Das OLG Dresden spricht einer Hobby-Stripperin Geldentschädigung in Höhe von € 2.500, – zu. Ein Boulevardmagazin habe in unzulässiger Weise ein „Oben-Ohne-Foto“ der Klägerin abgebildet und sie in ihrem Bericht als Sex-Objekt diffamiert.
Eine Einwilligung der Abgebildeten habe nicht vorgelegen. Auch greife keine Ausnahmeregelung, die eine Einwilligung entbehrlich machte; die Darstellung verletze die Klägerin so erheblich in ihrer Sozialsphäre, dass eine Rechtfertigung der Darstellung ausscheide.
Zum Sachverhalt
Auf einem Festival führte die Klägerin in einem abgegrenzten Bereich einen Striptease-Tanz auf. Dabei wurde – trotz Fotografierverbotes – ein „Oben-Ohne-Foto“ angefertigt, dass die Tänzerin in stark sexualisierter Pose zeigt. Dieses Foto veröffentlichte schließlich das beklagte Boulevardmagazin in seiner Zeitung. Den Bildern wurde ein Kommentar angefügt, der die Betroffene als „Oben-Ohne-Tänzerin“, „heißes Mädel“ und „Go-Go-Girl“, die ihre „Kurven“ zeigt, bezeichnet. Die Betroffene hatte weder in die Anfertigung der Fotos noch in die Veröffentlichung in beschriebener Weise eingewilligt.
KUG kurz erklärt – vom unzulässigen Foto zum Anspruch auf Geldentschädigung
Soweit Fotos oder Abbildungen eine Person zeigen, beurteilt sich die Zulässigkeit der Verbreitung und Veröffentlichung nach Maßgabe des Kunsturhebergesetzes (KUG). Danach ist für derartige Verwertungshandlungen grundsätzlich die Einwilligung des Abgebildeten erforderlich, § 22 Satz 1 KUG. Wurde nun aber eine entsprechende Einwilligung nicht erteilt, regelt § 23 Abs. 1 KUG Ausnahmen, wonach eine Einwilligung nicht erforderlich ist. Zum Beispiel in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG:
Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.
Nach gängiger Definition ist der „Bereich der Zeitgeschichte“ betroffen, bei allen Erscheinungen im Leben der Gegenwart, die von der Öffentlichkeit beachtet werden, bei ihr Aufmerksamkeit finden und Gegenstand der Teilnahme oder Wissbegier weiter Kreise sind. Simpel ausgedrückt kommt es auf ein Informationsinteresse der Allgemeinheit an konkreten aktuellen Entwicklungen an.
Die Ausnahmen des § 23 Abs. 1 KUG gelten jedoch nicht schrankenlos. So beinhaltet § 23 Abs. 2 KUG ein Korrektiv, wonach die berechtigten Interessen der Abgebildeten zu berücksichtigen sind:
Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Soweit nun aber Fotos unter Verstoß gegen diese Vorschriften des KUG verbreitet oder veröffentlicht werden, kommen Ansprüche auf Geldentschädigung in Betracht. Dies erfordert allerdings einen schwerwiegenden Eingriff in die Interessen des Abgebildeten.
Begründung
Das OLG Dresden erkannte einen solchen schwerwiegenden Eingriff in die Sozialsphäre der Klägerin und sprach eine Geldentschädigung in Höhe von € 2.500, – zu (OLG Dresden, Beschluss v. 26. 11.2018, Az. 4 U 1197/18). Eine Einwilligung in die Veröffentlichung und Verbreitung des Fotos habe nicht vorgelegen. Zudem könne eine Einwilligung auch nicht fingiert werden.
Einwilligung aufgrund Posierens?
So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Abgebildeter dadurch in die Verwertung von Fotos einwilligen kann, dass er vor der Kamera eines ihm nicht bekannten Fotografen posiert und der Veröffentlichung der Bilder nicht ausdrücklich widerspricht. Einer derartigen sog. konkludenten Einwilligung erteilte das Gericht hier jedoch eine Absage.
