OLG Schleswig-Holstein: Instagram bei Persönlichkeitsrechtsverletzung zu Auskunft über User verpflichtet

In einem Fall, in dem eine Instagram-Nutzerin durch einen Fake-Account beleidigt wurde, hat das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein einen Auskunftsanspruch der Betroffenen bejaht (OLG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 23.02.2022, Az. 9 Wx 23/21).

Der Nutzeraccount „X_wurde_gehackt“ hatte bei Instagram Kommentare über die Antragstellerin eingestellt. Ebenso veröffentlichte der Account Fotos, die die Antragstellerin darstellen sollten und ihr Äußerungen zuschrieben, die den Eindruck hervorriefen, sie sei an sexuellen Kontakten interessiert und, so eine Äußerung, eine „Schlampe“. Das Gericht wertete die Kommentare und das Einstellen der Fotos im Zusammenhang als Beleidigung im Sinne von § 185 Strafgesetzbuch und als Persönlichkeitsrechtsverletzung. Durch den Inhalt des Nutzeraccounts würden absolut geschützte Rechte der Antragstellerin rechtswidrig verletzt. Durch den Fake-Account werde außerdem suggeriert, dass die Antragstellerin „gehackt“ worden sei, ihr Nutzerprofil also dem Zugriff fremder Dritter ausgesetzt gewesen sei.

Erkennbarkeit gegeben

Die Antragstellerin sei nicht nur erkennbar gewesen, sondern sei auch tatsächlich erkannt worden. Aus einem dem Gericht vorgelegten Chat der Antragstellerin mit ehemaligen Mitschülerinnen gehe hervor, dass „jemand aus der Klasse“ den Account „gefunden“ habe. Also, dass dieser als Account der Antragstellerin identifiziert wurde und Thema von Gesprächen unter den ehemaligen Klassenkameraden war. Der Inhalt des falschen Accounts habe zu Spekulationen unter ihren ehemaligen Mitschülern geführt. Die Antragstellerin sei auch von einer Chatpartnerin darauf angesprochen worden, ob es sich um ihren Account handele. Dieser sei „für eine erhebliche Anzahl von Personen erkennbar gewesen bzw. von diesen erkannt worden“, so das OLG Schleswig-Holstein. Damit sei eine Zuordnung des Accounts zur Antragstellerin erwiesen. 

Auskunftserteilung zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche

Eine Auskunftserteilung durch Instagram sei erforderlich, damit die Antragstellerin ihre Rechte gegenüber dem unbekannten Dritten zivilrechtlich geltend machen könne. Die Antragstellerin wisse nicht, wer das verfahrensgegenständliche Nutzerkonto erstellt habe. Da sie auch keine andere Möglichkeit habe, dies herauszufinden, sei sie auf die Auskunft durch die Social-Media-Plattform Instagram angewiesen.

Bestandsdaten, aber keine Nutzungsdaten

Die Auskunft umfasse die bei der Beteiligten vorhandenen Bestandsdaten, nicht aber die Nutzungsdaten. Bestandsdaten sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) die personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich ist. Dazu zählen der Name des Nutzers, seine E-Mail-Adresse und Telefonnummer, nicht aber die IP-Adressen, über die ein Inhalt hochgeladen wurde. Hierbei handelt es sich vielmehr um  Nutzungsdaten im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TTDSG, danach sind Nutzungsdaten die personenbezogenen Daten eines Nutzers von Telemedien, deren Verarbeitung erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen.

Keine spezielle Rechtsgrundlage für Telemedien

Es existiere aktuell keine Rechtsgrundlage für Nutzungsdaten betreffende Auskunftsansprüche von Privatpersonen gegenüber Telemedienanbietern, führt das OLG Schleswig-Holstein in seinem Beschluss aus. Betroffenen bleibe nur der Weg über eine Strafanzeige. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Landgerichts bedürfe es nach der aktuellen Fassung des § 21 TTDSG (wie schon in der ab 03.06.2021 geltenden Fassung des § 14 Abs. 3 S. 2 Telemediengesetz) keines gesonderten materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs der Antragstellerin gegenüber Instagram.

Eigenständiger Auskunftsanspruch aus TTDSG

Vielmehr ergebe sich aus § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG, dass Instagram gegenüber der Antragstellerin zur Auskunft verpflichtet sei, sofern die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 S. 1 TTDSG vorlägen. In der Norm sei ein „eigenständiger materiell-rechtlicher Anspruch“ zu sehen. Es gebe auch keine Bedenken in Bezug auf die Vereinbarkeit von § 21 TTDSG mit den Normen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH), so das OLG, handle es sich bei § 21 TTDSG um eine Rechtsvorschrift im Sinne des Artikels 6 Abs. 4 DSGVO (BGH, Beschluss v. 24.09.2019, Az. VI ZB 39/18). § 21 Abs. 2 TTDSG diene der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche und verfolge damit ein in Artikel 23 Abs. 1 lit. j DSGVO genanntes Ziel, welches nationale Normen erlaube, welche die Pflichten und Rechte aus den Artikeln 12 bis 22 und 34 DSGVO beschränken.

Betroffene von Beleidigungen in sozialen Netzwerken haben es oft schwer, an die Daten der Urheber heranzukommen. Der Beschluss des OLG Schleswig-Holstein stellt klar, dass § 21 TTDSG als DSGVO-konforme Rechtsgrundlage ausreichend für derartige Auskunftsersuchen ist.

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