LG Offenburg: Pocher-Beitrag verletzt nicht Persönlichkeitsrechte von Boris Becker
Das Landgericht Offenburg hat entschieden, dass ein Fernsehbeitrag des Komikers Oliver Pocher mit dem Titel „Make Boris R!ch Again“ nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Tennisstars Boris Becker verstößt (LG Offenburg, Urteil v. 15.11.2022, Az. 2 O 20/21).
Oliver Pocher moderierte in einer Ausgabe seiner Sendung einen Beitrag an, in dem es um einen „Spendenaufruf“ für Boris Becker ging. In England, wo Becker seinen Wohnsitz hatte, wurde ein Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet. Dies war auch Gegenstand von Medienberichterstattung.
Pochers Beitrag zeigte zunächst im Rückblick, dass in Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren versucht worden sei, in den vorangegangenen Ausgaben der Sendung „Spenden“ für Becker zu sammeln. Im Beitrag hieß es weiter, dass Reporter der Sendung erfolglos versucht hätten, den im Rahmen des „Spendenaufrufs“ eingesammelten Geldbetrag zu übergeben. Es wurden Überlegungen angestellt, wie man Becker das Geld zukommen lassen könnte.
Erfundener Modeaward
Die Überlegung im Beitrag war, Becker einen neu geschaffenen Modepreis mit der Bezeichnung „F. B. Award“ zu überreichen. In der Preistrophäe solle dann das aus den „Spenden“ stammende Bargeld versteckt und dieses Becker unwissentlich überlassen werden. Der Beitrag zeigte schließlich eine Aufzeichnung der per Videokonferenz erfolgten Preisverleihung an Becker. In deren Rahmen wurde Becker nicht darüber aufgeklärt, dass der Preis eigens für ihn geschaffen wurde, um ihm den Geldbetrag in Höhe von 413,34 Euro zukommen zu lassen.
Die Aufzeichnung der Preisverleihung und die Veröffentlichung der Aufnahmen waren mit Becker abgestimmt. Becker ging jedoch davon aus, dass es sich bei dem „F. B. Award“ tatsächlich um eine Aufzeichnung im Modebereich handele und ihm der Preis durch die Jury des „G.-Verlages“ für seine Modekollektion verliehen werden solle.
Beckers Anwalt forderte den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und verlangte die Löschung des Films auf den Präsenzen des Beklagten in sozialen Medien. Pocher machte daraus einen weiteren Filmbeitrag, der auf Instagram veröffentlicht wurde.
Einwilligung nach Täuschung?
Becker beklagte vor Gericht, es sei für Außenstehende nicht erkennbar gewesen, dass es sich bei dem gesamten Sachverhalt lediglich um ein „Schauspiel“ gehandelt habe. Er sei durch den Filmbeitrag sowohl beleidigt als auch in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Eine Einwilligung in die Veröffentlichung von Filmaufnahmen sei weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt. Jegliche diesbezügliche Willensäußerung des Klägers sei durch Täuschung bewirkt worden. Der Beitrag erfülle auch nicht die Anforderungen an ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG), weshalb dieser ohne Einwilligung nicht hätte veröffentlicht werden dürfen.
Gericht: Pocher ist „Störer“
Das Landgericht Offenburg entschied, Beckers Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Pocher sei als Moderator „ohne weiteres als Störer anzusehen“. Beckers Einwilligung umfasse nicht die Verwendung der Aufnahmen im Filmbeitrag.
Rundfunkfreiheit überwiegt
Der Filmbeitrag und die Verbreitung der Film- und Bildaufnahmen des Klägers sowie die Folgeveröffentlichungen in Social Media seien aber dem Bereich der journalistischen Tätigkeit im Sinn des Art. 85 DSGVO zuzuordnen. Die beanstandeten Aufnahmen stellten Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte dar. Die Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Beckers gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz und der Meinungs- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz falle zugunsten der Meinungs- und Rundfunkfreiheit aus.
Satire ohne Schmähkritik
Hinsichtlich des Insolvenzverfahrens sei ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegeben. Aus der satirischen Verarbeitung eines für die Öffentlichkeit relevanten Themas könne ein Informationswert nicht abgesprochen werden. Die Aufnahmen hätten zu keinem Zeitpunkt die Sozialsphäre Beckers verlassen. Im Beitrag würden keine falschen Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Formalbeleidigung oder Schmähkritik lasse sich in dem Filmbeitrag nicht erkennen. Auch eine heimliche Bildniserschleichung sei nicht gegeben, so das Gericht.
Das Urteil des Landgerichts Offenburg ist nicht rechtskräftig. Mit Spannung darf daher der Ausgang des Rechtsstreits erwartet werden.