Der Arzt hatte auf der Internetseite seiner Praxis eine Behandlungsform angepriesen, bei welcher Patienten an Akupunkturpunkten im Bereich der Ohrmuscheln kleine Nadeln subkutan implantiert werden. Am Ende des Textes befand sich eine Ankündigung für besonders interessierte Leser: „Weitere Informationen auch über die Studienlage finden Sie unter …“ Es folgte ein Link, welcher auf die Startseite der Internetpräsenz eines Forschungsverbandes für Implantatakupunktur führte.
An den Inhalten der Unterseiten dieses Internetauftritts des Forschungsverbandes störte sich nun der abmahnende Wettbewerbsverband: Die Aussagen zum Anwendungsgebiet und zur Wirkung der Therapie seien irreführend. Entsprechend habe der abgemahnte Arzt die Verlinkung auf selbige Inhalte zu unterlassen.
Als der Arzt die Abmahnung erhielt, löschte er umgehend den gesetzten Link, ohne jedoch die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Es folgte die Klage, die es aufgrund der Berufung seitens beklagten Arztes, der in erster Instanz unterlag (Urt. v. 26.02.2012 – Az.: 33 O 181/12), bis zum Oberlandesgericht in der Domstadt schaffte.
Oberlandesgericht gab dem Arzt vollumfänglich Recht
Doch die Richter am Oberlandesgericht sahen weder einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf die als irreführen beanstandeten Aussagen, noch einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten für die Abmahnung. Das Setzen eines Links zur Startseite eines fremden Internetauftritts genüge auch bei empfehlender Ankündigung regelmäßig nicht, um anzunehmen, der Linksetzer habe sich bestimmte gegen Anforderungen des Wettbewerbsrechts verstoßende Inhalte auf Unterseiten des fremden Internetauftritts zu eigen gemacht, folglich hafte der Arzt nicht.
Zwar seien die von dem Arzt gemachten Angaben zur Implantat-Akupunktur eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und auch als Werbung zu qualifizieren. Schließlich handele es sich bei den Äußerungen nicht um ausschließlich redaktionelle Äußerungen, die in keinem Zusammenhang mit der Förderung des eigenen Absatzes des Arztes stünden. Auch der von dem Arzt gesetzte Link nehme insoweit am werblichen Charakter des Internetauftritts teil. Daraus allein lasse sich jedoch nach Ansicht des Senats nicht folgern, dass der beklagte Arzt für sämtliche Angaben auf den Unterseiten des verlinkten Internetauftritts einzustehen habe – er habe sich diese Inhalte gerade nicht „zu eigen gemacht“.
Auch hafte der Arzt nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten wettbewerbsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht, da der Arzt den Link unmittelbar nach Erhalt der Abmahnung entfernt habe.
Haftung für verlinkte Inhalte: Immer eine Einzelfallentscheidung
Maßgeblich für die Frage, welche Inhalte sich der Linksetzende „zu eigen macht“, sei die objektive Sicht des verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände, so die Richter.
Die entscheidenden Umstände, weshalb der Arzt sich die fremden Inhalte des Forschungsverbandes nicht zu eigen gemacht habe seien zum einen, dass der von ihm gesetzte Link auf die Startseite des fremden Internetauftritts führte und gerade nicht auf die Unterseiten, welche die beanstandeten Aussagen enthielten. Aus der objektiven Sicht eines durchschnittlichen Internetnutzers liege deshalb die Annahme fern, der beklagte Arzt habe mit dem Link die volle Verantwortung für den gesamten Inhalt des fremden Internetauftritts übernehmen wollen. Überdies sei entscheidend, dass der eigene Internetauftritts des Arztes ohne Nachverfolgung des gesetzten Links nicht unvollständig oder unverständlich erschienen. Der abschließende Hinweis auf die weiterführenden Informationen sei so zu werten, wie ein Hinweis auf weiterführende Literatur am Ende eines Zeitschriftenartikels, mit dem der Verfasser des Artikels keine ungeteilte Zustimmung zu allen dort vertretenen Auffassungen zum Ausdruck bringt, sondern eben lediglich darauf verweist.
So ist es schon seit eh und je….
Ein Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Jahre zeigt, dass die Gerichte schon immer im Wege einer solchen Einzelfallbetrachtung die Streitigkeiten bezüglich der Haftung für fremde Inhalte entschieden haben.
Beispielhaft ist diesbezüglich etwa die bekannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffend „Marions-Kochbuch“ (Urt. v. 12. 11. 2009 – Az.: I ZR 166/07) heranzuziehen. In diesem Urteil entschieden die Richter, dass die Betreiberin eines Internetauftritts für das unbefugte Zugänglichmachen urheberrechtlich geschützter Lichtbilder innerhalb einer Online-Rezeptsammlung hafte. Die Betreiberin habe nach Ansicht des Gerichts den Eindruck vermittelt, sie mache sich den Inhalt der hochgeladenen Rezepte und Bilder zu eigen, indem sie die veröffentlichten Rezepte und Abbildungen nach eigener redaktioneller Kontrolle als eigenen Inhalt auf ihrer Internetseite öffentlich zugänglich gemacht habe.
Im Gegensatz dazu ging die Einzelfallabwägung der Richter des Bundesgerichtshofs in dem Urteil „AnyDVD“ (Urt. v. 14. 10. 2010 – Az.: I ZR 191/08) genau anders herum aus: Eine Haftung für fremde Inhalte nach Setzen eines Links schied in diesem Fall aus, da sich der Link-setzende Beklagte in seiner eigenen Berichterstattung so distanziert über die verlinkten Inhalte geäußert habe, dass er sich selbige gerade nicht zu eigen gemacht habe.
Große Bedeutung der Entscheidung für die Praxis
Die Haftung für fremde Inhalte im Internet, auf die ein Webseitenbetreiber verlinkt oder die er in sonstiger Weise nutzt, ist für die Praxis von größter Bedeutung. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Webseitenbetreiber manchmal tatsächlich die Leser seines eigenen Internetauftritts einfach nur „ergänzend“ auf weitere Inhalte hinweisen möchte, sich diesen aber nicht anschließt oder sie gar auch nicht im Detail kennt, muss eine Haftung in manchen Fällen ausscheiden. Dies gilt gerade dann, wenn der Webseitenbetreiber die vermeidlich rechtswidrigen Inhalte sofort nach Kenntnis über die mögliche Rechtswidrigkeit entfernt – wie auch vorliegend durch den Arzt geschehen.
Dass eine Haftung auf der anderen Seite aber auch unbedingt greifen muss verdeutlicht die Tatsache, dass es durchaus auch Anbieter gibt, die sich eines Links bedienen, um so auf Inhalte aufmerksam zu machen, von denen sie genau wissen, dass sie sie selbst nicht veröffentlichen dürfen. Oder aber, dass Inhalte trotz genauer Prüfung und daraus resultierender Kenntnis als eigene vollumfänglich übernommen werden.
Die einzelfallbezogene Herangehensweise der Gerichte, die auch das Oberlandesgericht Köln mit dieser Entscheidung ein Mal mehr angewendet hat, ist aufgrund dessen unserer Ansicht nach gut und richtig. Auch ist zu begrüßen, dass das Oberlandesgericht die Revision gegen das Urteil zugelassen hat – so kann nun auch der Bundesgerichtshof sich der Frage der verlinkten Inhalte in diesem konkreten Fall widmen. (he)
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