Viele Politiker tätigen zu Lebzeiten etliche Äußerungen, die auch später noch auf großes Interesse in der Gesellschaft stoßen. So auch bei dem damaligen CDU-Politiker Dr. Helmut Kohl. Bereits vor seinem Tod klagte der Politiker wegen eines Buches über ihn und seine Äußerungen. Allerdings erlebte er das Ende des Rechtsstreits nicht mehr, da er im Jahre 2017 verstarb. Kann nun seine Witwe die ihm zustehende Entschädigung fordern?
Nein. Denn der Bundesgerichtshof verneint letztlich deren Vererblichkeit.
Millionenentschädigung?
Im Jahre 2014 hatten die Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens im Heyne Verlag ihr Buch mit dem Titel „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ veröffentlicht. Schwan war für das Verfassen des Buchs von Altkanzler Kohl selbst engagiert worden, weswegen die beiden lange Gespräche führten. Daraufhin nutzte Schwan nach Abschluss der Memoiren Material aus diesen Gesprächen für sein sehr umstrittenes Buch „Vermächtnis“, gegen das Helmut Kohl noch Klage einreichte, kurz bevor er starb. Er war der Meinung, dass ihn das Buch in insgesamt 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze. Aus diesem Grund klagte er einerseits auf Unterlassung und andererseits auf Entschädigung gegen die Autoren sowie gegen den Verlag. Außerdem erstritt der Altkanzler in anderen Verfahren, dass er die Tonbänder, die bei diesen Gesprächen mit Schwan zu seinen Memoiren entstanden, erhielt und behalten durfte.
Bei der nunmehrigen Klägerin handelt es sich um die Witwe und Alleinerbin des im Juni 2017 und damit während des Berufungsverfahrens verstorbenen vormaligen Klägers, die den Rechtsstreit fortführt.
Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Das Landgericht Köln (LG Köln, Urteil v. 27.04.2017, Az. 14 O 323/15) gab Helmut Kohl noch Recht und verurteilte die beiden Autoren und den Verlag gesamtschuldnerisch zur Zahlung einer Entschädigung von einer Millionen Euro. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Doch dann kam der Wendepunkt. Die Witwe des Altkanzlers ging in Berufung, woraufhin das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Urteil v. 29.05.2018, Az. 15 U 64/17) die Klage vollumfänglich abwies. Zur Begründung führten die Richter aus, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich. Daher sei der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers erloschen.
Doch das ließ die Witwe nicht auf sich sitzen. Sie wendete sich hiergegen mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision und begehrte weiterhin eine Geldentschädigung von mindestens 5 Millionen Euro. Doch auch der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 29.11.2021, Az. VI ZR 248/18, Az. VI ZR 258/18) entschied – und das gleich zwei Mal -, dass die Witwe von Helmut Kohl als Erbin keinen Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat, da ein solcher Anspruch gerade nicht vererblich sei, was auch der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung entspreche. Durchgreifende Gründe, diese Rechtsprechung aufzugeben, sah der Senat nicht. Schließlich lagen im Streitfall auch keine besonderen Umstände vor, die ausnahmsweise zu einer Vererblichkeit hätten führen können. Insbesondere werde der Geldentschädigungsanspruch nicht dadurch vererblich, dass er dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten zugesprochen wird, wenn das entsprechende Urteil bei Eintritt des Todes – wie in diesem Fall – noch nicht rechtskräftig ist.
Weiter liege die Funktion des Anspruchs in erster Linie in der Genugtuung, welche einem Verstorbenen aber offensichtlich nicht mehr verschafft werden könne, betonen die Richter. Danach kam das Gericht zu dem Entschluss, dass Kohls Witwe in diesem Fall leer ausgeht.
