Nach dem Urteil des Landgerichts Berlin: Drohen Facebook tausende Abmahnungen?
Wie bereits berichtet, hat das Landgericht Berlin am 6.3.2012 geurteilt, dass sowohl einige Geschäftsgebaren Facebooks als auch in den Geschäftsbedingungen und Datenschutzerklärungen verwendete Klauseln nach deutschem Recht unzulässig sind.
Aber was nun? Verhält Facebook sich jetzt rechtskonform? Welche Auswirkungen hat das Urteil für die Nutzer?
Um diese Frage zu beantworten, müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden.
Was muss Facebook jetzt überhaupt ändern?
Nach der Entscheidung des LG Berlin ist Facebook verpflichtet, angewandte Email-Praktiken gegenüber deutschen Nichtmitgliedern zu unterlassen. Ebenfalls muss der Hinweis, dass im Rahmen des Registrierungsprozesses über den „Freundefinder“ Emailadressen aus hochgeladenen Adressdateien in die Facebook-Datenbank übernommen werden und Freundschaftsvorschläge generiert werden, deutlicher gekennzeichnet werden. Darüber hinaus darf das Unternehmen diverse Klauseln (z.B. hinsichtlich der Rechteeinräumung an hochgeladenen Inhalten) gegenüber deutschen Nutzern nicht mehr verwenden.
Was hat Facebook bisher tatsächlich geändert?
Was den E-Mail-Versand und die damit zusammenhängende Werbepraktik angeht, hat Facebook bereits vor Erlass des Urteils reagiert und diese – nach unserem Kenntnisstand – eingestellt. Das Urteil bedurfte diesbezüglich also keiner Umsetzung mehr. E-Mails an Nicht-Facebookmitglieder werden damit wohl vorerst der Vergangenheit angehören.
Der Freundefinder ist im derzeitigen Registrierungsprozess in der beanstandeten Form immer noch zu finden. Bei der Registrierung eines neuen Nutzers besteht weiterhin die Möglichkeit, sich mit seinem E-Mail-Konto zu verbinden und die dort vorhandenen Emailadressen zu nutzen, um weitere Freunde auf Facebook zu finden. Ebenfalls wird weiterhin kein Hinweis angezeigt, dass durch den Import der Adressen Freundschaftsvorschläge generiert werden. Insofern ist alles beim Alten geblieben.
Die vom Gericht als unzulässig angesehenen Klauseln innerhalb der Geschäftsbedingungen werden weiterhin verwendet. Insofern verhält sich das Unternehmen relativ stur. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. hätte zwar die Möglichkeit das Urteil gegen Sicherheitsleistung zu vollstrecken, allerdings wissend, dass Facebook noch die Möglichkeit hat, das Urteil in der Berufungsinstanz anzufechten.
Hat das Urteil Auswirkungen auf die einzelnen Nutzer?
Welche Auswirkungen hat z.B. die Unwirksamkeit der “IP-Lizenz Klausel”? Die Klausel lautet:
Für Inhalte, die unter die Rechte an geistigem Eigentum fallen, wie Fotos und Videos
(„IP-Inhalte”), erteilst du uns vorbehaltlich deiner Privatsphäre- und Anwendungseinstellungen die folgende Erlaubnis: Du gibst uns eine nichtexklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, unentgeltliche, weltweite Lizenz für die Nutzung aller lP-lnhalte, die du auf oder im Zusammenhäng mit Facebook postest („IP-Lizenz”).
Diese Klausel ist nach aktuellem Stand unwirksam. Statt der Klausel finden die gesetzlichen Regelungen Anwendung. Bei der Frage nach dem Umfang der erteilten Nutzungsrechte an hochgeladenen Inhalten kommt § 31 Abs. 5 UrhG zur Anwendung. Der Umfang der erteilten Nutzungsrechte bestimmt sich damit nach dem Zweck des Vertrages.
Nehmen wir an, der Urheber eines Bildes lädt dieses bei Facebook hoch. Welche Nutzungsrechte hat er dann erteilt?
Der Zweckübertragungslehre des § 31 Abs. 5 UrhG liegt der Gedanke zugrunde, den Urheber soweit wie möglich an den Erträgen aus der Verwertung seines Werkes oder seiner Leistung zu beteiligen. Dementsprechend sieht das Gesetz für den Fall einer fehlenden ausdrücklichen Regelung auch nur eine eingeschränkte und für den Vertragszweck unbedingt erforderliche Einräumung von Rechten vor. Welcher Vertragszweck liegt Facebook jedoch zugrunde? Hier wird die Angelegenheit schwierig.
Man kann wohl davon ausgehen, dass die Verwaltung der Datei auf Facebook-Servern und das Anzeigen auf der eigenen Pinnwand als Vertragszweck gesehen werden kann. Ob darüber hinaus auch die Verwendung auf fremden Pinnwänden (Stichwort “geteilte Inhalte”) oder unterhalb von Werbeanzeigen (Nutzer X gefällt Marke y) zum Vertragszweck gehört kann vortrefflich diskutiert werden. Käme man zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, beginge Facebook in diesem Moment vermutlich millionenfache Lizenzverletzungen, die jede für sich vom Rechteinhaber durchgesetzt werden könnte.
Auch wenn die oben geschilderte Situation derzeit nur ein Gedankenspiel ist – schließlich ist das Urteil (noch?) nicht rechtskräftig -, bleibt nicht ausgeschlossen, dass es zu diesem Szenario kommt. Nämlich dann, wenn Facebook weiterhin unzulässige Klauseln in seinen Geschäftsbedingungen verwendet. (to/ro)