Unsachliche negative Bewertungen stellen Vertragsverstoß dar und können Schadensersatzansprüche begründen
In einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer auf der Verkaufsplattform eBay abgegebenen negativen Bewertung nahm die davon betroffene Verkäuferin den die Bewertung verfassten Käufer in Anspruch und machte geltend, dass die dort geäußerte Beurteilung sachwidrig und infolgedessen rechtsverletzend sei.
Der Anspruch war gerichtet auf Zustimmung zur Löschung der negativen Bewertung und konnte vor dem Amtsgericht Erlangen erfolgreich durchgesetzt werden (AG Erlangen, Urteil v. 26.05.2004, Az. 1 C 457/04).
Was war geschehen?
Die Klägerin bot bei der genannten Internetplattform ein Buch zur Versteigerung an und schloss in der Folgezeit mit dem Beklagten, der das Höchstgebot von 3,00 Euro abgab, einen Kaufvertrag ab. Die Bezahlung erfolgte erst mehrere Wochen nach Vertragsschluss nach mehrmaliger Aufforderung durch die Klägerin. Alle zur Zahlung erforderlichen Daten waren bei eBay hinterlegt.
Der Beklagte bewertete noch vor Bezahlung die Klägerin mit negativ und dem Kommentar
„Also ich und ein Freund würden hier ganz bestimmt nichts mehr kaufen, sorry!!”
Dies verringerte die bei der Klägerin bis dahin gegebene 100 % positive Bewertungsquote auf 98,5%. Die Klägerin empfand die Abgabe der angeführten Bewertung als schuldhaften Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten des Beklagten zur wahrheitsgemäßen Bewertung ihrer Leistung als Verkäuferin. Dadurch sei der Klägerin in voller Kenntnis der Tatsachen Schaden zugefügt worden, weil sie nun mit einer negativen Bewertung bei ihrer zukünftigen Teilnahme an Online-Versteigerungen bei eBay belastet sei und ihr der erfolgreiche Verkauf von Waren dadurch erschwert werde.
Der Beklagte verteidigte sich damit, dass Ursache für die negative Bewertung der unfreundliche Kontakt mit der Klägerin gewesen sei. Aufgrund seiner Unerfahrenheit mit eBay und der Tatsache, dass sein PC defekt gewesen sei und er deswegen von einem fremden PC agieren habe müssen, habe sich die Transaktion über einen erheblichen Zeitraum hingezogen. Er habe aber einen anderen, gleichwertigen Weg gewählt, indem er per E-Mail die Bankverbindung und den richtigen Namen der Klägerin erfragt habe. Diese Anfrage habe die Klägerin unbeantwortet gelassen, was seinen Unmut hervorgerufen habe. Er meint, er habe das Recht, die Transaktion nach seinem Empfinden zu bewerten, was er bezüglich der Kaufabwicklung mit der Klägerin auch getan habe.
Vertragsverstoß durch sachwidrige negative Bewertung
Das Gericht urteilte auf der Grundlage dieses Parteivortrags, dass die Forderungen der Klägerin berechtigt seien und ihr insbesondere der begehrte Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zur Zurücknahme der negativen Bewertung gemäß §§ 280, 241 Abs. 2 BGB zustehe.
Die Abgabe einer fairen und sachlichen Bewertung stellte nach Meinung des Gerichts eine vertragliche Nebenpflicht dar:
„Mit der Registrierung als eBay-Nutzer haben sich beide Parteien sowohl den AGB von eBay als auch sich einem aus dem Umgang mit eBay ergebenden allgemeinen Nutzungsverhalten unterworfen. Die Abgabe von Bewertungen nach einer erfolgten Transaktion ist ein signifikantes Merkmal der Internetplattform eBay, da dies eine wichtige Informationsmöglichkeit über den ansonsten nicht greifbaren Vertragspartner darstellt. […] Anhand dieser Bewertung kann die Zuverlässigkeit des Handelspartners abgelesen werden, dessen Ruf hängt davon im Wesentlichen ab.
[…] Auf der Internetseite von eBay kann unter der Rubrik „Fragen und Antworten” zum Thema Bewertungen nachgelesen werden, dass nur faire und sachliche Kommentare abgegeben werden sollen, wie auch in § 6 der AGB von eBay geregelt ist, denen sich die Nutzer bei der Anmeldung unterwerfen. Dann aber stellt die Abgabe der beschriebenen Bewertung eine vertragliche Nebenpflicht des Geschäfts dar, deren Verletzung als Folge Schadensersatz nach § 280 BGB nach sich zieht. Die Vorschrift betrifft sämtliche Nebenpflichten, sowohl Leistungs- als auch Verhaltenspflichten […]. Eines Rückgriffs auf die §§ 823, 824 BGB bedarf es daher nicht.“
Gegen diese vertragliche Nebenpflicht habe der Beklagte verstoßen:
„Unbestritten ist das Verhalten und die empfundene Freundlichkeit/Nichtfreundlichkeit des Vertragspartners, hier der Klägerin als Anbieterin, ein wichtiges Beurteilungskriterium. Sicherlich hätte die Klägerin als Service auf die E-Mail des Beklagten hin ihre Daten diesem sofort zur Verfügung stellen können, ohne sich auf die bei eBay hinterlegten Daten zu berufen. Dass damit eine negative Bewertung einhergehen kann, da aus Sicht des Bieters unfreundlich, vermag das Gericht nicht anzugreifen.
Dies ist jedoch nur die eine Seite. Die Bewertung besteht nämlich, wie angeführt, auch noch aus einem Kommentar, der eine inhaltliche Darstellung der Bewertung beinhalten, mithin fair und sachlich sein soll, was vorliegend jedoch gerade nicht der Fall ist.
