Das OLG Stuttgart hat in einem Beschluss (OLG Stuttgart, Beschluss v. 28.10.2010 und Berichtigungsbeschluss v. 17.03.2021, Az. 4 U 656/19) zum Urheberrechtsschutz von Liedtexten entschieden, dass banale Textzeilen aus allgemeinen sprachlichen Begriffen ohne besondere Originalität und ohne Schöpfungshöhe nicht urheberrechtlich geschützt sind.
Rechtsstreit um Geburtstagslied
Im konkreten Fall ging es um die mehrfache Übernahme der Worte „zum Geburtstag“ in einem Liedtext mit dem Titel „Zum Geburtstag viel Glück“ aus dem gleichnamigen Liedtext „Zum Geburtstag viel Glück“.
Die Klägerin in dem Verfahren machte eine Verletzung eines aus diesem erwachsenen Bearbeiter-Urheberrechts geltend. Die Beklagte beantragte, die Klage der Klägerin und Widerbeklagten abzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, das musikalische Werk „Zum Geburtstag viel Glück“ eines Autoren, dessen Musik von einem Münchener Verlag veröffentlicht wird, in einer textlichen Werkfassung „Zum Geburtstag für Dich“ in einer ihrer Ansicht nach ungenehmigten Werkbearbeitungsfassung unter dem Titel „Zum Geburtstag für dich“ zu Zwecken der Werbung im Hörfunk öffentlich wiederzugeben.
Schöpfungshöhe entscheidend
Das OLG Stuttgart entschied, dass die allein übernommenen Worte „zum Geburtstag“ kein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG schutzfähiges Sprachwerk darstellen und auch keinen Schutz als Übersetzung im Sinne von § 3 Satz 1 UrhG genießen. Das Gericht verweist in seinem Urteil darauf, dass an die Schutzfähigkeit von Liedtexten nur geringe Anforderungen zu stellen sind. So kann der dreizeilige banale Text eines Schlager-Refrains unter dem Gesichtspunkt der sogenannten kleinen Münze Urheberrechtsschutz genießen (BGH, Urteil v. 24.01.1991, Az. I ZR 78/89). Banale Textzeilen, bei denen es sich um allgemein sprachliche Begriffe ohne besondere Originalität oder Schöpfungshöhe handelt oder ganz kurze Textteile einzelner Lieder, blieben jedoch schutzlos. In den Worten „Zum Geburtstag“ allein komme „kein mit Mitteln der Sprache ausgedrückter Gedanken- und / oder Gefühlsinhalt zum Ausdruck“. Dies gelte auch, wenn diese mehrfach wiederholt werden, wie im entschiedenen Fall die Worte „Zum Geburtstag“.
Die Regel, dass sehr kleine Teile eines Sprachwerkes wie einzelne Wörter oder knappe Wortfolgen für sich genommen nicht hinreichend individuell und damit nicht schutzfähig sind (BGH, Urteil v. 01.12.2010, Az. I ZR 12/08 – Perlentaucher), gelte auch für Teile von Liedtexten (BGH, Beschluss v. 18.10.2012, Az. I ZA 2/12; OLG Hamburg, Beschluss v. 26.04.2010, Az. 5 U 160/08).
Übersetzung führt nicht zu Schutz
An der fehlenden Schutzfähigkeit der in den Werbespot übernommenen Worte „Zum Geburtstag“ ändere sich auch nichts dadurch, dass der vom Vater der Beklagten geschaffene Text des Liedes „Zum Geburtstag viel Glück“ eine Übersetzung des englischen Originaltextes „Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday, dear …, happy birthday to you“ darstelle, so das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung. Denn auch eine Übersetzung sei nur dann als selbständiges Werk geschützt, wenn sie die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk erfülle, also für sich genommen eine persönliche geistige Schöpfung darstelle.
Die Rechtsprechung hat bisher die Schutzfähigkeit unter anderem für die Liedtextzeilen „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn“ (OLG Düsseldorf, Urteil v. 01.12.1977, Az. 20 U 46/77) und „Tausend mal berührt, tausend Mal ist nix passiert“ (LG Frankfurt a. M., Urteil v. 02.12.1993, Az. 2/3 O 736/92) verneint. Die neue Entscheidung aus Stuttgart reiht sich in diese Rechtsprechung ein.
Für Kreative und MusikerInnen bedeutet sie mehr künstlerische Freiheit und weniger Abmahnrisiko. Gründe für die Zulassung der Revision sah das OLG Stuttgart entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.