Es könnte wirklich alles so einfach sein, wenn man sich bloß an seinen gesunden Menschenverstand hält.
Kurz vorm Kiosk mit dem Heck in der Einfahrt halten, weil man dringend Fruchtgummis benötigt: Irgendwie erlaubt. Drei Stunden mit Warnblinkanlage vor der Einfahrt auf der Straße parken, während man in aller Seelenruhe im Restaurant nebenan Pizza isst: Ganz sicher nicht erlaubt. Im Supermarkt jede Avocado einmal andrücken, um die perfekte Konsistenz für die Guacamole zu finden: Leider erlaubt. Ein halbes Pfund Weintrauben abzupfen, bevor man satt zur Kasse geht: Nicht erlaubt. Sich den ganzen Tag hinter den Türspion hängen, um zu beobachten, welche Nachbarn wann nach Hause kommen und darüber Buch führen: Wohl oder übel erlaubt.
Eine Kamera im Treppenhaus ohne Einwilligung der Mieter anbringen und Gespräche mitschneiden: Na? Richtig.
Doch anscheinend sind solche recht einfachen Regeln für gutes Zusammenleben nicht für jedermann selbstverständlich. Wären sie das, hätten Richter und Anwälte wohl deutlich mehr Freizeit. Und ich auch, aber das nur am Rande.
LG Essen fällt Urteil über Videoaufzeichnung im Treppenhaus
Das Landgericht Essen hatte nun einen dieser speziellen Fälle auf dem Tisch. Ein Wohnungseigentümer hat aufgrund von Streitigkeiten mit seinen Nachbarn eine Kameraattrappe sowie eine echte Videokamera aufgestellt. Mit den Aufnahmen wollte der Wohneigentümer „heimliche Aktionen“ seiner Nachbarn vor seiner Haustür aufzeichnen. Ebenso irritiert war der Wohneigentümer über angeblich „Fremde“, die der Nachbar mit durch den Hausflur führte.
Es ist schon eine echte Frechheit, wenn Nachbarn es sich erlauben, einfach unangekündigt Besuch durch den Hausflur zur Wohnung gehen zu lassen, ohne diesen vorher mit ihm – dem Wohnungseigentümer – abzusprechen. Dass sich diese Nachbarn nun auch noch einem „ständigen Überwachsungsdruck“ durch die Kameraattrappe, die rot blinkt, ausgesetzt fühlen, ist absolut nicht nachvollziehbar. So oder so ähnlich müssen die Gedanken des Wohneigentümers gewesen sein. Er beantragte nämlich die Abweisung der Klage seines Nachbarn. Klar.
Videoaufnahmen und Kameraattrappe unzulässig
Das LG Essen fällte kein überraschendes Urteil: Der beklagte Wohneigentümer müsse nicht nur die Kameraattrappe und die Videokamera abbauen und alle Aufnahmen löschen, sondern trage selbstverständlich auch die Kosten für dieses überflüssige Verfahren. (LG Essen, Urteil v. 30.01.2019, Az. 12 O 62/18)
Gäbe es Richterin Barbara Salesch auf RTL noch, das hier wäre passender Stoff für die nächste Sendung.
Der Beitrag stammt von unserer freien Autorin Katharina Reber. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.