In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein ehemaliges Mitglied der Partei Alternative für Deutschland (AfD) den baden-württembergischen AfD-Landesvorsitzenden in einer an andere Parteimitglieder adressierten E-Mail als Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke und Gauner betitelt. Dagegen wandte sich der so Betitelte mit einem auf Unterlassung gerichteten Eilantrag an das Landgericht Baden-Baden.
Landgericht untersagte die Bezeichnungen – Oberlandesgericht sieht dies anders
Das Landgericht Baden-Baden untersagte dem ehemaligen AfD-Mitglied die beanstandeten Äußerungen und gab dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung statt (Urt. v. 29.09.2014, Az.: 4 O 128/14).
Die dagegen eingelegte Berufung des E-Mail-Verfassers hatte dann jedoch vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe Erfolg. Am 15.01.2015 (Az.: 6 U 156/14) urteilte das Gericht, der baden-württembergische AfD-Landesvorsitzende müsse in diesem Fall die Betitelung als Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke und Gauner in der streitgegenständlichen E-Mail hinnehmen. Ein Unterlassungsanspruch bestehe nicht.
Oberlandesgericht sieht in den Bezeichnungen keine Schmähkritik
Anders als das Landgericht sahen die Richter in Karlsruhe keine Schmähkritik. Damit seien die Äußerungen gerade nicht ohne Abwägung der widerstreitenden Interessen der beiden Parteien unzulässig.
Den Begriff der „Schmähkritik“ hat der Bundesgerichtshof soweit ersichtlich erstmals in der sogenannten Höllenfeuer-Entscheidung verwendet (BGH NJW 1066, 1617, 1619), ohne selbigen dort zu erläutern. Anerkannt ist es nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass eine Schmähkritik nicht schon in einer überzogenen, ungerechtfertigten oder gar ausfälligen Kritik liegt. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll. Damit setzt die Rechtsprechung die Grenzen der Schmähkritik sehr hoch an. Gerade aufgrund der die Meinungsfreiheit verdrängenden Wirkung der Schmähkritik ist diese eng auszulegen. Denn wird eine Äußerung als Schmähkritik klassifiziert, ist ohne jegliche Abwägung der widerstreitenden Interessen des Persönlichkeitsrechts und der Meinungsfreiheit, die jeweilige Äußerung unzulässig.
Gerade deshalb wird bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage die Schmähkritik nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt sein. So hat es das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach in der Vergangenheit entscheiden (BVerfG NJW 1993, 1845, 1846; BVerfG 1995, 3303; BVerfG NJW 1999, 204). Genauso sahen es im vorliegenden Fall auch die Karlsruher Richter und betonten dies in ihrem Urteil. Auch von dem wesentlichen Merkmal einer Schmähung, eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung, könne keine Rede sein, so die Richter weiter.
Vermutung spreche mit Blick auf die Meinungsfreiheit für die Zulässigkeit der Äußerungen
Im Rahmen der nach Verneinung des Vorliegens einer Schmähkritik gebotenen Abwägung dürften die angegriffenen Äußerungen nicht isoliert betrachtet werden, entschieden die Karlsruher Richter. Vielmehr müssten auch die in der streitgegenständlichen E-Mail gesetzten Links berücksichtigt werden. Dort beanstandete der Versender der E-Mail den Ablauf der Wahl des baden-württembergischen AfD-Landesvorsitzenden auf den dritten Listenplatz der AfD bei der Europawahl sowie die Durchführung des Gründungsparteitages. Vor diesem Hintergrund handele es sich bei den angegriffenen Äußerungen ihrem Sinn und systematischen Zusammenhang nach um die kritisierten parteiinternen Vorgänge zusammenfassende, bewertende Stellungnahmen. Im Ergebnis spreche demnach eine Vermutung mit Blick auf die Meinungsfreiheit für die Zulässigkeit der Äußerungen.