Google Earth ist eine riesige Orientierungshilfe. Wer in eine neue Stadt zieht oder einen bestimmten unbekannten Ort aufsucht, schaut sich die Welt von oben an. Doch was so positiv klingt, hat auch seine Schattenseiten.
Die Privatsphäre leidet. Nicht jeder möchte das akzeptieren. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen steht im Spannungsverhältnis zu Google´s Berufsfreiheit und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
Zur Beantwortung der spannenden Frage, welchem grundrechtlich geschütztem Interesse im Einzelfall der Vorzug gebührt, liegt nun eine interessante Entscheidung des LG Itzehoe vor (LG Itzehoe, Urteil v. 11.06.2020, Az. 10 O 84/20).
Das Gericht entschied nach einer grundrechtlichen Güterabwägung, dass ein Kläger kein Recht auf Verpixelung seines Grundstücks in Google Earth hat.
Sachverhalt
Der Kläger klagte auf Unkenntlichmachung durch Verpixelung eines von ihm bewohnten Grundstücks im Onlinedienst Google Earth. Bei Google Earth, das u.a. über die Internetseite https://www.google.de/maps abrufbar ist, ist die Welt von oben abgebildet und kann von jedermann betrachtet werden. Dabei findet keine „Echtzeit-“, sondern eine Einmaldarstellung statt. Auf der Aufnahme ist das Grundstück in mittelmäßiger Bildqualität frontal von oben abgebildet. Es sind die Dächer des Hauses und die Gartenanlage zu sehen. Personen, Fenster und Türen sind nicht erkennbar. Soweit die Adresse bei Google Maps eingegeben wird, landet der Marker auf der Straße zwischen vier Grundstücken. Eine genaue Zuordnung zu dem Grundstück ist dadurch nicht möglich. Diese findet lediglich bei Eingabe der Koordinaten statt; dann zeigt der Marker direkt auf das konkrete Grundstück.
Das Landgericht Itzehoe hat die Klage abgewiesen.
Richter sehen Eingriff ins allgemeine Persönlichkeitsrecht
Die Richter bajahten zwar einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 I, 1 I GG. Dieses erfasse auch das Recht, sich in seinen privaten Bereich zurück zu ziehen.
Eingriff in Privatsphäre aber gerechtfertigt
Nach Auffassung des Gerichts ist der Eingriff im vorliegenden Fall jedoch gerechtfertigt. Zu diesem Ergebnis kam es nach Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen. Das Recht von Google auf Informationsfreiheit, die auch das Bereitstellen von Informationen aus Art. 5 Abs. 1 GG erfasse, sowie das Recht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 GG, überwiege den Eingriff in die Privatsphäre.
Privatsphäre nur geringfügig tangiert
Auf der Aufnahme seien weder Personen noch sonstige Details aus dem Privatleben und der Lebensgestaltung des Klägers und seiner Familie erkennbar. Ein Einblick in das Haus selbst oder Zugänge in das Haus, was für Einbrecher interessant sein könnte, seien nicht gegeben. Auch habe die Beklagte das Grundstück nicht „ausgespäht“, um Informationen über den Kläger oder seine Familie zu erhalten und diese zu veröffentlichen. Vielmehr sei lediglich das zu sehen, was von jedermann auch aus einem Flugzeug oder Helikopter zu sehen gewesen wäre. Darüber hinaus habe die Beklagte keine Verknüpfung von Daten des Klägers, wie seinem Namen mit der Adresse, vorgenommen.
Informationsfreiheit und Berufsfreiheit überwiegen
Auf der anderen Seite biete die Beklagte einen Dienst an, der es jedermann ermögliche, sich ein Bild von der Welt von oben zu machen. Das öffentliche Interesse, sich die Informationen über diesen Dienst zu beschaffen, sei im Rahmen von Art. 5 GG mit zu berücksichtigen.
Ein Anspruch auf Verpixelung von Grundstücken ohne weitergehenden Eingriff in die Privatsphäre im Einzelfall würde zu einer Unbrauchbarmachung des Dienstes führen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Bewertung des Urteils
Zu Recht geht das Landgericht Itzehoe davon aus, dass eine anderslautende Entscheidung nicht mit der Berufsfreiheit von Google vereinbar wäre. Würde jeder noch so kleine Eingriff in die Privatsphäre ein Recht auf Verpixelung begründen, wäre Google langfristig gezwungen seinen Dienst einzustellen.
Festzuhalten bleibt die wichtige Erkenntnis, dass im Einzelfall die Güterabwägung freilich auch anders ausfallen kann. Sollte Google empfindliche Details aus der Privat- oder gar Intimsphäre preisgeben, kann ein Anspruch auf Verpixelung rechtlich nur schwer verwehrt werden.