Der seit 2010 andauernde Rechtsstreit zwischen einem Hamburger Musikproduzenten und der Videoplattform Youtube wurde am 9. Mai vor dem Bundesgerichtshof neu verhandelt. Dabei soll entschieden werden, inwiefern Youtube für Inhalte von Nutzern haftet, die gegen Urheberrechte verstoßen.
Bisheriger Verlauf der Verfahren
Der Hamburger Musikproduzent Hans Peterson hatte 2010 vor dem Hamburger Landgericht Klage gegen Youtube eingereicht (LG Hamburg, Urteil v. 3.9.2010, Az. 308 O 27/09). Der Grund: Nach eigener Aussage habe der Produzent im Jahre 1996 einen Exklusivvertrag mit der Künsterlin Sara Brightman geschlossen. Inhalt dieses Vertrag sei es unter anderem gewesen, Peterson sämtliche Nutzungsrechte an Aufnahmen von Darbietungen der Künstlerin einzuräumen. Konkret ging es dabei um das im Jahre 2008 veröffentlichte Album “a winter symphony”, sowie Videoaufnahmen der dem Album folgenden Konzerttour “symphony tour”.
Anfang 2008 erschienen nun auf Youtube diverse Videos der Künstlerin, so unter anderem Mitschnitte der Konzertauftritte und Tonaufnahmen aus dem Album “a winter symphony”. Peterson verlangte das Entfernen der Videos, Auskunftserteilung hinsichtlich der Uploader sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht. Lediglich hinsichtlich dreier Videos gab das Hamburger Landgericht der Klage statt, wies diese im Übrigen jedoch ab. Der Musikproduzent legte daraufhin Berufung vor dem OLG Hamburg ein (OLG Hamburg, Urteil v. 1.7.2015, Az. 5 U 87/12). Wir berichteten:
OLG Hamburg: Youtube haftet lediglich als Störer
Der Anträgen gab das Oberlandesgericht letztlich jedoch nur teilweise statt: Peterson hatte zunächst im Wege der Unterlassungsklage begehrt, Youtube die öffentliche Wiedergabe der betreffenden Videos zu untersagen. Darüber hinaus beantragte er hilfsweise, Youtube zu verbieten, Dritten das Veröffentlichen von weiteren Videos der Künstlerin zu ermöglichen. Schließlich verlangte der Kläger auch hier Auskünfte über die Uploader sowie Schadensersatz.
Nach Ansicht der Hamburger Richter hafte Youtube hier jedoch weder als Täter noch als Mittäter. Zunächst habe Youtube die Videos nicht selber hochgeladen. Darüber hinaus habe sich die Videoplattform die betreffenden Inhalte auch nicht zu eigen gemacht. Dies wäre beispielsweise der Fall gewesen, wenn den Videos Werbeanzeigen vorgeschaltet gewesen wären. Schließlich sei auf die Urheberrechtsverletzungen zunächst nicht hingewiesen worden, der Anbieter habe also in Unkenntnis gehandelt.
Das Oberlandesgericht ging gleichwohl jedoch von einer Störerhaftung der Plattform aus. Das Veröffentlichen der Videos stelle zweifelsfrei eine Verletzung der Urheberrechte Petersons dar, und Youtube habe hier durch das Bereitstellen der technischen Möglichkeiten einen Beitrag geleistet. Es seien hier nicht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden, um derartige Rechtsverletzungen zu verhindern.
Youtube sei als Störer jedoch verpflichtet, entsprechende Inhalte nach Hinweis umgehend zu löschen sowie Präventivmaßnahmen zu ergreifen. Letztlich bejahten die Richter eine Haftung jedoch lediglich hinsichtlich eines Teils der hochgeladenen Videos, Peterson hatte Ansprüche für insgesamt 36 Videos geltend gemacht. Der Musikproduzent gab sich mit dem Urteil des OLG nicht zufrieden. Am 9. Mai verhandelte der BGH nun erneut über den Rechtsstreit (BGH, 9.5.18, Az. I ZR 140/15).
Erste Ergebnisse der Verfahren
Den Anträgen des Musikproduzenten hat das OLG Hamburg bis lediglich teilweise statt gegeben. Eine Störerhaftung und die damit verbundene Pflicht zur Löschung urheberrechtlich geschützter Inhalte nebst Präventivmaßnahmen hatten die Richter weitestgehend angenommen. Bezüglich der Videoaufnahmen der Konzertauftritte ging das Oberlandesgericht gar gänzlich von keiner Haftung aus, Youtube komme hier auch nicht als Störer in Betracht. Die begehrten Auskunftsansprüchen wurden ebenso nur teilweise gewährt, etwaige Schadensersatzforderungen wiesen die Richter letztlich vollumfänglich ab.
Zwischenergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof
Einer ersten Mitteilung des vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof am 9. Mai nach wird eine mögliche Täter- oder Mittäterhaftung von Youtube allerdings nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen.
Für Betreiber von Plattformen, auf die Internetnutzer Inhalte zur öffentlichen Wiedergabe hochladen können, dürfte ein entsprechendes Urteil entscheidende Folgen haben. Aus einer solchen Haftung könnten sich möglicherweise neben einem Unterlassungs- und Auskunftsanspruch auch Ansprüche auf Schadensersatz ableiten lassen.
Darüber hinaus dürften entsprechende weitreichende Präventiv- und Gegenmaßnahmen fortan gang und gäbe sein. In diesem Zusammenhang hat der BGH auch zu entscheiden, wie derartige Überwachungspflichten konkret aussehen würden. Angesichts der schieren Masse an möglichen Uploads auf Plattformen müssten diese technisch durchführbar sowie finanziell zumutbar sein.
Andererseits muss bei der Urteilsfindung auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Betreiber von derartigen Plattformen überhaupt erst die technischen Voraussetzungen für Urheberrechtsverletzungen schaffen. Darüber hinaus werden von den Betreibern in diesem Zusammenhang unter Umständen auch finanzielle Vorteile erwirtschaftet, während diese nach aktueller Rechtslage als Störer nicht für die Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen werden können.
Im konkreten Fall wird der Hamburger Musikproduzenten einen Anspruch auf Schadensersatz dem Verlauf der mündlichen Verhandlungen nach wohl dennoch nicht durchsetzen können. Nach Ansicht der Richter fehle es vorliegend an einer direkten Vermögensverschiebung. Der finanzielle Vorteil, den Youtube durch die illegalen Uploads erhalten habe, sei nicht mit dem Vermögensverlust auf Klägerseite vergleichbar. Ein finales Urteil wurde am 9. Mai jedoch noch nicht gefällt, wann dieses ergehen wird steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Möglich ist dabei auch, dass der BGH den Rechtsstreit dem europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen wird.