Sixt bewirbt derzeit seine Mietwagen mit einem unfreiwilligen Werbegesicht. Innerhalb einer Zeitungsanzeige veröffentlichte Sixt ein Bild von Gustl Mollath. Darunter war der Werbeslogan eingefügt:
„Wenn hier einer verrückt ist, dann der Sixt mit seinen Preisen
-Gustl Mollath-“
Zur Erinnerung
Gustl Mollath wurde erst vor ein paar Tagen aus seiner siebenjährigen Zwangsunterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung entlassen. Er wurde 2006 in einem Strafprozess wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, dann aber wegen angeblicher Gemeingefährlichkeit zwangsweise eingewiesen. Jetzt entschied das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 06.08.2013, dass das damalige Verfahren wieder aufgenommen werden muss, er wurde umgehend freigelassen.
Ein Geschehnis das durchaus ernst zu nehmen ist und in der Gesellschaft wieder das Thema hervorbringt: „Wie gerecht ist unsere Rechtsprechung?“ Schon allein deswegen eignet sich das Thema nicht für eine Mietwagen-Werbekampagne.
Rechtliche Aspekte
Aber auch rechtlich betrachtet, ist eine solche Kampagne durchaus problematisch. Mollath hat möglicherweise einen Anspruch darauf, dass Sixt die Kampagne unterlässt. Der Anspruch setzt die Verletzung des Rechts am eigenen Bild und bzw. oder des Persönlichkeitsrechts voraus. Die Rechtsprechung geht überwiegend bei der Nutzung von Bildnissen davon aus, dass eine ausdrückliche Einwilligung bei Werbezwecken zu fordern und mithin eine konkludente Einwilligungsmöglichkeit zu verwerfen ist. Ausnahmen macht die Rechtsprechung unter Umständen dann, wenn das Bild ein Geschehnis der Zeitgeschichte zeigt (OLG Köln, Urteil v. 22.01.2011, Az. 15 U 133/10). Das vorliegende Bild, das Sixt verwendet, zeigt Mollath kurz nach seiner Entlassung. Dabei handelt es sich um ein Ereignis das als Geschehnis der Zeitgeschichte von vielen verfolgt wurde. Allerdings darf auch ein solches Bild nur veröffentlicht werden, wenn dies einem schutzwürdigen Informationsinteresse zu Gute kommt. In diesen Zusammenhang kann die Verwendung eines Bildes in einer satirisch aufgemachten Werbekampagne erlaubt sein. In dem Fall sind jedoch die Interessen des Verletzten gegenüber denen des Werbenden abzuwägen. Die Interessen Mollaths dürften vorliegend überwiegen.
Tragische Figur
Mollath ist womöglich eine tragische Figur eines Justizskandals, die dadurch 7 wertvolle Lebensjahre verloren hat. Kurz nach Mollaths Entlassung in die Freiheit schießt ein Fotograf ein Bild von ihm. Es erscheint in der Presse. Anders als Prominente oder Politiker steht er unfreiwillig und durch einen potentiellen Schicksalsschlag im Mittelpunkt des Zeitgeschehens. Kurzum: Mollaths Person ist mit der nötigen Sensibilität zu behandeln. Dem gegenüber steht eine Autovermietung, die aus den Ereignissen um seine Person Profit schlagen will und sein Bildnis, dass ihn kurz nach seiner Freilassung zeigt, ohne Erlaubnis für sich nutzt. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht liegt daher zweifellos vor.
Davon zu trennen ist die Frage, ob Mollath auch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Die Verletzung ist zum Beispiel bei unwahren Tatsachenbehauptungen immer gegeben. Bei Meinungsäußerungen ist dies nicht so leicht zu bejahen. Es kommt dabei auf den Charakter der Äußerung an. „Schmähkritik“ ist regelmäßig verboten, wogegen Satire erlaubt sein kann. Bedenkt man, dass der Leser der Bildunterschrift meinen könnte, es handele sich um ein Zitat von Mollath, was nicht zutrifft, so spricht dies für eine Persönlichkeitrechtsverletzung.
Kalauer auf Kosten Mollaths
Sixt könnte sich darauf berufen, dass ihre Werbung Satire sei. Dies hat Sixt bereits in einem ähnlichen Fall getan (BGH, Urteil vom 26. 10. 2006, Az. I ZR 182/04). Wesensinhalt von Satire ist es, dass sie übertreibt, verfremdet, verzerrt und damit gewisse Missstände anprangern oder lächerlich machen möchte. Es stellt sich die Frage, wie viel Raum die streitgegenständliche Anzeige der (kritischen) Auseinandersetzung mit einem Missstand, der freilich in der in der Justizposse um Herrn Mollath gesehen werden könnte, überhaupt gibt. Hauptsächlich besteht sie nämlich aus dem wenig tiefgründigen Spiel mit dem Wort “verrückt”, das im Zusammenhang mit Herrn Mollath und der Geschehnisse einerseits mit der Bedeutung “pathologisch (geistes-)krank” und mit dem Mietwagenunternehmen Sixt mit Blick auf die vermeintlich sehr günstigen Preise als “kaufmännisch leichtsinnig, unbedacht” verbunden wird. Sprich: das Werk des Werbetexters besteht aus einem schlichten Kalauer oder um es ganz einfach zu sagen, einem “Flachwitz” auf Kosten Mollaths.