Zwei auf einen Streich
Zwar hatte auch die Klage auf Unterlassung damals vorerst Erfolg. Zunächst scheiterte er jedoch erst einmal vor dem Landgericht Köln bei dem Versuch, das ganze Buch verbieten zu lassen, konnte jedoch eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht erwirken, die dann auch das Oberlandesgericht bestätigte. Letztlich bestätigte das Landgericht den Anspruch dann auch in der Hauptsache. Mit der Begründung, dass gegen Schwan bereits der Unterlassungsanspruch aus der Verschwiegenheitsvereinbarung erfolge, die Kohl und Schwan im Rahmen der Gespräche zu den Memoiren geschlossen hatten. Gegen Jens und den Verlag wiederum sah das Gericht den Anspruch in den §§ 823 Abs. 1, 830, 1004 Abs. 1 S. 2 des Bürgerliche Gesetzbuches (BGB) analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) begründet. Das aus dem Grund, dass die betroffenen Textpassagen den Altkanzler in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen.
Das Oberlandesgericht Köln wies die dagegen gerichtete Berufung Schwans zurück. So sah auch die zweite Instanz einen Anspruch auf Unterlassung, der aus der Verschwiegenheitsvereinbarung folge. Diese Verpflichtung dauere fort und könne auch nach dem Tod des vormaligen Klägers durch die Klägerin geltend gemacht werden. Die Revision ließ das Oberlandesgericht insoweit nicht zu, woraufhin Schwan eine Nichtzulassungsbeschwerde erhob, die der Bundesgerichtshof jedoch bereits zurückwies.
Anders sah es hingegen im Rahmen der Berufungen des zweiten Autors Jens und des Heyne Verlags aus. Denn diese waren vor dem Oberlandesgericht teilweise erfolgreich. Zwar treffe auch diese beiden eine Unterlassungspflicht hinsichtlich Kohls postmortalen Persönlichkeitsrechts. Allerdings beziehe sich diese lediglich auf die (angeblichen) wörtlichen Zitate, sowie die Wiedergabe dieser. Doch auch dagegen legte der Autor und der Verlag Revision ein, wobei der Autor Jens mittlerweile ebenfalls verstorben ist und der Rechtsstreit mit seinen Erbinnen und Erben unterbrochen ist. Auch Kohls Witwe legte hiergegen Revision ein und begehrte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Wie weit geht der postmortale Persönlichkeitsschutz?
Gegenstand des nun verkündeten Urteils war allein noch der gegen den Verlag gerichtete Unterlassungsanspruch. Die Revision des Verlags, als auch die der Klägerin hatte teilweise Erfolg.
Der von der Klägerin geltend gemachte, deliktische Unterlassungsanspruch gegenüber dem Verlag, mit dem der vormalige Kläger anders als mit Schwan keine Verschwiegenheitsvereinbarung über den Tod hinaus getroffen hatte, beschränkt sich auf die Veröffentlichung und Verbreitung von im Buch vorhandenen Fehlzitaten, da nur dadurch das Persönlichkeitsrecht verletzt würde. Im Übrigen bestünde gerade keine Unterlassungspflicht für den Verlag. Eine solche Pflicht folge „insbesondere nicht daraus, dass der vormalige Kläger einer Veröffentlichung einiger Aussagen schon im Rahmen der Memoirengespräche ausdrücklich widersprochen hatte („Sperrvermerkszitate“), noch daraus, dass die Wiedergabe wörtlicher Zitate eine unzulässige „bildnisgleiche“ bzw. „intensive“ Verdinglichung seiner Person darstellte”, so der BGH. Soweit sich die Zitate jedoch als zutreffend beurteilen lassen, dürfe der Verlag dies auch drucken – auch wenn der Altkanzler das zu irgendeiner Zeit nicht gewollt habe. Soweit sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob das jeweilige Zitat richtig oder falsch ist, hat der BGH die Sache an das OLG zurückverwiesen, damit die noch fehlenden Feststellungen dort getroffen werden können.
„Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“
Nun ist das Urteil also rechtskräftig. Der einzige Weg, der noch möglich ist lautete: Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. So könnte man dem Gericht Gelegenheit geben, diese Rechtsprechung seinerseits nochmal zu überdenken.