Die Äußerung „Also ich und ein Freund würden hier ganz bestimmt nichts mehr kaufen, sorry!!” ist dermaßen allgemein gehalten und lässt für fast jede Interpretationsmöglichkeit Raum, so z.B. dass schlechte Ware übersendet worden wäre bis sogar anzunehmendem quasibetrügerischen Verhalten, und zwar aus Sicht des objektiven eBay-Nutzers. Mit der bei eBay geforderten sachlichen Bewertung hat diese streitgegenständliche nichts gemein, da jeglicher Bezug zur Transaktion und den damit einhergehenden Problemen fehlt. Die Beurteilung ist allein abwertend ohne jegliche sachliche Begründung oder Bezug […].
Der Ansicht des AG Koblenz in seinem Urteil v. 07.04.2004, Az. 142 C 330/04, dass es sich bei der Bewertungsplattform bei eBay ausschließlich um ein Meinungsforum handelt, kann in diesem weitgehenden Maße nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, dass hier hauptsächlich subjektive Meinungen zu der Abwicklung des Geschäfts und zum Geschäftspartner abgegeben werden, jedoch ergänzt um die von eBay bestimmte und vorgegebene Sachlichkeit. Erst diese gewährleistet nämlich die von allen Nutzern gewünschte Funktion, sich über seinen Vertragspartner ein angemessenes Bild machen zu können.
Nach Meinung des erkennenden Gerichts kann sich deshalb der Löschungsanspruch nicht nur auf offensichtlich unwahre Tatsachen oder auf eine Schmähkritik beschränken, vielmehr müssen auch solche alleinigen Meinungsäußerungen umfasst sein, die so allgemein, überspitzt und schlagwörtlich gehalten sind, dass eine Sinnrichtung in der gerade beschriebenen Weise und in Richtung entstellende Tatsachen möglich ist. Liegt eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug vor, die durch das dem Geschäft zu Grunde liegende Verhalten nicht gerechtfertigt ist, so stellt dies eine vertragliche Nebenpflichtverletzung nach den §§ 241 Abs. 2, 280 BGB dar. Einzuschränken ist der Löschungsanspruch allerdings auf evidente Fälle der Zuwiderhandlung gegen das Gebot der Sachlichkeit, wovon das Gericht im streitgegenständlichen Fall ausgeht. […] Mangels Trennbarkeit von Einstufung und Kommentar ist die komplette Bewertung zu löschen.“
Schadensersatzanspruch des Betroffenen
Nach Wertung des Gerichts habe der Beklagte die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Denn er habe diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein Geschäft der vorliegenden Art erfordere. Dies wäre für ihn auch erkennbar gewesen, hätte er sich mit den Bestimmungen und den Hinweisen, die sich aus der Internetseite von eBay ergeben, auseinandergesetzt.
Der durch die Pflichtverletzung entstandene Schaden liege hier in den monierten negativen Auswirkungen der Bewertungen bei anderen eBay-Nutzern, die sich für ein Geschäft mit der Klägerin interessieren:
„Schaden i.S.v. § 249 Abs. 1 BGB ist nämlich jede unfreiwillige Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Rechtsgütern erleidet. Gerade aber das Bewertungsprofil eines Nutzers trägt erheblich dazu bei, ob und wie viele andere Teilnehmer mitbieten (was wiederum sich auch auf den Preis auswirkt) und Verträge abschließen oder nicht. Wird dieses Profil durch eine negative Bewertung beeinflusst, ist darin selbst schon der Schaden zu sehen. Es leuchtet ein, dass bei Vorhandensein mehrerer Anbieter der gleichen Ware derjenige einen Nachteil hat, der mit einer (ungerechtfertigten) negativen Beurteilung, die auch noch die benannten Interpretationsmöglichkeiten enthält, belastet ist im Verhältnis zu nicht oder weniger belasteten Konkurrenten.“
Da eBay Bewertungen regelmäßig nur lösche, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die AGB oder geltendes Recht vorliegen oder wenn beide Vertragsparteien dem zustimmen, könne der die Bewertung abgegebene Vertragspartner, soweit er seine Zustimmung verweigert habe, in einer Konstellation wie die vorliegende auf deren Erteilung in Anspruch genommen werden.
Vorhandensein einer Kommentar-Funktion unbeachtlich
Ohne rechtliche Relevanz sei dabei, dass dem Betroffenen die Möglichkeit der Gegendarstellung zur Verfügung stehe und dieser von ihr – wie beispielsweise die Klägerin – tatsächlich Gebrauch gemacht habe.
Denn eine solche setze voraus, dass man sich gegen einen konkreten sachlichen Vorwurf in der Beurteilung wehren könne, was im vorliegenden Fall gerade nicht möglich gewesen sei. Dass die Klägerin in ihrem Kommentar den Beklagten als „Spaßbieter” bezeichnet habe, zeige anschaulich, dass mangels bestimmten Vorwurfs ebenfalls nur eine Pauschalbeurteilung habe abgegeben werden können. Ein zuverlässiges Bewertungssystem könne nur dann funktionieren, wenn die Vorgaben, denen sich alle Nutzer unterworfen haben, eingehalten werden. Unsachliche, überspitzte und mehrdeutige Meinungsäußerungen müssen der Sachlichkeit weichen, da sonst die von allen Seiten gewünschte Funktion des Beurteilungssystems nicht gewährleistet werden könne.
Dieser Beurteilung des Amtsgerichts ist zuzustimmen. Auch im Instanzenzug hielt sie einer rechtlichen Überprüfung stand (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 08.06.2005, Az. 3 S 6387/04). (pu)
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