Auf der Veranstaltung herrschte ein allgemeines Fotografierverbot. Ohne ein entsprechendes Verbot hätte die Klägerin ihren Tanz nicht aufgeführt. Zudem könne ein Wille hinsichtlich der Veröffentlichung der Bilder nicht angenommen werden, bloß weil die Klägerin vor einer Kamera getanzt habe. Das bloß passive Schauen in eine Kamera genüge noch nicht, auf einen entsprechenden Willen zu schließen.
Einwilligung wegen Ausnahmeregelung entbehrlich?
In Ermangelung einer Einwilligung stellte sich daraufhin die Frage nach einer Ausnahmeregelung, namentlich der des „Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte“, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Danach müsste es sich bei dem Striptease-Tanz der Klägerin um ein Zeitgeschehen handeln, das Wissbegier bei der Allgemeinheit hervorrufe. Die Richter befanden jedoch, dass es auf diese Frage nicht mehr ankommen könne.
In jedem Fall greife nämlich die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 2 KUG, wonach berechtigte Interessen einer entsprechenden Verwertung des Fotos entgegenstünden. Hier greife die Verwertung des Bildes in schwerwiegender Weise in die Sozialsphäre der Klägerin ein, sodass eine Rechtfertigung aufgrund Allgemeininteresses am Zeitgeschehen ausscheide. Gleichwohl konnten sich die Richter eine Stellungnahme zu der Frage des Allgemeininteresses nicht verkneifen:
Insbesondere bestand kein schützenswertes Interesse der Allgemeinheit daran zu erfahren, dass die Klägerin bei einer Veranstaltung im Rahmen dieses Festivals als “Oben-ohne-Tänzerin” aufgetreten ist. Einen nennenswerten Informationsgehalt weist weder das Bildnis noch der Begleittext auf.
Schwerwiegender Eingriff in die Sozialsphäre
Ein schwerwiegender Eingriff in die Sozialsphäre ergebe sich aus den Umständen der Entstehung und Veröffentlichung des Bildes sowie der konkreten Berichterstattung. Die Sozialsphäre betrifft den Bereich, in dem sich der Mensch als „soziales Wesen“ im Austausch mit anderen Menschen befindet. Ein Eingriff ist anzunehmen, wenn der Austausch zwischen den Menschen beeinträchtigt wird, etwa durch Ausgrenzung oder Herabwürdigung.
So sei die Klägerin zunächst nicht als professionelle Stripperin anzusehen. Sie führt ihre Tänze nicht regelmäßig auf, weshalb ihrem Bekanntenkreis diese Tätigkeit vielleicht ohnehin nicht bereits bekannt gewesen wäre. Erschwerend kommt hinzu, dass die Klägerin ohne Fotografierverbot und ohne den Umstand, dass die Veranstaltung ca. 200 km von ihrem Wohnort entfernt gewesen ist, ihren Tanz nicht aufgeführt hätte. Zudem erfolgte der Tanz in einem – vom sonstigen Festivalgelände und den sonstigen Besuchern – abgegrenzten Bereich.
Diese Umstände minimierten weitestgehend die Gefahr einer sozialen Ausgrenzung oder Diffamierung der Klägerin; schließlich war dadurch weitestgehend ausgeschlossen, dass Personen des persönlichen Umfeldes die Aufführung der Klägerin überhaupt wahrnehmen würden.
Die Veröffentlichung und Berichterstattung hingegen führe zu der möglichen Wahrnehmung durch eine viel größere Öffentlichkeit. Das Boulevardmagazin sei eine auflagenstarke Zeitung, die eine Öffentlichkeit erreiche, die mit der Öffentlichkeit nicht vergleichbar sei, der sich die Klägerin während der Aufführung hingegeben habe.
Beeinträchtigung der Sozialsphäre schließt Geldentschädigung nicht aus
Für die Gewährung der Geldentschädigung stellte sich die Frage nach der besonderen Eingriffsintensität. Regelmäßig sind mit Abbildungen, die die Intim- oder Privatsphäre betreffen, intensive Eingriffe in das Recht am eigenen Bild verbunden. So lassen sich beispielsweise Bilder nennen, welche die Person in ihrem privaten Umfeld zeigen, wie etwa Zuhause oder im Urlaub.
