Zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch das Axel Springer Medium bereits umfangreich berichtet – und zwar unter voller Namensnennung des Klägers und mit großflächigen Bildern, die ihn zeigten. Andere Beschuldigte wurden nicht abgebildet und nur ein weiterer Beschuldigter namentlich genannt.
Wahre Intention des Mediums
Dies geschah mglw. vor allem deshalb, weil im Zuge der Ermittlungen eine polizeiliche Durchsuchung auch auf dem Grundstück eines Unternehmens des Klägers stattfand, wo vor einigen Jahren einmal in ganz anderem Kontext ein europäisches Königspaar zu Gast gewesen war. Eine derartige Meldung wollte sich das Springer-Medium offenbar nicht entgehen lassen, woraufhin sich jedoch die Schwerpunktsetzung des Artikels derart verschob, dass die Berichterstattung über das eigentliche Ermittlungsverfahren gegenüber insgesamt sechs Personen nur noch nebensächlich war.
Entscheidung des LG Berlin
Das LG Berlin entschied klar zugunsten des Klägers. Es habe sich bei der Veröffentlichung um eine unzulässige Verdachtsberichterstattung gehandelt (LG Berlin, Urteil v. 2.7.2024, Az. 27 O 249/23). Die Berichterstattung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers gemäß Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG. Bei der Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) habe das Persönlichkeitsrecht des Klägers Vorrang.
Kein Mindestbestand an Beweistatsachen
Die Berichterstattung stelle dabei vor allem deshalb eine unzulässige Verdachtsberichterstattung dar, weil sie den Kläger in einer Weise präsentiere, die nicht durch einen Mindestbestand an Beweistatsachen gedeckt war. Weder eine Anklageerhebung noch die Eröffnung des Hauptverfahrens lagen vor, was regelmäßig Voraussetzung für eine hinreichende Verdachtsberichterstattung wäre. Auch die Tatsache, dass es eine Durchsuchung gab, spreche nicht persé für das Vorliegen eines Mindestbestands an Beweistatsachen, da für eine Durchsuchung ein einfacher Anfangsverdacht genüge.
Berichterstattung auch nicht ausgewogen
Zudem stelle die Berichterstattung den Kläger als zentrale Figur von Korruptionsvorwürfen dar, obwohl er nur einer von sechs Beschuldigten sei und als einziger lediglich der Beihilfe beschuldigt werde. Diese einseitige Darstellung führe zu einer Vorverurteilung, führe zu einer nicht gerechtfertigten Prangerwirkung mit erheblichen negativen Auswirkungen für den Kläger. Bei schwerwiegenden Vorwürfen sind die Medien zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Die Beklagte habe diese Sorgfaltsmaßstäbe nicht eingehalten, insbesondere durch die Verzerrung und die übermäßige Hervorhebung des Klägers.
Kein ausreichendes öffentliches Interesse an der Bildberichterstattung
Neben dem Verbot der inhaltlichen (Wort-)Berichterstattung untersagte das LG Berlin auch die Bildberichterstattung. Nach den §§ 22, 23 KUG ist die Veröffentlichung von Bildnissen ohne Einwilligung der abgebildeten Person nur unter bestimmten Umständen zulässig, z.B wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Dies war hier jedoch nach Ansicht des LG Berlin ersichtlich nicht der Fall. Da sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung das Ermittlungsverfahren noch in einem äußerst frühen Stadium befand und der Tatvorwurf gering war, lag kein ausreichendes öffentliches Interesse daran vor, ihn bildlich zu identifizieren. Daran ändere auch nichts, dass der Kläger gelegentlich in den Medien als Experte für Sachthemen präsent war, denn er habe nicht den Bekanntheitsgrad eines Prominenten, der eine identifizierende Bildberichtserstattung rechtfertigen würde.
Fazit
Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist zu begrüßen, da das LG Berlin die Voraussetzungen nahezu schulmäßig durchprüft und mit nachvollziehbarer Begründung eine verzerrende und dadurch nicht ausgewogene Berichterstattung über den Kläger zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren (welches im Übrigen mangels Tatverdacht letztlich eingestellt wurde) als eine unzulässige Verdachtsberichterstattung einstuft. Die Entscheidung des LG Berlin ist nicht rechtskräftig.