Unter der Domain “wir-sind-afd.de” sind zurzeit Zitate von AfD-Politikern veröffentlicht. Die AfD sieht sich hierdurch in ihrem Namensrecht, einer besonderen Ausprägung des Persönlichkeitsrechts, verletzt. Das LG Köln gab der AfD recht. Das OLG Köln hat in einem aktuellen Beschluss mitgeteilt, dass es gedenke, die gegen das Urteil des LG Köln eingelegte Berufung zurückzuweisen. Eine – genau wie das erstinstanzliche Urteil – denkwürdige Entscheidung.
Ein Berliner Blogger hatte sich im Jahr 2015 die Domain “wir-sind-afd.de” gesichert. Unter dieser Domain betreibt er auch aktuell noch (das Urteil des Landgerichts Köln ist noch nicht rechtskräftig) eine Webseite, auf der er Originalzitate von AfD-Politikern samt Quellenangabe veröffentlicht. Im ersten Absatz fand sich die folgend Äußerung:
“Wir sind AfD (Symbol: nach unten gerichteter roter Daumen) Wir sind eine rechtsextreme, rassistische, menschenverachtende Partei und wir wollen in den Deutschen Bundestag.”
Die AfD sah sich durch die Domain in ihrem Namensrecht, einer besonderen Ausprägung des Persönlichkeitsrecht, verletzt und erhob im Mai 2017 Klage vor dem Landgericht Köln. Das Landgericht Köln verkündete am 06.02.2018 sein Urteil und gab der AfD recht (LG Köln, Urteil v. 06.02.2018, Az. 33 O 79/17).
Wir berichteten:
OLG Köln bekräftigt Entscheidung des LG Köln
Das Oberlandesgericht Köln teilt unsere Bedenken diesbezüglich offenbar nicht. Uns liegt ein aktueller Beschluss des OLG vor, in dem es ankündigt, die gegen das Urteil des Landgerichts Köln eingelegte Berufung einstimmig zurückweisen zu wollen. Die Berufung habe nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (OLG Köln, Beschluss v. 6.8.2017, Az. 7 U 85/18, hier als PDF abrufbar).
Du zusätzlich zur Entscheidung des Landgerichts vorgetragenen Argumente des OLG-Senats, die Namensträger für ähnliche Fälle für sich nutzbar machen können, lauten stichpunktartig wie folgt:
- Die Bezeichnung “AfD” ist als Kurzbezeichnung gem. § 12 BGB als Name der der Partei geschützt.
- Durch die Verwendung der Domain wir-sind-afd.de liegen eine Zuordnungsverwirrung und damit eine unberechtigte Namensanmaßung vor
- Es ist unerheblich, dass die AfD unter afd.de bereits eine eigene Homepage betreibt oder, ob sie die konkrete Domain selbst nutzen möchte
- Der Inhalt einer Seite ist für die Zuordnungsverwirrung durch die Domain dem Grunde nach unerheblich
- Eine geringer Grad an Zuordnungsverwirrung kann sich nur innerhalb einer Interessenabwägung auswirken
- Die Interessenabwägung fällt im konkreten Fall zugunsten der AfD aus
- Die Meinungsfreiheit ist nicht tangiert: Bei “wir-sind-afd.de” handelt sich nicht um Satire, der Blogger kann seine Meinung auf andere Weise kundtun
Die Entscheidung ist kritikwürdig
Wir hatten bereits damals Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung angemeldet. Auch die Ausführungen des OLG überzeugen an der entscheidenden Stelle nicht.
Denn bereits im Jahr 2003 entschied der BGH, dass eine Zuordnungsverwirrung als gering anzusehen ist, wenn sich der Irrtum über die Identität des Webseitenbetreibers bereits durch das Öffnen der Homepage rasch beseitigen lasse. Es komme dann in besonderem Maße auf die Beeinträchtigung der Interessen des Namensinhabers an (BGH, Urteil v. 26.06.2003, Az. I ZR 296/00).
Die Aktionsseite ist – genau wie die AfD – eine Mogelpackung
Die Interessen der AfD sind nach unserer Ansicht vor dem Hintergrund der konkreten Gestaltung der Seite und dem Umstand, dass diese (auch) dem politischen Meinungskampf dient, nicht sehr gewichtig.
Denn die Pointe der Seite wir-sind-afd.de ist die damit transportierte Kritik an der Außendarstellung der AfD: Sie bemüht sich nämlich um den Anschein, sie vertrete aus der Mitte der Gesellschaft stammende Ansichten, während zahlreiche – auf der Seite ebenfalls ersichtliche – Zitate wichtiger Protagonisten der Partei eine ganz andere Sprache sprechen.
Genau diese Kritik bringt die Seite in ihrer Gesamtheit (und darauf ist unserer Meinung nach ausschließlich abzustellen) durch ihre Gestaltung auf den Punkt.
BGH, Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte könnten noch ran
Der beklagte Blogger kann nun noch einmal zu der beabsichtigten Zurückweisung vortragen. Erfolgsversprechend ist dies allerdings in dieser Instanz nicht, da sich Richter, die einmal mal zu einer bestimmten Entscheidung gelangt sind, naturgemäß nur schwer oder nur mit ganz neuen Aspekten überzeugen lassen.
Da das Oberlandesgericht die Revision nicht zugelassen hat, bleibt ihm noch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. Die Schwierigkeit hierbei liegt darin, dass in diesem Rahmen die Entscheidung nicht auf Richtigkeit überprüft wird, sondern erforderlich ist, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert. Sprich: Sogar wenn die Entscheidung falsch sein sollte, könnte eine Nichtzulassungsbeschwerde scheitern.
Letztendlich könnte die Sache noch vor dem Bundesverfassungsgericht landen oder sogar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden werden.
Das hat letzterer in anderen Fällen, wie zum Beispiel im “Caroline”-Fall auch schon zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland getan. Im Jahre 2004 wurde damit die gesamte deutsche Rechtsprechung bezüglich Personen der Zeitgeschichte und deren Privatsphäre bis hin zum Bundesverfassungsgericht hinfällig. Die Bundesrepublik Deutschland zahlte Caroline im Jahre 2005 zudem Schadensersatz wegen nicht ausreichenden Schutzes durch die deutschen Gerichte und zusätzlich eine Kostenerstattung. Insgesamt belief sich die Zahlung auf 115.000 Euro.