Hier erkannten die Richter keine Beeinträchtigung der Intim- oder Privatsphäre. Die Klägerin könne etwaige Beeinträchtigung nicht geltend machen. Schließlich habe sie einen Striptease-Tanz aufgeführt und sich dadurch ihres absoluten Schutzes begeben. Sie habe stark sexualisierte Posen unter Einbeziehung der Zuschauer eingenommen und sich damit bewusst der dort anwesenden Öffentlichkeit preisgegeben.
Besondere Intensität erfordere keine Beeinträchtigung der Intim- oder Privatsphäre
Für die Annahme einer intensiven Beeinträchtigung sei allerdings nicht erforderlich, dass in die Intim- oder Privatsphäre eingegriffen werde. Die für eine Geldentschädigung erforderliche besondere Intensität der Beeinträchtigung entfalle nicht etwa, weil „bloß“ die Sozialsphäre betroffen sei. Der Anspruch auf Geldentschädigung beurteile sich nicht starr nach der betroffenen Sphäre. Maßgeblich sei schließlich die Intensität des Eingriffs, welche auch für den Bereich der Sozialsphäre eine Geldentschädigung rechtfertigen könne.
Die besondere Intensität der Betroffenheit ergebe sich hier aus der Veröffentlichung des „Oben-Ohne-Fotos“ in der Boulevardzeitung mit einem diffamierenden Begleittext. So wurde das Bild nicht nur ohne Einwilligung der Klägerin abgebildet. Zugleich wird sie als namensloses „heißes Mädel“ und Teilnehmerin einer „Dildo-Show“ herabgewürdigt. Die Klägerin ist auf dem Foto für ihr Bekannte Personen leicht zu identifizieren. Das Foto werde durch die Veröffentlichung in der Zeitung einer größeren Öffentlichkeit präsentiert, als sie sich während des Striptease präsentiert hatte. Durch die Darstellung des „heißen Mädels“ werde im Gesamtkontext der Eindruck von Schamlosigkeit und sexueller Verfügbarkeit erweckt.
Fotografen, Boulevardmagazine und Tänzerinnen aufgepasst!
Die Entscheidung des OLG Dresden zeigt, dass ein „Oben-Ohne-Auftritt“ eine Tänzerin nicht zum „Freiwild“ macht. Es ist richtig, dass ihr das Recht am eigenen Bild zusteht und eine Verwertung angefertigter Bilder unter Einwilligungsvorbehalt steht. Der bloße Umstand, dass eine abgebildete Person passiv in eine Kamera blickt, begründet aber noch lange keine konkludierte Einwilligung in eine Verwertung.
Allein die Veröffentlichung oder Verbreitung von Oben-ohne-Bildern ist bereits geeignet, die Sozialsphäre der Abgebildeten zu beeinträchtigen. Führt zusätzlich die Berichterstattung noch zu dem falschen Eindruck von Schamlosigkeit und sexueller Verfügbarkeit, nimmt der Berichterstatter in Kauf, dass die Abgebildete Person in ihrem Umfeld diffamiert und ausgegrenzt wird.
Eine besondere Beeinträchtigung der Sozialsphäre ergibt sich vor allem dann, wenn Maßnahmen zur Verhütung einer derartigen Beeinträchtigung getroffen werden. Versucht die Abgebildete zu verhindern, dass Fotos von ihr angefertigt werden oder Personen von ihrem Auftritt Kenntnis erlangen, die ihrem privaten Umfeld angehören, so können diese Umstände für eine Geldentschädigung sprechen.
Wer Bilder verbreiten oder veröffentlichen will, die geeignet sind, die Abgebildete Person in ihrem sozialen Umfeld zu beeinträchtigen, sollte sicherstellen, dass auch tatsächlich in derartige Verwertungshandlungen eingewilligt wurde oder aber tatsächlich Ausnahmen des § 23 Abs. 1 KUG greifen. Anderenfalls kann es zu Entschädigungszahlungen kommen.