Das OLG Celle hat in einer aktuellen Entscheidung vom 28. Mai 2015 (OLG Celle, Urteil v. 28.5.2015, Az. 13 U 104/14) ein Urteil des LG Hannover aufgehoben, das dem Heinrich Bauer Verlag verboten hatte, Frau Bettina Wulff unmittelbar anzuschreiben.
Frau Wulff hatte den beklagten Presseverlag wegen einer vermeintlich unzulässigen Bildberichterstattung durch Anwaltsschreiben abgemahnt. Dieses Abmahnschreiben schloss mit dem Hinweis: „Unsere Mandantin ist für eine Antwort in Bezug auf dieses Schreiben nicht empfangsbereit. Sie wünscht nicht direkt diesbezüglich angeschrieben zu werden, sondern dass die Rechtsangelegenheit ausschließlich mit der Kanzlei (…) abgewickelt wird.”
Die Beklagte schrieb die Klägerin dennoch persönlich an, legte in diesem Schreiben dar, dass die Berichterstattung nach ihrer Auffassung zulässig gewesen sei und lud die Klägerin abschließend zu einem persönlichen Gespräch ein, um „für die Zukunft eine (…) Gesprächsgrundlage” zu schaffen. Gleichzeitig informierte sie die Rechtsanwälte der Klägerin über dieses Schreiben.
Diese Art der Kontaktaufnahme hatte das Landgericht dem Verlag verboten. Wir berichteten.
Der Pressemitteilung des OLG Celle ist zu entnehmen, dass dies anders als das LG Hannover der Meinung ist, dass durch den fraglichen Brief das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Frau Wulff nicht verletzt worden sei.
Zwar könne in der bloßen – als solchen nicht ehrverletzenden – Kontaktaufnahme eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolge und bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen das Recht der Klägerin auf Schutz ihrer Persönlichkeit und Achtung ihrer Privatsphäre das Interesse des Beklagten, mit ihr unmittelbar in Kontakt zu treten, überwiege. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor.
Die Interessenabwägung ergebe, dass der Aufwand das Schreiben entweder ungelesen oder nach Lektüre der Anfangszeilen an den eigenen Anwalt weiterzuleiten, nicht nennenswert sei. Auch stehe das Schreiben nicht in einem Zusammenhang mit (aktualisierter Zusatz der Pressestelle des OLG v. 1.6.2015: von der Klägerseite vorgetragenen, aber nicht vom Gericht festgestellten) sonst durch den beklagten Verlag als Herausgeber der Zeitschrift „Closer” durchgeführten Observierungen und Bespitzelungen. Das Schreiben übe keinen Zwang auf die Klägerin aus, mit der Beklagten zu debattieren, und enthalte keine suggestiven Mittel. Es sei objektiv nicht geeignet gewesen, die Klägerin zu verunsichern, weil es sachlich gefasst sei und keine ehrverletzenden Äußerungen enthalte.
Demgegenüber sei zu berücksichtigen, dass in einer rechtlichen Auseinandersetzung einer Partei grundsätzlich die Möglichkeit gegeben sein müsse, Kontakt zu ihrem Gegner aufzunehmen, um eine argumentative Klärung dieser Auseinandersetzung herbeizuführen. Ein solches Interesse sei schon aufgrund der allgemeinen Meinungsfreiheit geschützt. In diesem speziellen Fall komme hinzu, der Verlag ein persönliches Gespräch angeboten hatte, um eine grundsätzliche Klärung herbeizuführen. Dies habe die höchstpersönliche Bereitschaft von Frau Wulff vorausgesetzt. Um die größtmögliche Chance zu haben, eine solche Bereitschaft zu erzielen, sei es nicht sachfremd gewesen, sie unmittelbar anzuschreiben.
Das OLG hat es offen gelassen, ob eine weitere darüber hinausgehende Kontaktaufnahme zu einem Unterlassungsanspruch geführt hätte.
Fazit:
Wie bereits in unserem Beitrag “Nur über meinen Anwalt!” – Unerwünschtes Anschreiben kann Unterlassungsanspruch auslösen aus dem März 2015 angedeutet, halten wir die Entscheidung des LG Hannover für richtig und dementsprechend das Urteil des OLG Celle für falsch.
Es ist davon auszugehen, dass das OLG Celle sich entscheidend von dem Versuch des Verlags hat leiten lassen, mit dem Anschreiben ein (“höchst”)-persönliches Gespräch mit Frau Wulff herbeizuführen. Genau das aber, nämlich einen (“höchst”)persönlichen Kontakt, hatte sich Frau Wulff in ihrem Anschreiben ja gerade verboten und auf ihre Rechtsanwälte verwiesen. Entgegen der Einschätzung des Oberlandesgericht hätte demnach – wenn überhaupt – eine größere Chance bestanden, eine Einigung mit Frau Wulff zu erzielen, wenn der Verlag diesen grundlegenden Wunsch nicht missachtet und anstatt mit ihr, mit den Rechtsvertretern kommuniziert hätte.