Vor dem Landgericht ging es vor allem um die Frage, ob ein ausländisches Unternehmen – im vorliegenden Fall ein ägyptisches – aufgrund des in den §§ 2a, 3 TMG manifestierten Herkunftslandsprinzips verpflichtet ist, die Anforderungen des § 5 TMG einzuhalten.
Das Landgericht Siegen hatte in seiner Entscheidung damals – unseres Erachtens zu Unrecht – die These aufgestellt, dass das Herkunftslandsprinzip des Telemediengesetzes, welches die Angleichung der Rechtsstandards innerhalb der Europäischen Union fördern soll, grundsätzlich nur für Mitgliedsstaaten Gültigkeit habe, dieses aber dennoch keine Anwendung finde, da das Vertragsstatut nach internationalem Privatrecht im vorliegenden Fall ägyptischen Recht unterfalle.
Schon damals hatten wir über die prozessuale Konstellation gewundert. Denn die Fragen des Herkunftslandprinzips und der damit einhergehenden Haftungsbeschränkung für ausländische Unternehmen, hätten sich gar nicht gestellt, wenn der Kläger seine Ansprüche auf die Verbraucherschutzvorschriften im Fernabsatz (z.B. §§ 312c BGB iVm Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB) gestützt hätte. Wir berichteten.
Die Anwendbarkeit nationaler Vorschriften richtet sich nach dem Marktortprinzip
Der Senat des Oberlandesgerichts Hamm wollte dem Landgericht Siegen nicht in der Auffassung folgen, dass die in Rede stehenden Informationspflichten dem Vertragsstatut unterfielen und somit im Ergebnis ägyptisches Recht anwendbar wäre. Geltung erlangen vielmehr das so genannte Marktortprinzip, wonach die Vorschriften jedenfalls des Ortes anwendbar sind, an dem die Marktinteressen der Konkurrenten oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt werden können.
Herkunftslandsprinzip gilt nur für innergemeinschaftliche Sachverhalte
Das Oberlandesgericht Hamm hat mit seiner Entscheidung zudem klargestellt, dass die Ausführungen des Landgerichts zum Herkunftslandsprinzip jedenfalls in Bezug auf Unternehmen außerhalb der Europäischen Union unzutreffend sein dürften. Dieses Prinzip stelle keine Kollisionsnorm dar, sondern solle lediglich im Ergebnis dafür sorgen, dass die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union durch unterschiedliche mitgliedstaatliche Informationsvorschriften nicht beeinträchtigt wird (Art. 1 Abs. 4 E-Commerce-Richtlinie; EuGH, Urt. v. 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10, GRUR 2013 300 Tz. 61 – B/B2). Es fehle aber an einer Beeinträchtigung der innergemeinschaftlichen Niederlassungsfreiheit, wenn die Rechtsanwendung dazu führt, dass auf einen außerhalb der Gemeinschaft, etwa in Ägypten, ansässigen Anbieter Informationsregeln angewendet werden.
Der Senat hat die Entscheidung des Landgerichts Siegen aber dennoch bestätigt und die Klage abgewiesen. Dies allerdings deshalb, da dem Beklagten eine Haftung verursachende Beteiligung am Rechtsverstoß auf der streitgegenständlichen Internetseite nicht nachgewiesen werden konnte.
Fazit:
Die Frage danach, welches nationale Recht bei einem Sachverhalt mit internationalen Bezügen anzuwenden ist, richtet sich nach dem Marktortprinzip. Über all da, wo ein gemeinsamer Markt zwischen den Konkurrenten besteht, ergibt sich sowohl eine örtliche Zuständigkeit als auch die Anwendbarkeit der entsprechenden nationalen Rechtsnormen. In der Praxis kann dies aufgrund der Internationalität des Internets im Extremfall dazu führen, dass für einen Sachverhalt mehrere Gerichtsstände und auch unterschiedliche Arten nationaler gesetzlicher Regelungen anwendbar sind.
Die Verfolgung von Verstößen gegen das Telemediengesetz von Konkurrenten, die ihre Niederlassung im Bereich der Europäischen Union haben, dürfte nach wie vor auf Schwierigkeiten stoßen. Denn, ob ein Rechtsverstoß vorliegt, muss Vor dem Hintergrund des Herkunftslandsprinzips gegebenenfalls unter Anwendung ausländischer Rechtsvorschriften geprüft werden. (la)