Die Facebook-Seite einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt gilt als ein Telemedienangebot im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags (RStV).
Nach § 11 d Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 19 RStV müssen Telemedien journalistisch-redaktionell veranlasst sein, sodass auf der Facebook-Seite einer Rundfunkanstalt lediglich themenbezogene Kommentare zulässig sind. Daher sind Rundfunkanstalten im Einzelfall sogar zur Löschung sachfremder Kommentare verpflichtet.
Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Sachsen in einem Urteil vom 16.09.2020.
Streitauslöser: Sachfremde Kommentare auf Facebook
Der Entscheidung des OVG Sachsen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, unterhält eine Facebook-Seite, auf der sie Sendebeiträge veröffentlicht, die angemeldete Facebook-User kommentieren können. Dabei weist die Rundfunkanstalt auf die auf ihrer Homepage abrufbare Netiquette hin, welche unter anderem regelt, dass sachfremde Inhalte nicht zulässig sind und daher gelöscht werden.
Im Sommer 2018 schrieb der Kläger, ein Facebook-Nutzer, zu einem Beitrag auf der Facebook-Seite der Rundfunkanstalt mehrere Kommentare, welche die Beklagte als nicht themenbezogen löschte. Der Kläger sah sich dadurch in seinem Recht auf Meinungsfreiheit verletzt und setzte sich daher gegen die Löschung vor dem Verwaltungsgericht Leipzig zur Wehr.
Meinungsfreiheit vs. virtuelles Hausrecht: Löschung von Kommentaren zulässig?
Das VG Leipzig wies die Klage ab und begründete dies damit, dass die verfassten Kommentare auf der Facebook-Seite einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt einen konkreten Bezug zum Thema des Beitrags aufweisen müssten. Daher müssten nicht themenbezogene Kommentare im Rahmen des virtuellen Hausrechts der Rundfunkanstalt gelöscht werden. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.
OVG bestätigt VG und hält Löschung der Kommentare ebenfalls für zulässig
Das OVG Sachsen stimmte der Entscheidung des VG Leipzig zu und wies die Berufung des Klägers zurück. Es entschied, dass das Löschen der Kommentare durch die Beklagte zulässig gewesen sei. Dies begründete das OVG damit, dass die Facebook-Seite der Beklagten ein Telemedienangebot i.S.v. § 11 d RStV sei, wobei die Beklagte nach § 11 d Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 19 RStV lediglich Telemedien anbieten dürfe, die journalistisch-redaktionell veranlasst und gestaltet seien. Dagegen seien Foren und Chats ohne Sendungsbezug unzulässig (OVG Sachsen, Urteil v. 16.9.2020, Az. 5 A 35/20).
Demnach müssten öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten die Kommentare auf ihrem Facebook-Profil im Blick haben und solche Kommentare, die keinen Bezug zum Thema des Beitrags haben, löschen.
Darüber hinaus konkretisierten die Regelungen der Netiquette die gesetzliche Pflicht der Beklagten, so das OVG. Die Löschung der Kommentare stelle zwar einen Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 I GG dar, da die Frage, ob die Meinungsäußerung des Klägers sachfremd sei oder nicht, sich auf den Gegenstand einer Meinung beziehe. Allerdings sei dieser Eingriff gem. Art. 5 II GG gerechtfertigt. Die Frage, ob die Meinungsäußerung einen Bezug zum Thema des Beitrags hat oder unzulässig in die Rundfunkfreiheit der Beklagten in der Prägung als Programmfreiheit eingreift, sei auf der Ebene der Rechtfertigung zu prüfen, so das Gericht.
Zudem stehe vorliegend kein Eingriff der Beklagten als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung i.S.d. § 1 III G im Raum, sondern ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit i.S.d. Rundfunk- und Programmfreiheit der Beklagten. Daher seien bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen die der Beklagten obliegenden Aufgaben und Beschränkungen sowie die journalistisch-redaktionelle Eigenschaft des Eingriffs zu beachten.
Vorliegend entschied das OVG, dass das Interesse der Beklagten an der Verhinderung eines Umlenkens der Diskussion als auch der engen Auslegung des Kriteriums des Themenbezugs, das Interesse des Klägers, ein neues Beitragsthema anzusprechen, überwiege.
Vorsicht bei der Verfassung sachfremder Kommentare
Diese Entscheidung zeigt, dass das OVG Sachsen die Netiquette als eine verfahrensgestaltende Regelung ansieht, die zwischen Facebook-Nutzern und Betreibern von Facebook-Seiten Rechtswirkung zeigt.
Darüber hinaus macht das OVG klar, dass Nutzer regelmäßig mit einer Löschung ihrer Kommentare rechnen müssen, wenn diese keinen Bezug zum Sendebeitrag erkennen lassen und damit sachfremd sind.