Indiskrete Fotos tauchen immer wieder in Tageszeitungen auf. Dies kann für die Betroffenen sehr unangenehm sein. Nicht nur Prominente kämpfen um ihren guten Ruf. Auch Personen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, werden in ungünstigen Momenten abgelichtet.
Der Presse- und Meinungsfreiheit steht das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber. Welches Recht überwiegt, bestimmt sich im Einzelfall anhand einer umfassenden grundrechtlichen Abwägung.
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, wer für die Verpixelung von sensiblen Fotos verantwortlich ist (BVerfG, Beschluss vom 23.06.2020, Az. 1 BvR 1716/17). Der Fotograph, der das Bildnis an die Presse weiterleitet, oder die Redaktion, die es veröffentlicht? Die Verfassungshüter sahen die Redakteure in der Pflicht. Fotografen müsse es grundsätzlich ohne Angst vor Strafe möglich sein, ihr angefertigtes Bildmaterial unverpixelt an die Presse zu übergeben.
Foto eines Ebola-Verdachtspatienten veröffentlicht
Dem Verfahren lag eine Verfassungsbeschwerde eines Journalisten zu Grunde. Er wurde wegen der Weitergabe eines unverpixelten Bildes an die Bild-Zeitung zum Zwecke der Veröffentlichung strafrechtlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Foto zeigte einen dunkelhäutigen Patienten im Wartebereich der Universitätsklinik Aachen. Die „Bild“ veröffentlichte es online unter der Überschrift „Ebola-Panne in NRW? – Virus-Verdächtiger musste auf Klinik-Flur warten“. Weitergabe und Veröffentlichung erfolgten zu einem Zeitpunkt, in dem die Krankheit Ebola große öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Der Journalist und der ihm bekannte Redakteur thematisierten die Verpixelung bei der Weitergabe des Fotos nicht. Der Abgebildete, die behandelnde Ärztin und die herbeigerufene Polizei verlangten vom Beschwerdeführer unmittelbar nach Anfertigung des Bildnisses vergeblich dessen Löschung. Andere Nachrichtenredaktionen lehnten die Veröffentlichung des Fotos zuvor ab.
Verfahrensgang
Das Amtsgericht Aachen (AG Aachen, Urteil vom 29.10.2015, Az. 447 Ds 249/15) verurteilte den Fotografen wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses gemäß §§ 22, 33 KunstUrhG zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen. Es handele sich nicht um ein Bildnis der Zeitgeschichte. Die Verbreitung ohne Einwilligung des Abgebildeten sei deshalb rechtswidrig und strafbar gewesen.
Das Landgericht Aachen (LG Aachen, Urteil vom 07.09.2016, Az. 71 Ns 15/16) verurteilte den Beschwerdeführer in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Es handele es sich zwar um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiege jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten. Dieser habe die Bildaufnahme nicht zugestimmt. Es handle sich um höchstpersönliche Informationen über seinen Gesundheitszustand. Wegen der hohen Auflagenzahl gehe von der Veröffentlichung eine besondere Prangerwirkung aus. Die unverpixelte Veröffentlichung sei dem Beschwerdeführer auch zuzurechnen, weil er die bebilderte Berichterstattung selbst veranlasst und angestrebt habe.
Das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Beschluss vom 02.06.2017, Az. 1 RVs 93/17) wies die Revision als unbegründet ab. Das Landgericht habe zwar nicht sorgfältig zwischen Weitergabe und Veröffentlichung des Bildes differenziert. Tatbestandsmäßige Verbreitungshandlung sei allein die Weitergabe an die Redaktion. Bereits darin liege jedoch ein Verbreiten im Sinne der §§ 22, 33 KunstUrhG. Der Journalist sei seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen, indem er nicht nachhaltig und unmissverständlich auf eine Unkenntlichmachung bzw. Verfremdung hingewirkt habe.
Vor dem Bundesverfassungsgericht rügte der Beschwerdeführer anschließend eine Verletzung seiner Pressefreiheit.
Bundesverfassungsgericht bejaht Verletzung der Pressefreiheit
Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Pressefreiheit verletzen. Die Richter des Amtsgerichts hätten verkannt, dass es sich bei dem Foto um ein Bildnis der Zeitgeschichte handele. Dies folge aus dem gesteigerten Informationsinteresses der Öffentlichkeit.
Es sei zwar nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass die Gerichte bereits die Weitergabe an die Redaktion als „Verbreiten“ im Sinne der §§ 22 f. KunstUrhG gewertet hätten. Die Abwägung des Landgerichts stelle jedoch nicht auf die Weitergabe, sondern auf die stigmatisierende Wirkung der Veröffentlichung ab. Damit habe das Berufungsgericht den falschen Bezugspunkt für seine Argumentation gewählt.
Auch seine Sorgfaltspflichten habe der Journalist nicht verletzt. Angesichts der presserechtlich gebotenen Prüfung und Verantwortung der veröffentlichenden Redaktion müssten Journalisten ihre Fotos grundsätzlich nicht schon bei der Weitergabe an die Presse verpixeln. Es liege in der Verantwortung der Redaktion bei Veröffentlichungen die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten zu wahren. Daher könne auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Verpixelung im Rahmen der Weitergabe nicht angesprochen habe, nicht als Verstoß gegen journalistische Sorgfaltspflichten gelten. Fotografen müssten nur die Umstände mitteilen, die für die Entscheidung, ob ein Bild unkenntlich gemacht werde, erheblich seien. Das Berufungsgericht muss daher nun prüfen, ob der Beschwerdeführer die Redaktion darüber informierte, dass der Abgebildete der Aufnahme ausdrücklich widersprach. Zu diesem Zweck wurde das Verfahren an das LG Aachen zurückgewiesen.