Mollath ist nicht Lafontaine
Im Zusammenhang mit dieser Werbekampagne greifen viele Journalisten und Blogger derzeit vergangene Urteile auf, in denen Politiker ungewollt zum Mittelpunkt von Werbekampagnen wurden und verneinen den Unterlassungsanspruch vorschnell. Der Kollege Solmecke hält die Werbung zum Beispiel für zulässig. Anderer Meinung sind diesbezüglich die Kollegen Stadler und Dirks.
In einem ähnlichen Fall hatte Sixt mit einem Bildnis von Oskar Lafontaine geworben und dies kurz nachdem er als Finanzminister zurückgetreten war. Der Werbeslogan damals lautete: „Sixt verleast auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit“. Der Bundesgerichtshof wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Werbeanzeige, die sich satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt, vom Betroffenen hingenommen werden muss (BGH, Urteil vom 26. 10. 2006, Az. I ZR 182/04). Der Senat führte unter anderem aus:
„Diese Abbildungen sind Teil der satirischen Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Zeitgeschehen, in dessen Mittelpunkt der Kläger steht. Auch wenn die politische Auseinandersetzung im Rahmen einer Werbeanzeige erfolgt und von der Beklagten eingesetzt wird, um die Aufmerksamkeit auf ihr Leasinggeschäft zu lenken, steht sie unter dem besonderen Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Im Streitfall muss das Interesse des Klägers, nicht ohne seine Erlaubnis in einer Werbeanzeige abgebildet zu werden, gegenüber der Ausübung dieses Freiheitsrechts zurücktreten. Die Werbung berührt lediglich den zivilrechtlich, nicht verfassungsrechtlich begründeten Schutz der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts. Die ideellen Teile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, deren Schutz durch die Menschenwürdegarantie von Verfassungswegen geboten ist, sind im Streitfall nicht betroffen. Eine Beschädigung des Ansehens des Klägers durch die beanstandete Anzeige steht nicht zur Debatte.“
Es stellt sich danach die Frage, ob die Kampagne, anders als es damals bei Lafontaine war, Mollath in den ideellen Teilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit Blick auf die Menschenwürdegarantie verletzt. Es sprechen, wie erwähnt, einige Argumente dafür. Im Übrigen ist vorliegend nicht von vornherein auszuschließen, dass Mollath, wie es häufig bei Persönlichkeitsrechtsverletztungen ist, einen Anspruch auf Geldentschädigung hat. Es bleibt abzuwarten, ob Mollath die Gerichte mit dieser Angelegenheit und den damit verbundenen Fragen betraut.
Sixt rudert zurück
Auf der Sixt-Facebookseite tobte die letzten Tage jedenfalls ein regelrechter “Shitstorm”. Zahlreiche Kommentatoren teilten nicht nur ihr völliges Unverständnis für die Werbekampagne mit, was das Unternehmen sehr wahrscheinlich bei seinem provokanten Aktionen einplant, sondern kündigten an, in Zukunft Kraftfahrzeuge woanders mieten zu wollen. Letzteres ist natürlich ein Aspekt, den Sixt jedenfalls in dieser Ausprägung eventuell nicht bedacht hatte. Deswegen hat sich Sixt offenbar mittlerweile dazu entschlossen, zurück zu rudern, die Werbeanzeige nicht mehr weiter zu verbreiten und bei Herrn Mollath um Entschuldigung zu bitten. Die Facebookmeldung mit über 1000 nicht gerade freundlichen Kommentaren hat Sixt schlicht gelöscht.
Pressemittlung nebst Entschuldigung
Am Montag wurde stattdessen eine Pressemitteilung auf Facebook veröffentlicht. Diese trägt die Überschrift “Erich Sixt entschuldigt sich in einem persönlichen Brief bei Gustl Mollath”. Nicht erwähnt wird dort, ob Sixt gedenkt, Herrn Mollath auch eine Entschädigung zukommen zu lassen. Auch die Kommentare zu dieser Statusmeldung fallen nicht positiv aus. Die Beobachter haben vielleicht völlig zurecht das Gefühl, dass eine lapidare Entschuldigung wohl nicht ausreichen dürfte.
Dies nicht zuletzt deshalb – worauf einer der Kommentatoren bei Facebook hinweist – da Sixt auch in dieser Meldung abermals kein gutes Gespür für Stil beweist: Streng genommen sollte man sich nämlich bei jemand anderem nicht (selbst) entschuldigen, sondern allenfalls höflich um Entschuldigung bitten. (ru/la)
(Bild: shutterstock – Evgeny Karandaev)