nun alle möglichen Weiterverbreitungen „zusammenzukehren“. Je nach Verbreitungsgrad ist hiermit ein immenser Kosten- und Zeitaufwand verbunden.
Wie muss das “Hinwirken” aussehen?
Die Entscheidung birgt allerdings eine erhebliche Rechtsunsicherheit in der Hinsicht, dass der BGH offenließ, was nun konkret ein „Hinwirken“ auf die Löschung umfasst.
- Welchen Inhalt muss eine entsprechende Löschungsaufforderung haben?
- Müssen gerichtliche Schritte angedroht werden?
- Auf welcher Grundlage ist dies überhaupt möglich? (eigenes Persönlichkeitsrecht, Urheberrecht?)
- Hat sich der Autor einmal oder mehrfach an den Dritten zu wenden?
- Muss er sich hierbei mehrerer Kommunikationskanäle, zum Beispiel neben einem Schreiben, auch E-Mail oder Telefon, bedienen?
Das Risiko, dass seine Abhilfemaßnahmen nicht genügen, trägt allerdings der Verbreiter.
Haftet der Autor auch auf Schadensersatz für die Weiterverbreitung Dritter?
Nicht selten kommt es vor, dass illegale Äußerungen zum Beispiel aus dem Finanzsektor auf aus dem Ausland betriebenen Webseiten weiterverbreitet werden. In diesem Fall werden (scheinbare) Bemühungen des Autors, auf eine Löschung hinzuwirken, keinen Erfolg haben.
Hier stellt sich die Frage, ab wann der Autor der Tatsachenbehauptung, der wie im vorliegenden Falle von der Werbewirkuung der weiterhin im Netz abrufbaren Nachricht profitiert, dem Verletzten auch für die Drittveröffentlichungen sogar auf Schadensersatz haftet, wenn ihm die Beseitigung nicht gelingt.