Wir berichteten vor wenigen Tagen über ein kurioses Ermittlungsverfahren mit urheberrechtlichen Bezügen.
Prompt stolpere ich über den Artikel von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., der über eine andere Art des Zusammentreffens von Straf- (bzw. OWi-) und Urheberrecht berichtet.
Es geht um Verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge werden von speziellen Geräten gemessen. In den darauf folgenden Verfahren ist natürlich auch zu prüfen, ob das Messgerät ordnungsgemäß bedient wurde. Zur Prüfung ist es –für alle Beteiligten- notwendig, Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgerätes nehmen zu können. Diese wird anscheinend häufig und mit unterschiedlichen Begründungen verweigert.
Die Konstellationen scheinen vielfältig zu sein. An dieser Stelle möchte ich jedoch nur auf einige urheberrechtlich relevanten Variationen eingehen.
Darf man Bedienungsanleitungen kopieren?
Das AG Bad Kissingen hat in einem Beschluss vom 06.07.2006 (AZ 3 OWi 17 Js 7100/06) entschieden, dass ein Versand der Bedienungsanleitung im Original nicht möglich sei, weil diese ständig durch die Polizeidienststelle benötigt werde.
Es wird zudem gerne argumentiert, der „Fertigung von Kopien der Bedienungsanleitung steht der urheberrechtliche Schutz dieser Aufzeichnung entgegen“.
Diese Auffassung vertreten anscheinend diverse Amtsgerichte. Zudem existiert ein Schriftstück des Ministierums für Inneres und Kommunales des Landes NRW vom 17.02.2011, in welchem es wörtlich heißt:
„Der Fertigung von Kopien der Bedienungsanleitung steht der urheberrechtliche Schutz dieser Aufzeichnungen entgegen, da sich die Hersteller regelmäßig den Urheberrechtsschutz vorbehalten. Der nach § 17 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes mit der Veräußerung eintretende Verbrauch der Verwertungsrechte des Rechtsinhabers beschränkt sich nur auf die körperliche Weiterverbreitung des jeweils veräußerten Werkexemplars. Der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz führt hier nur dazu, dass das Original der Bedienungsanleitung zum Zwecke der Einsichtnahme weitergegeben werden dürfte. Dies kommt jedoch aus dem oben genannten Grund nicht in Betracht. Die Befugnis zur Fertigung von Kopien der Bedienungsanleitung setzt demgegenüber jedoch entweder den vertraglichen Verzicht auf den Urheberrechtsschutz oder die Einräumung von Nutzungsrechten nach § 31 des Urheberrechtsgesetztes voraus.“
Glücklicherweise gibt es auch Lichtblicke in schweren Zeiten. RA Burhoff weist auf eine Entscheidung des Kammergerichts vom 7.01.2013 (3 Ws (B) 596/12 – 163 Ss 178/12) hin, in welcher erläutert wird, dass das Urheberrecht weder einer Einsichtnahme noch einer Vervielfältigung der Bedienungsanleitung im Rahmen des Verfahrens entgegensteht.
Neben den strafrechtlichen Aspekten ist das Urheberrecht zu prüfen
Zur Beurteilung der Rechtslage gilt das in unserem bereits erwähnten Artikel gesagte:
Zunächst ist zu prüfen, ob die Bedienungsanleitung überhaupt urheberrechtlichen Schutz genießt. Sobald dort Lichtbilder enthalten sind ist im Übrigen zu beachten, dass diese per se urheberrechtlichen Schutz genießen, so dass die sprachlichen Ausgestaltung nicht weiter zu prüfen wäre.
Falls man zu dem Ergebnis kommt, dass es sich bei der Bedienungsanleitung um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt ist im nächsten Schritt zu überlegen, welche urheberrechtlich relevante Handlung vorgenommen wird.
Fertigt die Behörde eine Kopie an, so liegt eine Vervielfältigungshandlung vor. Gibt die Behörde jedoch das Original weiter, so könnte –mit sehr viel Wohlwollen und einiger Argumentation- eine Verbreitungshandlung im Sinne des § 17 UrhG vorliegen. In diesem Fall dürfte jedoch Erschöpfung vorliegen.
Das Dilemma der Behörde ist nachvollziehbar. Sobald sie Kopien fertigt betätigt sie sich in urheberrechtlich relevanter Weise. Will sie dies vermeiden und versendet das Original, dann fehlt die Bedienungsanleitung vor Ort.
Die Prüfung ist jedoch glücklicherweise an dieser Stelle nicht zu Ende.
Es ist nun zu prüfen, welche Nutzungsrechte vertraglich eingeräumt wurden. Die Behörde hat das Messgerät samt Bedienungsanleitung vom Hersteller (und hoffentlich vom Inhaber der notwendigen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der Bedienungsanleitung) erworben. Im Vordergrund dürfte der Kauf des Messgerätes gestanden haben – nicht die Übertragung von Nutzungsrechten an der Bedienungsanleitung. Deshalb ist davon auszugehen, dass keine konkreten Nutzungsmöglichkeiten besprochen oder gar schriftlich vereinbart wurden. Auf dieser Grundlage muss der Vertrag ausgelegt werden.
Im Rahmen der Zweckübertragungslehre werden die Nutzungsrechte im Zweifel immer nur in dem Umfang eingeräumt, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Der Vertrag dürfte folgenden Zweck enthalten: Mit dem Messgerät werden Geschwindigkeitsmessungen vorgenommen. Die Messungen müssen in einer „gerichtsfesten“ Art und Weise erfolgen.
Was ist vertraglich vereinbart?
Es ist dem Messgerätehersteller klar, dass die Messungen häufig in gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Dass in einem gerichtlichen Verfahren auch eine Prüfung des Messgeräts, seiner Funktionsweise und seiner Bedienung im konkreten Fall vorgenommen wird weiß der Messgerätehersteller ebenfalls. Es ist offenkundig, dass hierzu auch die Lektüre der Bedienungsanleitung gehört.
Diese Prüfung im Verfahren wird im Zweifel von allen Verfahrensbeteiligten vorgenommen werden. Zunächst prüft die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren, danach wahrscheinlich der Verteidiger und letztlich das Gericht. Auch diese Vorgehensweise ist dem Messgerätehersteller hinlänglich bekannt.
Vor diesem Hintergrund kann durchaus argumentiert werden, dass der Messgerätehersteller die Vervielfältigungsrechte insoweit übertragen hat, als die Vervielfältigungsstücke in dem gerichtlichen Verfahren verwendet werden. Da wir an dieser Stelle über die Einräumung vertraglicher Nutzungsrechte sprechen ist im übrigen nicht nachvollziehbar, weshalb diese Frage nicht bereits beim Ankauf der Geräte geklärt wird. So könnte man viel Ärger und Aufwand ersparen und direkt eine Kopie der Bedienungsanleitung zur Akte nehmen.
Rettungsanker § 45 UrhG
Sollte sich im Rahmen der Vertragsauslegung ergeben, dass die Nutzungsrechte -entgegen der hier vertretenenen Argumentation- nicht in ausreichender Form übertragen wurden, so bleibt der Rettungsanker des § 45 UrhG bestehen. Nach dieser Regelung ist es zulässig, Verviefältigungsstücke von Werken zur Verwendung in einem Verfahren vor Gericht herzustellen, herstellen zu lassen und zu verbreiten.
Die Entscheidungen der Gerichte sind vor diesem Hintergrund kaum nachvollziehbar. (ro)
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