Die österreichische Ex-Politikerin Sigi Maurer fühlte sich durch private, obszöne Facebook-Nachrichten von einem Dritten belästigt und machte diese Nachrichten im Internet öffentlich. Während der Dritte auf sein Persönlichkeitsrecht verweist, sieht die Ex-Politikerin aufgrund der Straflosigkeit dieser privaten Nachrichten Selbstjustiz als einziges Mittel sich zu wehren – zu Recht?
Veröffentlichung privater, obszöner Nachrichten auf Facebook
Eine österreichische Ex-Politikerin, Sigi Maurer, bekam obszöne Nachrichten des Inhabers einer Craft-Beer-Bar auf Facebook geschickt. Da sie sich auf strafrechtlichem Weg keine Konsequenzen ausrechnete, veröffentlichte sie Screenshots der privaten, obszönen Nachrichten im Internet. Sowohl der Name der Bar als auch der des Inhabers war öffentlich einsehbar. Der Fall schlug über die Landesgrenzen Österreichs hinaus hohe Wellen. Dort wird sogar eine Gesetzesänderung diskutiert.
Der Bar-Inhaber geht nun gerichtlich gegen die seiner Ansicht nach sein Persönlichkeitsrecht verletzende Veröffentlichung vor und macht unter anderem Ansprüche aus “Kreditschädigung” und “übler Nachrede” in Höhe von ca. 60.000 Euro geltend.
Der Inhaber der Bar führt an, er habe die Nachrichten nicht selbst verfasst. Vielmehr stehe der PC, von welchem aus die Nachrichten verschickt wurden, in der Bar und werde von mehreren Personen genutzt. Anfang September beginnt der Prozess vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien.
Die unerträgliche Anmaßung durch Veröffentlichung
Ein Grundpfeiler des deutschen Rechtsstaats ist das Gewaltmonopol, welches als „Staatsgewalt“ in Art. 20 GG normiert ist. Immer wieder maßen sich Personen im vermeintlich rechtsfreien Raum des Internets jedoch an, sich als Vertreter der Moral und Richter über die guten Sitten zu sehen, indem sie brisante private Nachrichten öffentlich machen.
Prominentestes Beispiel ist die Causa Til Schweiger, dessen Veröffentlichung einer privaten Nachricht auf seiner Facebook-Seite ohne rechtliche Folgen blieb. Dieses umstrittene und aus unserer Sicht nicht haltbare Urteil nahmen wir bereits zum Anlass, anhand des Facebook-Persönlichkeitsrechts-Kurs mit Til Schweiger Fallstricke im Medienrecht & Persönlichkeitsrecht zu thematisieren.
Dieses Urteil, das die Veröffentlichung durch Schweiger legitimierte, steht jedoch in Kontrast zur sonstigen Rechtsprechung auf diesem Gebiet. Bereits im Jahr 2012 veröffentlichte Ariane Friedrich, eine bekannte Hochspringerin eine obszöne E-Mail, der offenbar ein Foto des Geschlechtsteiles des Absenders beigefügt war und war damit die Frage in den Raum warf, ob ein (angeblicher) Stalker bei Facebook öffentlich gemacht werden darf.
Das Persönlichkeitsrecht wiegt meist schwerer
Die Frage, ob die Veröffentlichung privater Nachrichten durch ein öffentliches Interesse legitimiert ist und schwerer als das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen wiegt, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. In ähnlich gelagerten Fällen sahen die Gerichte (OLG Hamburg, Beschluss v. 04.2.2013, Az. 7 W 5/13 – wir berichteten) den Schutz des Persönlichkeitsrechts als gewichtiger an und stellten die Rechtswidrigkeit der veröffentlichten Inhalte fest.
Grundsätzlich wird die private Kommunikation als der Öffentlichkeit entzogen angesehen, sofern nicht ein besonderes öffentliches Interesse gegeben ist oder die Person sich selbst der Öffentlichkeit offenbart. In einem älteren, durch unsere Kanzlei vertretenen Fall, entschied das LG Köln (LG Köln, Urteil v. 06.9.2006 , Az. 28 O 178/06), dass die Veröffentlichung einer E-Mail einen Eingriff in die so genannte Sphäre des Betroffenen darstellen kann.
In jedem Fall ist höchste Vorsicht geboten, wenn private Inhalte auf Facebook durch Dritte zugänglich gemacht werden. Das Ansehen des betroffenen kann nachhaltig geschädigt werden und erfordert effektive Mittel zum Schutz des guten Rufs.
Der Zweck heiligt nicht die Mittel
Die Veröffentlichung einer privaten Nachricht in sozialen Netzwerk stellt regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Die im Einzelfall vorzunehmende Abwägung fällt nur dann zugunsten des öffentlichen Informationsinteresses und der Meinungsfreiheit aus, wenn das Persönlichkeitsrecht ausnahmsweise hinter diesen widerstreitenden Interessen zurücktreten muss.
Das ist auch gut so, denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein hohes Gut, das nicht zum Spielball selbsternannter Sittenwächter werden darf, die private, wie auch immer geartete Zuschriften zur Selbstdarstellung nutzen.
Es bleibt abzuwarten, wie das Landesgericht für Strafsachen in Wien entscheiden wird. Eine Legitimierung der Veröffentlichung (auch obszöner) privater Nachrichten im Internet darf jedoch nicht das Ergebnis sein, um die über allem stehenden rechtsstaatlichen Prinzipen nicht zu verletzen.